SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/4484 18. Wahlperiode 16-08-04 Kleine Anfrage des Abgeordneten Christopher Vogt (FDP) und Antwort der Landesregierung – Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen im Handwerk 1. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, wie viele Flüchtlinge seit dem Jahr 2015 in Berufsausbildungen, Praktika oder Hospitationen im Handwerk vermittelt werden konnten? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Für die Beantwortung dieser und der nachfolgenden Fragen wird auf den Kenntnisstand der Handwerkskammer Flensburg und der Handwerkskammer Lübeck zurückgegriffen. Zur Anzahl der Flüchtlinge in Ausbildung können keine exakten Angaben gemacht werden, weil der Aufenthaltsstatus nicht als Merkmal in der Lehrlingsrolle geführt wird. Auch Praktika oder Hospitationen von Flüchtlingen werden statistisch nicht erfasst. Soweit die jungen Flüchtlinge über spezifische Projekte oder Maßnahmen, wie „Willkommenslotsen“, das Ende 2014 beendete Projekt der Handwerkskammer Lübeck „Handwerk ist interkulturell“ oder „Wege in Ausbildung für Flüchtlinge “ angesprochen wurden (vgl. auch Antwort zu Frage 3), konnten folgende Vermittlungen erreicht werden: Drucksache 18/4484 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Ausbildungen Einstiegsqualifizierung Praktika Hospitationen Handwerkskammer Flensburg 81 35 54 19 Handwerkskammer Lübeck 27 116 304 2 Gesamt: 108 151 358 21 2. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, welche Unternehmen bzw. Branchen mit jeweils wie vielen Flüchtlingen Ausbildungsverträge über eine Berufsausbildung im Handwerk abgeschlossen haben? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Aus den in der Antwort zu Frage 1 genannten Gründen liegen exakte, statistisch validierbare und flächendeckende Zahlen nicht vor. Erfahrungswerte zeigen, dass folgende Gewerke offenbar bevorzugt werden: Friseure, Bau- und Baunebengewerke, Elektro- und Metallgewerbe, KFZ- Mechatroniker, Bäcker. Statistische Signifikanzen lassen sich daraus aber nicht ableiten. Die Größe der beteiligten Betriebe deckt dabei die gesamte Bandbreite vom Kleinstbetrieb mit unter fünf Mitarbeitern bis hin zum Handwerksunternehmen mit mehreren hundert Beschäftigten ab. 3. Welche Initiativen bzw. Projekte zur Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt im Bereich des Handwerks gibt es in Schleswig-Holstein derzeit und welche Erfahrungswerte liegen der Landesregierung hierzu vor? Wie viele und welche dieser Qualifizierungsmaßnahmen gab es bereits vor 2015? Antwort: Vorab erfolgt der Hinweis, dass Flüchtlinge, sobald sie den - nach Status differenzierten - formalen Zugang zum Arbeitsmarkt haben und die jeweiligen Leistungsvoraussetzungen individuell erfüllen, die „Regel“-Leistungen der aktiven Arbeitsförderung der Agenturen für Arbeit und Jobcenter (gemeinsame Einrichtungen und zugelassene kommunale Träger) in Anspruch nehmen können . Für die Integration von Menschen in Ausbildung und Arbeit steht im Land darüber hinaus eine Reihe von spezifischen Förderangeboten des Bundes zur Verfügung. Insbesondere zu nennen sind: Die Programme der Bundesagentur für Arbeit wie „Perspektiven für Flüchtlinge (PerF)“ und „Perspektiven für junge Flüchtlinge (PerjuF)“ als Vorbereitung auf eine Arbeit oder Ausbildung sowie das 2017 startende Programm „Perspektiven für weibliche Flüchtlinge – Potentiale identifi- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/4484 3 zieren, Integration ermöglichen (PerF-W)“, das weiblichen Flüchtlingen Orientierung im deutschen Ausbildungs- und Beschäftigungssystem geben soll. „Willkommenslotsen“ als Teil des Programms „Passgenaue Besetzung “. Gefördert wird die Beratung von Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) zur Integration von Flüchtlingen; Träger sind Kammern und andere Organisationen der Wirtschaft. „KompAS“ (Kombination von Integrationskursen mit Maßnahmen der Jobcenter und Agenturen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung ). „Soziale Teilhabe durch Arbeit für junge erwachsene Flüchtlinge und erwerbsfähige Leistungsberechtigte (STAFFEL)“: Förderung eines Arbeitsverhältnisses (20 Stunden) mit Begleitung, Coaching u.a. (Bundesministerium für Arbeit und Soziales). Vor 2015 gab es diese Programme nicht. Als Angebot des Landes ist ergänzend das Programm „Begleiteter Übergang für Flüchtlinge in Arbeit und Ausbildung (BÜFAA.SH)“ zu nennen. Näheres dazu siehe bei Antwort zu Frage 4. Voraussetzung, die Fördermaßnahmen absolvieren zu können, sind Sprachkenntnisse , wie sie in den als Sprachkette aufgebauten Kursen von Bund und Land vermittelt werden. Die Förderinstrumente stehen in der Regel auch dem Handwerk offen. Besonders hervorzuheben ist das mehrstufige, kombinierte Programm: „Wege in Ausbildung für Flüchtlinge“: Am 15. März 2016 wurde zwischen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, der Bundesagentur für Arbeit und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks die Kooperationsvereinbarung für „Wege in Ausbildung für Flüchtlinge“ abgeschlossen. Dabei handelt es sich um ein handwerksspezifisches Programm zur Qualifizierung junger Schutzsuchender mit dem Ziel, in den Jahren 2016 bis 2018 10.000 junge Flüchtlinge mit gesichertem Aufenthaltsstatus in den überbetrieblichen Bildungsstätten des Handwerks auf eine Ausbildung im Handwerk vorzubereiten und nach Möglichkeit in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis im Handwerk zu vermitteln . Zu der kombinierten, gestuften Qualifizierungsinitiative gehören der Integrationskurs sowie die Programme „Perspektiven für junge Flüchtlinge im Handwerk (PerjuF-H)“ und „Berufsorientierung für Flüchtlinge (BOF)“. Ergänzt wird das Angebot durch „Assistierte Ausbildung im Handwerk (AsA)“ und „Ausbildungsbegleitende Hilfen im Handwerk (abH)“. Drucksache 18/4484 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Die Handwerkorganisationen im Kammerbezirk Lübeck haben sich im Rahmen des Programms „Wege in Ausbildung für Flüchtlinge“ gegenüber der Bundesagentur für Arbeit dazu bereit erklärt, ab April/Mai 2016 insgesamt 212 Plätze für die Maßnahme PerjuF-Handwerk zur Verfügung zu stellen. Von diesen 212 Plätzen wurden bisher rund 40 Prozent (84 Plätze) seitens der Arbeitsagenturen und Jobcenter belegt. Das Hauptproblem für eine bessere Belegung liegt in den mangelnden Sprachkenntnissen vieler Flüchtlinge. Die BOF-Maßnahmen sollen im Anschluss an die PerjuF-Maßnahmen ab September /Oktober 2016 beginnen. Hierfür sind noch keine Bedarfsanmeldungen der Arbeitsagenturen und Jobcenter bekannt. Bei der Handwerkskammer Flensburg werden seit Oktober 2015 Maßnahmen für minderjährige unbegleitete Asylbewerber durchgeführt. Bisher konnte für 77 Teilnehmende eine Eignungsfeststellung, Berufsorientierung und Kenntnisvermittlung geleistet werden. Die Maßnahmen werden durch die Agentur für Arbeit in Flensburg gefördert. Weitere Projekte werden in der zweiten Jahreshälfte 2016 starten. 4. Werden diese Initiativen bzw. Projekte vom Land gefördert? Wenn ja, in welcher Höhe? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Die Maßnahmen werden im Rahmen von Programmen umgesetzt, für die Mittel des Bundes vorgesehen sind. Das Land fördert flankierende Maßnahmen wie beispielsweise gemeinsam mit der Regionaldirektion Nord und mit Unterstützung der Wirtschaft das Programm „Begleiteter Übergang für Flüchtlinge in Arbeit und Ausbildung (BÜFAA.SH)“. Flüchtlinge sollen durch BÜFAA.SH in einer einjährigen Maßnahme, die aus zwei Phasen besteht, in die Aufnahme einer Ausbildung, Einstiegsqualifizierung oder Arbeit begleitet werden. Im Rahmen der Maßnahme werden in der ersten Phase zunächst die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Teilnehmenden festgestellt. Zudem werden Deutschkenntnisse erweitert sowie Kenntnisse über arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen und Umgangsformen am Arbeitsplatz und im Betrieb vermittelt. Über Praxiselemente wird das Einmünden in Ausbildung oder Arbeit vorbereitet. In der zweiten Phase werden die Ausbildungs- bzw. Beschäftigungsverhältnisse für die Dauer von maximal sechs Monaten durch eine Nachbetreuung und Sprachförderung flankiert. Hierfür steht sowohl den Arbeitgebern als auch den Beschäftigen ein Coach zur Verfügung. Das Coaching erstreckt sich auf die sich aus dem Ausbildungsoder Beschäftigungsverhältnis ergebenden Fragen. BÜFAA.SH ging landesweit ab 1. Juni 2016 mit dem Angebot von rund 1.600 Teilnehmerplätzen an den Start. Letzte Maßnahme-Eintritte werden bis Ende August 2016 vollzogen . Zur Förderhöhe BÜFAA.SH wird auf die Antworten auf die Kleine Anfrage Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/4484 5 18/450 A verwiesen. 5. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, nach welchen Kriterien (grundsätzliche Voraussetzungen und Sprachkenntnisse) die Flüchtlinge bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen ausgesucht wurden? Antwort: Nach Einschätzung der Handwerkskammern werden folgende Kriterien zugrunde gelegt: Sprachniveau A 2 für berufsvorbereitende Maßnahmen, mindestens B 1 für den praktischen Teil der Ausbildung. Um auch erfolgreich an der Berufsschule und den Prüfungen teilnehmen zu können , sind Sprachkenntnisse von mindestens B 2 erforderlich. Erkennbarer Wille, sich in die neue Berufswelt einzuarbeiten bzw. Interesse am Berufsbild oder auch berufliche Vorerfahrungen im jeweiligen Berufsfeld. Motivation und Engagement. Leistungs- und Lernbereitschaft (Ausbildungsreife). Zwischenmenschliche Passgenauigkeit. 6. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, wie viele Betriebe seit Bekanntwerden der jeweiligen Initiativen bzw. Projekte Interesse bei der Handwerkskammer und/oder bei dem Land bzw. der zuständigen öffentlichen Stelle bekundet haben, um an dem Projekt teilzunehmen beziehungsweise ebenfalls Flüchtlingen einen Ausbildungsplatz zu vermitteln? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Zur Anzahl der Interessensbekundungen können keine Angaben gemacht werden, da diese statistisch nicht erfasst werden. Nach Angaben der Handwerkskammern wird aber geschätzt landesweit von mehreren hundert Betrieben ausgegangen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass sich – branchenübergreifend - in einer gemeinsamen Erklärung vom 11. Februar 2016 mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie und der Regionaldirektion Nord die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern, die Landwirtschaftskammer sowie der Unternehmensverband Nord bereit erklärt haben, mindestens 1.200 Einmündungen in Einstiegsqualifizierungen, Ausbildungsund Arbeitsplätze zu ermöglichen (im Rahmen von BÜFAA.SH). 7. Gibt es auf Initiative der Landesregierung ein Gesamtkonzept bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt in Bezug auf das Handwerk? Wenn ja, welches? Wenn nein, warum nicht? Drucksache 18/4484 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 6 Antwort: Die Landesregierung hat sich mit einer Vielzahl von Partnern im Land in 2015 auf einen Flüchtlingspakt („Willkommen in Schleswig-Holstein! Integration vom ersten Tag an“) verständigt. In diesem sind u.a. Vereinbarungen zur Integration von Flüchtlingen getroffen, die als konzeptioneller Rahmen in einer festen Arbeitsstruktur umgesetzt und innerhalb festgelegter Handlungsfelder bedarfsorientiert weiterentwickelt werden. Die Belange des Handwerks bei Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt werden innerhalb der Arbeitsgruppe des Handlungsfeldes Arbeit und Ausbildung berücksichtigt. Über die Umsetzung des Flüchtlingspaktes wurde zuletzt am 26. Februar 2016 berichtet (Drs. 18/3906).