SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/4569 18. Wahlperiode 2016-09-06 Kleine Anfrage der Abgeordneten Angelika Beer (Piratenfraktion) und Antwort der Landesregierung – Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten Vermehrte Abschiebungen von Flüchtlingen Vorbemerkung der Fragestellerin Im Juli 2017 forderte das Innenministerium von NRW die Ausländerbehörden auf, die Abschiebungszahlen – insbesondere von Menschen aus den Balkanstaaten - zu erhöhen. U.a. sollen „unplausible Duldungsfälle“ überprüft werden. Die schleswigholsteinische CDU forderte ebenfalls im Juli 2017 ein Rückführungsmanagement, Ausreisegewahrsam und Abschiebehaft. 1. Gibt es Zahlen des Ausländerzentralregisters (AZR) darüber, wie viele Menschen aus den Balkanstaaten eine Duldung wegen fehlender Reisedokumente und wie viele ausreisepflichtige Menschen sich in Schleswig- Holstein aufhalten? Antwort: In Schleswig-Holstein sind 210 Staatsangehörige von Westbalkanstaaten registriert, deren Aufenthalt aufgrund fehlender Reisedokumente gem. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG geduldet wird. Insgesamt sind in Schleswig-Holstein 4.978 Menschen im AZR als ausreisepflichtig registriert. (Stichtag jeweils 31.07.2016) 2. Gibt es eine entsprechende Aufforderung des Innenministeriums an die Ausländerbehörden, „unplausible Duldungsfälle“ zu überprüfen? Drucksache 18/4569 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Antwort: Eine derartige Aufforderung ist durch das Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten nicht ergangen. 3. Beabsichtigt die Landesregierung Menschen, auch bei fehlenden Reisedokumenten, abzuschieben? Wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage? Antwort: Nein. 4. Überprüft die Landesregierung, aufgrund der höher zu erwartenden Zahl von Abzuschiebenden, einen Abschiebegewahrsam und Möglichkeiten der Abschiebehaft in Schleswig-Holstein einzurichten? Wenn nein, wie ist der aktuelle Stand der Kooperation zwischen der schleswig-holsteinischen Landesregierung und der Freien und Hansestadt Hamburg im Hinblick auf gemeinsame Maßnahmen zu Abschiebungen? Antwort: Möglichkeiten für die Einrichtung eines Ausreisegewahrsams bzw. einer Abschiebungshaft in Schleswig-Holstein werden seitens der Landesregierung nicht geprüft. Die Landesregierung strebt eine Mitnutzung des im Aufbau befindlichen Ausreisegewahrsams der Freien und Hansestadt Hamburg an. Aktuell stimmt die Landesregierung die Modalitäten einer entsprechenden Kooperation mit der Freien und Hansestadt Hamburg ab. Nach derzeitigem Stand wird die Freie und Hansestadt Hamburg der Landesregierung fünf der geplanten zwanzig Gewahrsamsplätze des Ausreisegewahrsams am Flughafen Hamburg zur Verfügung stellen. 5. Wurden in den letzten Monaten Menschen aus den Balkanstaaten im Rahmen von Sammelabschiebungen aus Schleswig-Holstein abgeschoben? Wenn ja, ist dies in Kooperation mit anderen Bundesländern geschehen? Wenn nein, ist dies für die nächsten Wochen und Monate geplant? Antwort: Im Jahr 2016 wurden bisher mit Ausnahme der Monate März und August monatlich Menschen aus den Balkanstaaten per Sammelabschiebung / Chartermaßnahme in ihr Heimatland verbracht. Diese Sammelabschiebungen geschahen sowohl in Eigenorganisation des Landes als auch in Kooperation mit den Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Nordrhein- Westfalen. Drucksache 18/4569 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 6. Hat die Dauer des Aufenthaltes und gesellschaftliche Integration der betroffenen Menschen Auswirkungen in Form einer Duldung und Verzicht auf eine Rückführung? Antwort: Asylanträge von Staatsangehörigen aus den Balkanstaaten (sichere Herkunftsstaaten im formellen Sinne) werden gemäß § 29a Abs. 1 AsylG im Regelfall als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Wird in diesen Fällen nach negativem Abschluss eines Asylverfahrens eine Duldungserteilung erforderlich, haben Betroffene aufgrund gesetzlicher Ausschlüsse dann nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten der Integration. Ein freiwilliger Verzicht auf die Rückkehr der Betroffenen in ihre Herkunftsstaaten durch Erteilung von Duldungen nach Ermessen ist generell nicht möglich. Eine Duldung ist gem. § 60a Abs. 2 AufenthG nur dann zu erteilen, wenn die Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist. 7. Hat sich aus Sicht der Landesregierung die Lage von Minderheiten auf dem Balkan in den letzten drei Jahren drastisch verbessert? Antwort: Die Landesregierung erhebt für dienstliche Zwecke keine Daten über die Lage in anderen Staaten. Dies ist Sache des Bundes. So erstellt das Auswärtige Amt u. a. regelmäßig Lageberichte zu den asylrelevanten Herkunftsstaaten, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in die Entscheidungen über Asylanträge einbezogen werden können. 8. Hält die Landesregierung eine Rückführung von Angehörigen ethnischer Minderheiten aufgrund von Verfolgung und Diskriminierung vor Ort auf Grund der völkerrechtlichen Verpflichtung trotzdem für rechtlich vertretbar? ` Antwort: Die Landesregierung und die Ausländerbehörden sind gemäß § 42 Satz 1 des Asylgesetzes an die Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und ggf. des Verwaltungsgerichtes über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen rechtlich gebunden.