SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/4547 18. Wahlperiode 2016-08-24 Kleine Anfrage der Abgeordneten Angelika Beer (Piratenfraktion) und Antwort der Landesregierung - Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schäden durch Gänsefraß in Schleswig-Holstein 1. Wie hat sich der Bestand von Wildgänsen in den letzten fünf Jahren entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Gänsearten und Jahren)? Grundsätzliche Angaben zum Bestand der Wildgänse in Schleswig-Holstein und deren Entwicklung finden sich in der Broschüre „Gänse und Schwäne in Schleswig -Holstein“ des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, siehe: http://www.umweltdaten.landsh.de/nuis/upool/gesamt/voegel/gaense_schwaene.pdf In der nachfolgenden Tabelle sind die Auswertungen von 2005 und 2015 für den Brut- und Rastbestand in Schleswig-Holstein dargestellt. Eine Aufschlüsselung nach Gänsearten und Jahren würde den Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage übersteigen. Tab. 1: Rastzahlen und Brutbestände verschiedener Gänsearten in Schleswig-Holstein in den Jahren 2005 und 2015 anhand von Daten des LLUR Bestände SH Art Rast 2005* Rast 2015 BP²/Mauser 2010 Nonnengans 100.000 190.000 250 Ringelgans Dunkelbäuchige R. 60.000 77.000 - Hellbäuchige R. k.A. Einzelne - Graugans 27.000 50.000 6.300/~ 32.0001 Blässgans 15.000 42.000 - Saatgans Taiga-Saatgans 100 30 - Tundra-Saatgans 4.000 10.000 - Kanadagans 1.600 5.000 700 Nilgans < 500 1.000 250 Kurzschnabelgans Wenige Hundert 100 - Rothalsgans Einzelne Einzelne - Zwerggans Einzelne Einzelne - *: lt. Vortrag Dr. W. Knief (LLUR) am 26.2.2008 (Gesprächskreis „Wildgänse in der Landwirtschaft) BP: Brutpaare k.A.: keine Angabe 1 : Heinicke & Koop (2010): Moulting concentrations of non-breeding Greylag Geese Anser anser in Germany – an updated overview. Goose Bulletin 10, 47-50. http://www.geese.org/gsg/goose_bulletin/Goose%20Bulletin%20issue10.pdf ²: LLUR 2012 2. Wie viele Meldungen durch von Gänse verursachte Schäden gab es in den vergangenen fünf Jahren (bitte aufgeschlüsselt nach Gänsearten und Jahren) Eine systematische, flächendeckende Erfassung und Meldung von Gänsefraßschäden für das Land Schleswig-Holstein erfolgt nicht. Seit vielen Jahren wird jedoch jährlich die Entwicklung der Nutzung der landeseigenen Flächen (Deiche und Vorländer) an der Westküste Schleswig-Holsteins durch Gänse dokumentiert. Diese Nutzung führt zu wirtschaftlichen Problemen bei den Deichschäfern. Nach einer gemeinsam mit den Landwirten durchgeführten Vorortkontrolle gewährt das Land Pachtnachlässe bei Gänsefraß nach einem mehrstufigen System. Da die Nutzung durch Gänse stark von der Witterung im jeweiligen Winterhalbjahr abhängig ist, schwankte die Höhe der Pachtnachlässe zwischen 2006 und 2015 überwiegend witterungsbedingt, ließ aber keine signifikante Zunahme der Beeinträchtigungen durch Gänsefraß erkennen. 3. Lassen sich die landwirtschaftlichen Schäden finanziell bewerten (beziffern)? Grundsätzlich ist anzumerken, dass nicht jeder Fraß durch Gänse auf landwirtschaftlichen Flächen zu finanziellen Verlusten führt. Neben dem Zeitpunkt des Fraßes, der Entwicklung der Pflanzen zum Zeitpunkt der Schädigung und der betroffenen Sorte bei Ackerkulturen ist der Witterungsverlauf ein bedeutender Faktor . Die Entwicklung der Blattmasse, Pilzbefall und Staunässebildungen variieren zwischen den Jahren sehr stark und können den finanziellen Schaden als Folge von Gänsefraß kompensieren oder verstärken. Es ist daher äußerst schwierig, insbesondere bei den unterschiedlichen Ackerkulturen, die Höhe des verursachten finanziellen Verlustes nach Feststellung des Fraßbildes in der Praxis festzustellen . Landesweite Daten über die genaue Höhe der Schäden durch Gänsefraß auf landwirtschaftlichen Flächen liegen der Landesregierung deshalb nicht vor. 4. Können Landwirte für Ertragsausfälle durch Gänsefraß Entschädigung erhalten ? Wenn ja, wie und welche Beschränkungen existieren? 5. Welche Programme der EU können ggf. in Anspruch genommen werden, um von Gänsefraß betroffene Landwirte zu entschädigen? Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund des engen Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Direkte Entschädigungszahlungen, die sich an der Schadenshöhe orientieren, werden nicht gezahlt. In Schleswig-Holstein werden jedoch verschiedene EU-kofinanzierte Vertragsnaturschutzvarianten angeboten, in denen Zahlungen an die Duldung von Gänsen gekoppelt sind. Die genauen Bewirtschaftungsbedingungen werden auf der Seite http://www.schleswig-holstein.de/DE/Themen/V/vertragsnaturschutz.html beschrieben . Außerdem werden Pachtnachlässe auf landeseigenen Flächen an der Westküste gewährt. 6. Besteht eine Möglichkeit, Flächen die jährlich wiederkehrend von Gänsen aufgesucht werden in den Vertragsnaturschutz zu überführen bzw. – etwa durch die Stiftung Naturschutz – als Naturschutzfläche o. ä. zu pachten? In den jährlich wiederkehrend von Gänsen aufgesuchten Bereichen werden die oben beschriebenen Vertragsnaturschutzvarianten angeboten. Die Flächenkulis- se im Vertragsmuster „Rastplätze für wandernde Vogelarten“ wird anhand der aktuellen Rastverbreitung der Gänse regelmäßig aktualisiert. Für besonders von Gänsefraß betroffene Regionen wurden in den letzten Jahren regionale Lösungen erarbeitet: Für Dithmarschen wurde eine lokale Vertragsvariante entwickelt, bei der den Deichschäfern ein Flächenpool zur Verfügung steht, wenn Gänse die vom Land gepachteten Flächen abgeweidet haben. Zudem existiert ein „Fond“ für Zahlungen an diejenigen Schäfer, für die keine Flächen mehr zur Verfügung stehen. Die eingezahlte Summe setzt sich zu gleichen Teilen aus dem Pachtverzicht des Landes und einem Solidaritätsbeitrag der Deichschäfer zusammen. In Westerhever wurde ein zweiter Flächenpool eingerichtet, bei dem es sich ebenfalls um Grünlandflächen handelt, die sich im Eigentum des Landes Schleswig-Holstein und der Stiftung Naturschutz befinden. Diese Flächen werden gänsegerecht hergerichtet und als Futterflächen angeboten. Stark vom Gänsefraß betroffene Landwirte können die Poolflächen unentgeltlich zur Futtergewinnung bzw. als Weide nutzen.