SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/4635 18. Wahlperiode 2016-09-26 Kleine Anfrage der Abgeordneten Angelika Beer (Piratenfraktion) und Antwort der Landesregierung – Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Sauerstoffarme Gebiete in der Ostsee Vorbemerkung Die Ostsee stand in der Vergangenheit teilweise vor dem ökologischen Kollaps. In ca. 10 bis 20 Prozent der tieferen Wasserschichten kam es zunehmend zur Ausbildung sogenannter „Todeszonen“, in denen wenig bis gar kein Sauerstoff mehr vorhanden ist. 1. Hatte die Landesregierung Kenntnis darüber, wie viele dieser sauerstoffarmen Gebiete derzeit in der Ostsee existieren? Das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein (LLUR) führt alljährlich Messkampagnen zur Ermittlung der Sauerstoffgehalte in den schleswig-holsteinischen Küstengewässern der Westlichen Ostsee durch. Die Berichte werden unter http://www.schleswigholstein .de/DE/Fachinhalte/M/meeresschutz/chemMonitoring.html veröffentlicht, zuletzt im Jahr 2015. Das „Sauerstoffmessprogram 2016" läuft seit dem 5.9.2016. Auch in diesem Jahr wird der Ergebnisbericht unter dem genannten Internetlink veröffentlicht . Kenntnisse über die Sauerstoffmangelgebiete in den tiefen Becken der zentralen Ostsee außerhalb der Zuständigkeit Schleswig-Holsteins liegen der Landesregierung aus der wissenschaftlichen Literatur vor. Wissensträger ist hier vor allem das Leibniz- Institut für Ostseeforschung Warnemünde. 2. Existieren Karten, auf denen die aktuelle Ausdehnung dieser Gebiete vermerkt sind? Sind diese öffentlich zugänglich und wenn ja, unter welcher Lizenz? Karten sind in den von der Landesregierung veröffentlichten Berichten über die Sauerstoffgehalte in den schleswig-holsteinischen Küstengewässern der Westlichen Ostsee veröffentlicht. 3. Was sind die Ursachen für die Entstehung dieser Gebiete und welche Maßnahmen können von Seiten der Landesregierung ergriffen werden um eine Ausdehnung von sauerstoffarmen Gebieten beziehungsweise die Entstehung neuer Gebiete zu verhindern? Das saisonale Auftreten von Sauerstoffmangel mit Konzentrationen unter 4 Milligramm pro Liter bzw. von Sauerstoffschwund mit Konzentrationen unter 2 Milligramm pro Liter ist im Brackwassermeer Ostsee nicht neu. Ursächlich dafür ist eine stabile Schichtung und daher verminderte Durchmischung in tieferen Wasserschichten, so dass sich dort sauerstofffreie Zonen schnell bilden können. Im westlichen Teil der Ostsee tritt alljährlich eine etwa vier Monate andauernde Schichtung des Wasserkörpers auf: wärmeres, salzarmes Oberflächenwasser liegt über kälterem, salzreichem Tiefenwasser. Dadurch bildet sich in 12 bis 17 Meter Wassertiefe eine so genannte thermohaline Sprungschicht aus, die den vertikalen Sauerstofftransport in das Tiefenwasser verhindert. Gerade dort aber laufen die sauerstoffzehrenden , mikrobiellen Abbauprozesse von abgestorbenen Planktonalgenblüten ab. Durch eine Überdüngung und demzufolge starke Algenblüten werden diese Prozesse begünstigt und Sauerstoffmangelsituationen entsprechend verstärkt, da die Algen absterben, zu Boden sinken und dort ihr Abbau zu einer Sauerstoffzehrung führt. Diese „Todeszonen“ treten daher vor allem im Spätsommer verstärkt auf. Nach der im Verlauf des Spätherbstes einsetzenden Abkühlung des Oberflächenwassers entspannt sich mittelfristig die Situation auch in den Sauerstoffmangelgebieten wieder, da dann eine vertikale Durchmischung mit Sauerstoffzufuhr in das Tiefenwasser und damit bis an den Meeresboden einsetzt. Da der saisonal auftretende Sauerstoffmangel im Tiefenwasser der Ostsee durch die Eutrophierung verstärkt wird, muss vorrangig die Ursache der Eutrophierung bekämpft und somit der Nährstoffgehalt der Küstengewässer gesenkt werden. Dies ist eine gesamtdeutsche bzw. bezogen auf die Ostsee auch internationale Verantwortung . Dafür ist insbesondere eine deutliche Reduzierung des Düngemitteleintrages durch die Landwirtschaft notwendig. Des Weiteren ist eine konsequente Umsetzung der Maßnahmen des Maßnahmenprogrammes nach EG-Meeresstrategie- Rahmenrichtlinie, insbesondere der Maßnahmen zum Deskriptor 5 „Eutrophierung“, sowie der Maßnahmenprogramme der Bewirtschaftungspläne nach EG- Wasserrahmenrichtlinie erforderlich. Ganz vermeiden wird man Sauerstoffmangelsituationen aufgrund der natürlichen hydrographischen und morphologischen Gegebenheiten in der Ostsee aber nicht können. 4. Welche Auswirkungen haben diese Gebiete auf die maritime Flora und Fauna? Sinkt der Sauerstoffgehalt im Tiefenwasser unter 2 Milligramm pro Liter ab, wird es für Fische und die am oder im Meeresboden lebenden Tiere zunehmend lebensbedrohlich . Dies gilt insbesondere, wenn diese Bedingungen über einen längeren Zeitraum bestehen bleiben und sich infolge mikrobieller Prozesse das Faulgas Schwefelwasserstoff bildet. Für sauerstoffatmende Tiere ist es ein äußerst starkes Zellgift, das zu einem größeren Tiersterben am Meeresboden führen kann. Bodenlebende Arten, wie Muscheln, Würmer oder Krebse, sterben in diesen Gebieten daher regelmäßig ab. Mobile Arten, wie Fische, meiden normalerweise diese sauerstoffarmen Gebiete. Wenn aber beispielsweise durch bestimmte Windverhältnisse das sauerstoffarme Tiefenwasser an die Oberfläche bzw. in Ufernähe gedrückt wird und Fische diesem nicht ausweichen können, treten lokale Fischsterben auf. 5. Welche Folgen haben diese Gebiete für die kommerzielle Fischerei? Die kommerzielle Fischerei kennt dieses praktisch alljährlich auftretende Phänomen und stellt sich bei ihren Fischereiaktivitäten entsprechend darauf ein. Das bedeutet zum Beispiel für die Stellnetzfischerei, dass sie diese Gebiete meidet und die Stellzeiten für die Netze in dieser Zeit auf wenige Stunden verkürzt.