SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/4794 18. Wahlperiode 02.11.16 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug (FDP) und Antwort der Landesregierung – Ministerium für Justiz, Kultur und Europa Rassismus und Terrorismus im Netz 1. Wie viele Ermittlungsverfahren wegen a. Volksverhetzung, b. Gewaltdarstellung, c. Verbreitung verfassungsfeindlicher Kennzeichen, d. Beleidigungsdelikten sowie e. Unterstützung einer terroristischen Vereinigung durch Posts über soziale Netzwerk-Accounts gab es in Schleswig-Holstein im Jahr 2015 und bislang im Jahr 2016 und wie hoch war jeweils die Aufklärungsquote ? Antwort: Dem Landeskriminalamt sind im abgefragten Zeitraum die nachfolgenden Fallzahlen bekannt geworden: Zeitraum vom 1. Januar 2015 – 31. Dezember 2015 Tatvorwurf Fallzahl davon aufgeklärte Fälle/ Aufklärungsquote Volksverhetzung, § 130 StGB 88 45 / 51% Gewaltdarstellung, § 131 StGB 3 3 / 100% Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, § 86a StGB 40 22 / 55% Beleidigung, § 185 StGB 19 9 / 47% Bildung terroristischer Vereinigung, § 129a StGB 0 0 Drucksache 18/4794 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Zeitraum vom 1. Januar 2016 – 31. Juli 2016 Tatvorwurf Fallzahl davon aufgeklärte Fälle/ Aufklärungsquote Volksverhetzung, § 130 StGB 60 37 / 67% Gewaltdarstellung, § 131 StGB 0 0 Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, § 86a StGB 22 13 / 59% Beleidigung, § 185 StGB 31 15 / 48% Bildung terroristischer Vereinigung, § 129a StGB 0 0 Der in Frage 1e bezeichnete Tatbestand „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ wird von § 129a Absatz 5 StGB erfasst, der sowohl die Unterstützung als auch die Werbung für eine terroristische Vereinigung unter Strafe stellt. 2. In wie vielen Fällen im Jahr 2015 und bislang im Jahr 2016 ist hierbei jeweils eine Verurteilung ergangen? Antwort: Verurteilungen wegen politisch motivierter Straftaten durch Posts über soziale Netzwerk-Accounts werden nicht gesondert erfasst. Entsprechende Angaben ließen sich nur durch eine händische Auswertung der Ermittlungsakten gewinnen . Dies ist in der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 3. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass eine täterschaftliche Beihilfestrafbarkeit der Unternehmensverantwortlichen von sozialen Netzwerken bei positiver Kenntnis der Haupttat vorliegt, wenn strafrechtswidrige Posts nach Meldung nicht gelöscht werden? Antwort: Die Bewertung eines Verhaltens als strafbar oder straflos obliegt nicht der Landesregierung, sondern den Staatsanwaltschaften und Gerichten des Landes . 4. Ist die Landesregierung der Ansicht, dass die bestehende Rechtslage ausreicht , um effektiv gegen „Hate Speech“ und sonstige strafbare Meinungsäußerungen im Netz vorzugehen? Wenn nein, wo sieht die Landesregierung rechtlichen Handlungsbedarf im Zusammenhang mit Rassismus und Terrorismus im Netz? Antwort: Die Justizministerinnen und Justizminister aus Bund und Ländern haben sich auf einem Justizgipfeltreffen am 17. März 2016, zu dem der Bundesjustizminister eingeladen hat, auf eine konsequentere und besser koordinierte Verfolgung extremistischer Straftaten geeinigt. Zum Inhalt der Abschlusserklärung des Justizgipfels, der auch Schleswig-Holstein zugestimmt hat, wird auf die Anlage verwiesen. Im Vordergrund der Erklärung stehen ein gründlicherer Informationsaustausch zwischen Ländern und Generalbundesanwalt, die Spezi- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4794 3 alisierung durch staatsanwaltschaftliche Sonderdezernate sowie die bessere statistische Erfassung von Hasskriminalität. Das Phänomen „Hate Speech“ war auch Gegenstand der diesjährigen Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister. Mit der Zielsetzung und unter der Überschrift „Minderheiten entschieden schützen – Hasskriminalität entschlossen entgegentreten“ haben die Justizministerinnen und Justizminister folgenden – von Schleswig-Holstein unterstützten – Beschluss gefasst: 1. Die Justizministerinnen und Justizminister haben vor dem Hintergrund der jüngst veröffentlichten Fallzahlen für die Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) 2015 das Phänomen fremdenfeindlich motivierter Straftaten („Hasskriminalität“) erörtert. Sie sind besorgt darüber, dass die Zahl fremdenfeindlich motivierter Straftaten in den vergangenen Jahren erheblich angestiegen ist – die Zahl der Angriffe auf Unterkünfte für Asylsuchende etwa hat sich mehr als verfünffacht – und die Taten zunehmend gefährlicher werden. Darüber hinaus registrieren sie mit Besorgnis die erheblich zunehmende Hetze in sozialen Medien oder per E-Mail gegen Minderheiten oder Einzelpersonen, die deren Belange vertreten („Hassrede“). 2. Die Justizministerinnen und Justizminister sind der Auffassung, dass Straftaten, die rassistisch oder durch die tatsächliche oder vermeintliche politische Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Geschlecht, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft, sexuelle Identität, Behinderung , das äußere Erscheinungsbild oder den gesellschaftlichen Status anderer Menschen motiviert sind, in besonderem Maße geeignet sind, Minderheiten zu isolieren, die Gesellschaft insgesamt zu verunsichern und dadurch den sozialen Frieden zu gefährden. 3. Die Justizministerinnen und Justizminister beabsichtigen die statistische Erfassung von Hasskriminalität zukünftig zu verbessern, um das Ausmaß und Entwicklung des Phänomens der Hassstraftaten auch anhand justizieller Daten besser einschätzen zu können. Sie halten es darüber hinaus für sachgerecht auf dieser Grundlage zu evaluieren, inwieweit die Erweiterung des § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB dazu führt, dass die Strafverfolgungspraxis entsprechende Motive angemessen berücksichtigen kann und bitten den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz zu gegebener Zeit eine entsprechende Evaluation zu veranlassen . 4. Sie sehen die Notwendigkeit, weitere justizielle Möglichkeiten zu prüfen, mit denen die Justiz angemessen auf das Phänomen der Hasskriminalität (einschließlich „Hassrede“) reagieren kann. Ferner haben die Justizministerinnen und Justizminister bei der Frühjahrskonferenz 2016 folgenden Beschluss zu dem Thema „Hasskriminalität – Maßnahmen zur Effektivierung der Strafverfolgung von „Hate Speech“ gefasst, der ebenfalls von Schleswig-Holstein unterstützt worden ist: 1. Die Justizministerinnen und Justizminister registrieren mit Besorgnis die Zunahme von Hasskriminalität. Dies betrifft insbesondere den Umstand, dass die Zahl der verhetzenden und beleidigenden Kommentare im In- Drucksache 18/4794 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 ternet, deutlich erkennbar in Bezug auf Flüchtlinge, drastisch angestiegen ist. Dieser Entwicklung muss mit einer konsequenten Strafverfolgung entgegengetreten werden. Es ist wichtig, die Nutzer, die sich wegen eines strafbaren Verhaltens verdächtig gemacht haben, möglichst zeitnah zu identifizieren, damit Ermittlungen gegen sie eingeleitet werden können. 2. Sie bitten den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz ggf. in Zusammenarbeit mit der Task Force "Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet" zu prüfen, inwieweit Betreiber von Social- Media-Plattformen, Anbieter von Instant-Messaging-Diensten und Microblogger verpflichtet werden können, den Strafverfolgungsbehörden auf Verlangen die für die Strafverfolgung notwendigen Auskünfte über die Identität des Nutzers unmittelbar zu erteilen und strafbare Inhalte, insbesondere Äußerungen rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonst menschenverachtenden Charakters, vor ihrer Entfernung zu sichern. 3. Sie bitten den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz darüber hinaus auszuloten, ob entsprechende Verpflichtungen in Anlehnung an das europarechtliche Marktortprinzip auch solchen Dienstanbietern auferlegt werden können, die im Inland nicht geschäftsansässig , wohl aber wirtschaftlich aktiv sind. 5. Welchen konkreten Inhalt hat die von der Landesregierung angekündigte Bundesratsinitiative (vgl. „Schleswig-Holstein will verfassungsfeindliche Hetze im Netz stoppen“, heise online vom 11. Januar 2016, abrufbar unter www.heise.de/ newsticker/meldung/Schleswig-Holstein-willverfassungsfeindliche -Hetze-im-Netz-stoppen-3068354.html), welche Maßnahmen sind zur Umsetzung bereits erfolgt bzw. noch erforderlich und wie ist der weitere Zeitplan der Umsetzung? Antwort: Schleswig-Holstein hat im Januar 2016 gemeinsam mit Hamburg und Niedersachsen den Gesetzesantrag „Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Strafbarkeit des Verbreitens und Verwendens von Propagandamitteln und Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen bei Handlungen im Ausland“ (BR-Drs. 27/16) in den Bundesrat eingebracht. Dieser verfolgt das Ziel, durch Änderungen der §§ 5, 86 und 86a StGB verfassungsfeindliche Propaganda auch dann bestrafen zu können, wenn sie vom Ausland aus betrieben wird. Wer sich vorübergehend im Ausland aufhält und von dort aus verfassungsfeindliche Inhalte ins Internet einstellt, bleibt bisher selbst dann straflos, wenn sich diese Inhalte an Adressaten in Deutschland richten. Der Bundesrat hat am 26. Februar 2016 die Einbringung beim Deutschen Bundestag beschlossen. Zu den Einzelheiten des Gesetzentwurfs wird auf BT-Drs. 18/8089 verwiesen. Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme vom 13. April 2016 ausgeführt, das Anliegen des Entwurfs zu unterstützen , bei Straftaten nach den §§ 86, 86a StGB die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auch bei bestimmten vom Ausland ausgehenden Handlungen sicherzustellen. Die Bundesregierung prüft derzeit, wie dieses Anliegen aus ihrer Sicht rechtstechnisch am besten umgesetzt werden kann, und hat angekündigt, hierzu im weiteren Gesetzgebungsverfahren einen Vorschlag zu unterbreiten.