SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/4501 18. Wahlperiode 08.08.16 Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfgang Kubicki (FDP) und Antwort der Landesregierung – Ministerin für Justiz, Kultur und Europa Bezahlung von Strafgefangenen in Schleswig-Holstein 1. Wie wird die Arbeit von Strafgefangenen in den Justizvollzugsanstalten des Landes vergütet? Antwort: Die Arbeit der Strafgefangenen wird durch ein Arbeitsentgelt und eine Freistellung von der Arbeit, die als Urlaub aus der Haft (Arbeitsurlaub) genutzt oder auf den Entlassungszeitpunkt angerechnet werden kann. Bei der Bemessung des Arbeitsentgelts ist ein im Strafvollzugsgesetz bestimmter Prozentsatz des durchschnittlichen Arbeitsentgeltes aller in der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (ohne Auszubildende) Versicherten (Bezugsgröße nach § 18 SGB IV) zu Grunde zu legen. Nach § 43 StVollzG in Verbindung mit § 200 StVollzG beträgt das Arbeitsentgelt 9% der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV. Der Tagessatz (1/250) beträgt in 2016 demzufolge 12,55 Euro (Eckvergütung = 100%). Stufungen des Entgelts erfolgen auf der Basis der Strafvollzugsvergütungsordnung (StVollzVergO). Nach § 43 Abs. 6 erwerben Strafgefangene einen Anspruch auf einen Freistellungstag , wenn sie zwei Monate zusammenhängend gearbeitet haben. 2. Wie hoch sind die Umsätze und Gewinne aus Gefangenenarbeit in Schleswig- Holstein in den letzten fünf Jahren? Bitte nach Justizvollzugsanstalten aufschlüsseln . Drucksache 18/4501 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Antwort: Gewinne aus Gefangenenarbeit werden nicht erzielt. Die Einnahmen decken bei weitem nicht die Ausgaben (Personal, Werkstattgebäude und -ausstattung, Reparaturen und Instandhaltung, Verbrauchskosten usw.). Die nachfolgend aufgeführten Einnahmen wurden in den Jahren 2011 bis 2015 erzielt: * 2011- 2013 Einnahmen des örtlichen Teilbetriebs Kiel, Lübeck bzw. Neumünster des Landesbetriebs Vollzugliches Arbeitswesen. Der Landesbetrieb Vollzugliches Arbeitswesen wurde zum Ende 2013 aufgelöst. 3. Wie viele Aufträge des Landes wurden im Jahr 2015 und bislang im Jahr 2016 von JVA-eigenen Betrieben in welcher Höhe ausgeführt? Antwort: Einnahmen aus Aufträgen des Landes bzw. sonstiger Behörden des Landes Schleswig-Holstein des Jahres 2015 sowie des Jahres 2016 (Buchungsstand 26.07.2016) können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Eine zahlenmäßige Erfassung der dahinterstehenden Aufträge erfolgt nicht und ist aufgrund von zum Teil zusammengefasster Rechnungsvorgänge für mehrere Aufträge mit vertretbarem Aufwand auch nicht zu ermitteln. Erbrachte Leistungen der vollzuglichen Betriebe für Vollzugseinrichtungen des Landes lösen keine Einnahmen aufgrund von Rechnungsvorgängen aus. Die erbrachten Leistungen werden über ein KLR-System (Kosten-Leistungs- Rechnung) als interne Verrechnungen abgebildet. Die Daten für 2015 können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Für 2016 sind die Daten noch nicht verfügbar. 2011 2012 2013 2014 2015 Gesamt JVA Flensburg 174.673,78 € 187.810,56 € 181.897,40 € 130.060,52 € 189.875,13 € 864.317,39 € JVA Itzehoe 0,00 € 0,00 € 0,00 € 0,00 € 0,00 € 0,00 € JVA Kiel * 866.024,72 € 811.354,85 € 763.879,40 € 624.797,03 € 581.788,69 € 3.647.844,69 € JVA Lübeck * 305.752,79 € 349.513,76 € 347.463,78 € 339.525,69 € 309.240,71 € 1.651.496,73 € JVA Neumünster* 362.189,16 € 387.894,63 € 421.465,38 € 335.767,49 € 335.194,19 € 1.842.510,85 € JA Schleswig 892,50 € 15.108,22 € 14.146,32 € 3.451,82 € 15.513,99 € 49.112,85 € Gesamt 1.709.532,95 € 1.751.682,02 € 1.728.852,28 € 1.433.602,55 € 1.431.612,71 € 8.055.282,51 € 2015 2016 JVA Flensburg 0,00 € 0,00 € JVA Itzehoe 0,00 € 0,00 € JVA Kiel 467.872,72 € 170.760,92 € JVA Lübeck 17.194,65 € 1.413,00 € JVA Neumünster 56.689,94 € 16.378,70 € JA Schleswig 350,00 € 0,00 € Gesamt 542.107,31 € 188.552,62 € Schleswig-Holsteinischer Landtag - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4501 3 Eine zahlenmäßige Erfassung der dahinterstehenden Aufträge erfolgt nicht und ist aufgrund von zum Teil zusammengefasster Rechnungsvorgänge für mehrere Aufträge mit vertretbarem Aufwand auch nicht zu ermitteln. 4. Wurde den Strafgefangenen hier der Landesmindestlohn gezahlt? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Der Zweck des Landesmindestlohngesetz (MindLohnG SH) ist die Bestimmung eines Mindestlohns für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Schleswig -Holstein (§ 1 MindLohnG SH). Gefangene sind keine Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer. Das MindLohnG SH ist folglich nicht auf Gefangene anzuwenden . Dies bestätigen auch verschiedene Gerichtsurteile zum Thema Mindestlohn, so z.B. das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg in seinem Beschluss vom 15.07.2015 (3 WS 59/15 Vollz § 22 MiLoG, § 40 StVollzG HA, StVollzVergO HA). Die Arbeitspflicht des § 41 StVollzG begründet kein Arbeitsverhältnis, da es kein freies Arbeitsverhältnis ist. Gefangene sind verpflichtet, die ihnen zugewiesene Arbeit auszuüben. Das Arbeitsverhältnis ist öffentlich-rechtlicher Natur . Zwischen den Gefangenen und der Anstalt wird kein Arbeitsvertrag geschlossen (siehe auch Arloth, Strafvollzugsgesetze, 3. Auflage 2011, § 37 StVollzG Rn. 6). Die Arbeitnehmereigenschaft erlangen Strafgefangene auch nicht dadurch, dass die Anstalt Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für sie leistet. Die Beitragsplicht besteht nämlich nicht nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III, sondern wird durch § 26 Abs. 1 Ziff. 4 SGB III (Sonstige Versicherungspflichtige) ausdrücklich bestimmt. 5. Welche finanzielle Mehr- oder Minderbelastung würde sich für den Haushalt ergeben, wenn für die Arbeit Strafgefangener ein Mindestlohn von 8,50 Euro bzw. der Landesmindestlohn gezahlt werden würde? Antwort: Die Mehrbelastung für den Justizvollzug kann überschlägig mit einem Betrag von mehr als 8,5 Millionen Euro jährlich angenommen werden. 2015 JVA Flensburg 144,00 € JVA Itzehoe 0,00 € JVA Kiel 117.789,04 € JVA Lübeck 376.914,03 € JVA Neumünster 450.901,10 € JA Schleswig 7.380,00 € Gesamt 953.128,17 € Drucksache 18/4501 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 6. Zahlen Strafgefangene, die im Vollzug arbeiten, in die gesetzliche Arbeitslosenversicherung ein? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Bei Strafgefangenen, die im Vollzug ein Entgelt nach § 43 StVollzG erhalten, wird auf der gesetzlichen Grundlage des § 195 StVollzG ein Anteil vom Arbeitsentgelt bzw. der Ausbildungsbeihilfe einbehalten, der dem Anteil der bzw. des Gefangenen entsprechen würde, wenn diese die Bezüge als Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer erhielten. Dies sind für das Jahr 2016 auf der Basis der Eckvergütung berechnet 0,13 Euro täglich. Das Land hat für versicherungspflichtige Gefangene (§ 26 Abs. 1 Nr. 4 des SGB III) Arbeitslosenversicherungsbeiträge abzuführen. Grundlage der Beitragsberechnung ist die Verordnung über die Pauschalberechnung der Beiträge für Gefangene (Gefangenen-Beitragsverordnung, GefBeitrV 1998), die auf der Grundlage des § 352 Abs. 3 SGB III vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung erlassen wurde. Die Beitragsberechnung erfolgt auf der Basis einer pauschalen Berechnung (§ 1 GefBeitrV). Der Beitrag beträgt 2016 je Beschäftigungstag und Gefangenem 3,76 Euro. 7. Wie steht die Landesregierung zu dem Anliegen, Strafgefangene in die Sozialund Rentenversicherung miteinzubeziehen? Hat die Landesregierung Pläne, die Gefangenen verbindlich in die Sozial- und Rentenversicherung einzubeziehen ? Bitte begründen. Antwort: Zu der komplexen Fragestellung über die Auswirkungen einer Einbeziehung von Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten in die gesetzliche Rentenversicherung hat der Strafvollzugsausschuss der Länder einen umfassenden Bericht erarbeitet. Die 87. Konferenz der Justizministerinnen und -minister hat diesen Bericht des Strafvollzugsausschusses der Länder im Juni 2016 zur Kenntnis genommen und die Finanzministerkonferenz sowie die Arbeits- und Sozialministerkonferenz gebeten, die im Bericht dargestellten Modelle hinsichtlich ihrer finanziellen Auswirkungen in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe der beteiligten Fachkonferenzen näher zu prüfen und zu bewerten. Zu den Möglichkeiten und Auswirkungen einer Einbeziehung von Strafgefangenen in die gesetzliche Krankenversicherung hat der Strafvollzugsausschuss der Länder aufgrund der hohen Komplexität der Themenstellung ebenfalls beschlossen , zunächst in einer Arbeitsgruppe einen Bericht zu erstellen. Der Bericht der Arbeitsgruppe soll Grundlage für die weiteren Beratungen sein. Wann dieser Bericht vorliegen wird, ist zurzeit nicht absehbar.