SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/4494 18. Wahlperiode 16-08-04 Kleine Anfrage des Abgeordneten Christopher Vogt (FDP) und Antwort der Landesregierung – Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie Berufliche Qualifikation von Flüchtlingen 1. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse über die schulischen und beruflichen Qualifikationen der Asylsuchenden und geduldeten Flüchtlinge in Schleswig-Holstein vor? Wenn ja, welche ? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Bei Beantwortung der Fragen 1 bis 3 wurden Erkenntnisse der Regionaldirektion Nord berücksichtigt. Auf den Landtagsbericht zur Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein (Drs. 18/3714) wird hingewiesen . Im Monat Juni 2016 wurden im Bereich der Bundesagentur für Arbeit erstmals statistische Auswertungen auf Bundeslandebene nach Merkmalsstrukturen für die gemeldeten Schutzsuchenden erstellt. Bei der hierbei vorgenommenen Unterscheidung nach Qualifikationsniveau ist zu berücksichtigen, dass die Personenkreise mit dem Qualifikationsniveau „Helfer- und Anlerntätigkeit“ sowie „Fachkraft“ über keine Qualifikation nach deutschem Standard verfügen, sehr wohl aber in unterschiedlicher Ausprägung Kenntnisse und Fertigkeiten aus beruflicher Tätigkeit mitbringen. Festgestellt werden kann, dass die Ergebnisse der Migrationsstichprobe des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aus dem Jahre 2015, die Erkenntnisse des mobilen Einsatzteams der Bundesagentur für Arbeit, das seit Herbst 2015 in Schleswig-Holstein Erstgespräche mit Kompetenzerfassung Drucksache 18/4494 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 mit Schutzsuchenden, die sich noch im Asylverfahren befinden, geführt hat, und die aktuellen statistischen Auswertungen zu nicht nennenswert voneinander abweichenden Ergebnissen kommen. Danach wurden vier Prozent der arbeitslos gemeldeten Schutzsuchenden einem Tätigkeitsniveau auf Experten/Spezialisten-Niveau, 18 Prozent dem Fachkraft-Niveau und 62 Prozent den Helfer- und Anlerntätigkeiten zugeordnet . Bei den letzten beiden Personenkreisen ist zu beachten, dass diese über keine Qualifikation nach deutschem Standard, aber in unterschiedlicher Ausprägung über verwertbare berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen. In den übrigen Fällen konnte ein Tätigkeitsniveau nicht festgelegt werden. Bei den schulischen Qualifikationen liegen statistischen Auswertungen über die arbeitsuchenden Personen im Kontext von Fluchtmigration vor. Danach sind in beiden Rechtskreisen (SGB III und SGB II) im Berichtsmonat Juli 2016 insgesamt knapp 12.300 Menschen im Kontext von Fluchtmigration in Schleswig-Holstein arbeitsuchend gemeldet. Ein knappes Drittel (3.800) gibt an, keinen oder einen vergleichbaren ersten allgemeinbildenden Schulabschluss zu besitzen. Ein weiteres Drittel (4.200) kann derzeit keine genauen Angaben zum Schulabschluss machen. Ein weiteres gutes Drittel (4.300) gibt an, über einen höherwertigen Schulabschluss (Mittlerer Bildungsabschluss bis Abitur) zu verfügen. Dabei ist zu berücksichtigen , dass bei einem Großteil entweder noch keine Anerkennungen von Zeugnissen vorliegen oder keine Papiere aufgrund der Flucht vorhanden sind, so dass die Wertigkeit der angegebenen Schulabschlüsse mit den deutschen Bildungsabschlüssen nicht immer identisch ist. Zu Fragen 1 und 3 wird bezogen auf den schulischen Zusammenhang auch die Antworten zur KA18/4436 „Situation der Flüchtlinge in den berufsbildenden Schulen“ hingewiesen. Für die Altersgruppe der in Schleswig-Holsteinischen schulpflichtigen Jugendlichen ist zu ergänzen, dass zu den Merkmalen „Asylsuchende “ und „ Flüchtlinge“ im Rahmen der Schulstatistik aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Erhebungen durchgeführt werden. 2. Hat sich die Qualifikationsstruktur im Verlauf der vergangenen fünf Jahre verändert ? Wenn ja, inwiefern? Antwort: Eine Veränderung der Qualifikationsstruktur innerhalb der vergangenen fünf Jahre lässt sich anhand der statistischen Auswertungen nicht aussagekräftig abbilden, da im Bereich der Bundesagentur für Arbeit ausschließlich auf Kundendaten zurückgegriffen werden kann, die arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Insbesondere hochqualifizierte Fachkräfte, die aufgrund von Studium oder Arbeit in den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen sind, waren nur in sehr geringem Maße von Arbeitslosigkeit betroffen. Somit würde sich durch einen Rückblick auf die Datenlage ein verfälschtes Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/4494 3 Bild ergeben. Darüber hinaus kann auf Kundendaten von abgemeldeten Personen aus Datenschutzgründen nicht mehr zugegriffen werden. 3. Wird die berufliche Qualifikation von Flüchtlingen in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes erfasst? Wenn ja, in welcher Weise und welche Ergebnisse haben diese Erhebungen ergeben? Wenn nein, warum nicht und sieht die Landesregierung die Notwendigkeit, in Erstaufnahmestellen die schulische und berufliche Qualifikation zu erfassen? Antwort: Seit Sommer 2016 setzt die Bundesagentur für Arbeit ein neues Dienstleistungsangebot für Schutzberechtigte in den Ankunftszentren Neumünster und Glückstadt um. Das Modell sieht Gruppeninformationsveranstaltungen und Einzel-Datenaufnahme u.a. mit erster Kompetenzerfassung vor. Dieses Verfahren soll eine Datenbasis für die weitere Betreuung durch die Jobcenter und zugelassenen kommunalen Träger schaffen. Siehe im übrigen Antwort zu Frage 1. 4. Von welchen Prognosen geht die Landesregierung hinsichtlich einer Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein aus? Antwort: Bezogen auf aktuelle Basisdaten zur Flüchtlingssituation wird auf die auf der Homepage des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten veröffentlichten Informationen zur Entwicklung der Flüchtlingssituation in Schleswig -Holstein, auf die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge veröffentlichten Asylstatistiken (www.bamf.de/DE/Infothek/Statistiken/Asylzahlen) sowie auf die monatlichen Arbeitsmarktdaten für Schleswig-Holstein der Bundesagentur für Arbeit (www.statistik.bundesagentur.de) verwiesen. Die Zahl neu ankommender Flüchtlinge geht laut dem EASY-Erfassungssystem aktuell (Stand Juli 2016) zwar stark zurück, es bleibt aber offen, wie sich neue Fluchtrouten und die Zahlen ankommender Schutzsuchender entwickeln. Es wird davon ausgegangen, dass in Abhängigkeit von der Dauer der Asylverfahren für eine hohe Zahl von Flüchtlingen Betreuung, Deutschkurse, eine geeignete Kompetenzfeststellung und darauf aufsetzende Unterstützungsleistungen Grundvoraussetzungen sind, um die Integration in Arbeit und Ausbildung zu befördern. Dafür steht im Land eine Reihe von Förderangeboten zur Verfügung. Auch ist die Aufnahmebereitschaft der Wirtschaft in Schleswig- Holstein groß. Die Flüchtlinge unterscheiden sich u.a. bezogen auf Bildungsabschluss, Alter und Bleibeperspektive erheblich, so dass es nicht den einen Weg zur Integration in den Arbeitsmarkt gibt, sondern unterschiedliche Förderansätze verfolgt werden. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat festgestellt, dass in der Vergangenheit im Zuzugsjahr nur knapp ein Zehntel der Flüchtlinge im erwerbsfähigen Alter erwerbstätig war. Nach fünf Jahren stieg der Anteil auf rund 50 Prozent, nach zehn Jahren auf 60 Prozent und nach 15 Jahren auf 70 Prozent (Quelle: Typisierung von Flüchtlingsgruppen nach Alter und Drucksache 18/4494 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Bildungsstand, Aktuelle Berichte IAB 6/2016). Daten und die Dynamik des Handlungsfeldes machen deutlich, dass die Arbeitsmarktintegration Zeit ebenso wie Flexibilität braucht. Im Rahmen der laufenden , Bund-/Länder- und Akteure-übergreifenden Prozesse werden Verfahren und Instrumente, so möglich, flexibel nachgesteuert und zielgruppengerecht modifiziert. 5. Unternimmt die Landesregierung Anstrengungen hinsichtlich einer Zertifizierung von Qualifikationen von Flüchtlingen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Die aktuellen einschlägigen Förderangebote insbesondere des Bundes zur Integration in Arbeit und Ausbildung (vgl. auch Antwort zur KA 18/438 A Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen im Handwerk) sehen in der Regel u.a. individuelle Standortbestimmungen und Eignungsfeststellungen vor. Darauf aufbauend sind weiterführende Maßnahmen wie beispielsweise zur Berufsvorbereitung oder für den Übergang in Ausbildung oder Arbeit möglich. Das Land bietet flankierende, gebündelte Maßnahmen. So wird im Rahmen des Landesprogramms BÜFAA u.a. neben der Erhebung von Kompetenzen auch die im Ausland erworbenen Abschlüsse erfragt und ggf. deren Anerkennung eingeleitet. Auch ist dort vorgesehen, dass die Teilnehmenden eine Bescheinigung orientiert am europäischen Referenzrahmen über die erworbenen Deutschkenntnisse erhalten, um diese für ggf. erforderliche Anschlussmaßnahmen verwertbar zu machen. Im Rahmen des DaZ (Deutsch als Zweitsprache)-Unterrichts in den berufsbildenden Schulen und Regionalen Berufsbildungszentren können Schülerinnen und Schüler seit dem Schuljahr 2015/16 das Deutsche Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz der Stufe 1 erwerben. Das entspricht dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) der Niveaus A2 oder B1. Dies ist ein weltweit anerkanntes und standardisiertes Sprachdiplom, das zu einer Effektivierung der Erstintegration von Jugendlichen beiträgt. Landesweit gibt es eine Prüfungs- und Bewerterstruktur, die kontinuierlich durch Qualifizierung von Lehrkräften erweitert wird. Die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen erfolgt für die landesrechtlich geregelten Berufe auf der Grundlage des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes Schleswig-Holstein bzw. darüber hinaus der jeweiligen berufsrechtlichen Regelungen. Der Bund hat das Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung“ um den Schwerpunkt Qualifizierungsmaßnahmen im Kontext des Anerkennungsgesetzes ergänzt und die eingesetzten Bundesmittel aufgestockt , um den Unterstützungsbedarf von Flüchtlingen abzudecken.