SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/4520 18. Wahlperiode 2016-08-11 Kleine Anfrage des Abgeordneten Christopher Vogt (FDP) und Antwort der Landesregierung – Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten Maßnahmen zur Prävention und Deradikalisierung 1. Welche Ziele verfolgt das Präventionsprogramm "PROvention" und wie ist das Konzept aufgebaut? Antwort: Ziel des Landesprogrammes gegen religiös motivierten Extremismus ist es, durch Aufklärung und Sensibilisierung Radikalisierungsprozessen entgegen zu wirken und zum anderen bereits stattgefundene Radikalisierungen zu unterbrechen und ggf. sogar rückgängig zu machen. Dazu zählen konkret die Durchführung von öffentlichen Vortragsveranstaltungen , die Ausbildung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die Fortbildung von Lehrkräften, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, Flüchtlingsbetreuerinnen und Flüchtlingsbetreuern sowie die Durchführung von Workshops an Schulen. Präventions- und Deradikalisierungsangebote bezogen auf die Rekrutierung durch Salafisten oder religiös motivierte Extremisten stellen ein weiteres Arbeitsfeld dar. Die Beratung von Betroffenen, Angehörigen, Freunden oder Bekannten rundet das Angebot ab. Die Türkische Gemeinde in Schleswig-Holstein (TGSH) setzt das Landesprogramm unter dem Arbeitstitel „PROvention“ um. Drucksache 18/4520 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 2. Wie viele Personen wurden durch das Programm bisher beraten? Antwort: Das Landesprogramm verzeichnet aktuell (Stand: 01.08.2016) 30 eingegangene Beratungsfälle. Diese konkreten Beratungsfälle unterscheiden sich nach Grad der Intensität - und damit auch die erreichten Adressaten. Öffentliche Vortragsveranstaltungen, Workshops an Schulen usw. stellen Beratung im weitesten Sinne dar, wodurch das Programm einen nicht näher zu beziffernden Personenkreis erreicht. 3. Wie wird das Präventionsprogramm finanziert? Antwort: Das Landesprogramm wird aus Landesmitteln (bis Ende 2016 insgesamt 180.000 Euro für 4,5 Personalstellen und 30.000 Euro für Projektförderungen) finanziert. Hinzu kommen projektbezogene Bundesmittel von jährlich 48.000 Euro aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“. Der Ausbau des Präventionsprogramms in Schleswig-Holstein ist vorgesehen. 4. Gibt es noch andere Präventionsprogramme in Schleswig-Holstein? Wenn ja, für welche Zielgruppe mit welcher Zielsetzung und wie werden die Programme finanziert? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Das Präventionsprogramm PROvention ist derzeit das einzige geförderte Programm in Schleswig-Holstein. Im Rahmen der Projektförderung stehen die unter Ziffer 3 beschriebenen Finanzmittel auch anderen Organisationen zur Verfügung. Darüber hinaus beteiligt sich das Land Schleswig-Holstein seit 2009 an dem Bundesprogramm „Toleranz fördern - Kompetenz stärken“ sowie an dessen Nachfolgeprogramm „Demokratie leben – Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“. Dafür erhält Schleswig-Holstein derzeit vom Bund jährlich 440.000 Euro. Um insbesondere im präventiven Bereich zur Demokratiebildung, Vermittlung von demokratischen Werten und der Stärkung der Zivilgesellschaft flächendeckend agieren zu können, hat die Landesregierung im Oktober 2013 das Landesprogramm zur Demokratieförderung und Rechtsextremismusbekämpfung implementiert. Im Fokus des Landesprogramms steht die Demokratie- und Toleranzerziehung, soziale Integration, interkulturelles und interreligiöses Lernen, antirassistische Bildungsarbeit sowie die Bekämpfung von rechtextremen Bestrebungen. Um dieses Anliegen im ganzen Land umsetzen zu können, wurden stabile und flächendeckende Beratungsstrukturen in Form von Regionalen Beratungsteams an vier Standorten, orientiert an den vier Landgerichtsbezirken, geschaffen . Diese beraten nicht nur einzelfallbezogen und mit Interventionscharakter , sondern vor allem unmittelbar Kinder, Jugendliche und Heran- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/4520 3 wachsende sowie Tätige in der Sozialarbeit, Erzieherinnen und Erzieher und andere Personen, die professionell oder ehrenamtlich im weitesten Sinne pädagogisch tätig sind. Im Wesentlichen verfolgt die Landesregierung mit der Implementierung des Landesprogramms das Ziel, Ratsuchende in die Lage zu versetzen, rechtsextreme oder rechtsaffine Bestrebungen und Bedrohungen zu erkennen und Probleme im Sinne des zivilgesellschaftlichen Engagements zu lösen und gleichzeitig für die demokratischen Werte unserer Gesellschaft einzutreten. Mit der Umsetzung des Landesprogramms wird die systematische präventive Bekämpfung rechtsextremer Ideologien und Gewalt deutlich gestärkt und ihre Bedeutung als eine zentrale gesamtgesellschaftliche Aufgabe unterstrichen. Das Landesprogramm ist zudem in seiner Umsetzung eng mit dem Bundesprogramm verwoben, so dass eine optimale Ausrichtung und Verzahnung erreicht wird. Umgesetzt wird das Landesprogramm, für das insgesamt 400.000 Euro jährlich aus dem Landeshaushalt zur Verfügung stehen, von den freien Trägern AWO und Aktion Kinder- und Jugendschutz. Das Landesprogramm mit den regionalen Beratungsteams wird durch die durch das Bundesprogramm geförderte Ausstiegs- und Distanzierungsberatung (ARUG - Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt, KAST - Kieler Anti-Gewalt- und Sozialtraining) sowie durch die Betroffenenberatung (ZEBRA e. V. - Zentrum für Betroffene rechter Angriffe) ergänzt. 5. Gibt es Präventions- oder Deradikalisierungsprogramme in Schleswig-Holstein für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge? Wenn ja, welcher Beratungsansatz wird hier in der Präventionsarbeit verfolgt und wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge haben bisher an den Programmen teilgenommen? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Im Rahmen von Anfragen aus Flüchtlingsunterkünften wird auch Präventionsarbeit in Bezug auf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nachgefragt. Hier wird eine soziale Einbindung verfolgt und/oder Biographiearbeit betrieben. Darüber hinaus können sich Flüchtlingsbetreuerinnen und Flüchtlingsbetreuer in diesem Bereich schulen lassen, was auch schon stattgefunden hat. Über die Anzahl der an dem Programm bisher teilgenommenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge wird keine Statistik geführt. 6. Gibt es Präventions- oder Deradikalisierungsprogramme in Schleswig-Holstein für Mädchen und junge Frauen? Wenn ja, welcher Beratungsansatz wird hier in der Präventionsarbeit verfolgt und wie viele für Mädchen und junge Frauen haben bisher an den Programmen teilgenommen? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Dieser Arbeitsbereich wird durch das Programm „PROvention“ abgedeckt. Dabei wird stets auf eine gendersensible Herangehensweise geachtet und eine weibliche Beraterin eingesetzt. Im Beratungsteam gibt es eine Expertin für Drucksache 18/4520 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Frauen- und Genderaspekte. Über die Anzahl der an dem Programm bisher teilgenommenen Mädchen und jungen Frauen wird keine Statistik geführt. 7. Gibt es Präventions- oder Deradikalisierungsprogramme in Schleswig-Holstein bezogen auf die Rekrutierung durch Salafisten oder religiös motivierte Extremisten ? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Siehe Antwort zu Frage 1.