SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/4797 18. Wahlperiode 2016-11-07 Kleine Anfrage des Abgeordneten Christopher Vogt (FDP) und Antwort der Landesregierung – Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten Förderketten zur Integration 1. Welche Förderketten differenziert nach Bleibeperspektiven und Altersstruktur gibt es in Schleswig-Holstein und wie sind diese jeweils konkret ausgestaltet? Antwort: Die Förderketten stellen idealtypische Förderverläufe dar und differenzieren dabei zwischen Personen mit guter Bleibeperspektive, Personen mit offener Bleibeperspektive, Personen aus sicheren Herkunftsländern sowie Minderjährigen . Eine Ausweitung auf unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer befindet sich im Aufbau. Sie zeigen in interaktiver Form die für die jeweiligen Personengruppen relevanten Schritte zur Integration insbesondere in den Bereichen (frühkindliche) Bildung, Sprache, Arbeit und Ausbildung, Hochschule auf und geben einen Überblick über die hinter den einzelnen Schritten liegenden Maßnahmen und deren zentrale Parameter wie Zugangsberechtigungen , Standorte, Kapazitäten, Trägerschaft etc.. Ziel ist es, die Darstellung fortlaufend an die dynamische Entwicklung im Flüchtlingsbereich anzupassen . Regionale Angebote durch Agenturen oder Jobcenter (einschl. der zugelassenen kommunalen Träger) außerhalb der von der Bundesagentur für Arbeit entwickelten Programme sind nicht erfasst. Die interaktiven Förderketten sind unter dem Link: http://www.schleswig-holstein.de/DE/Schwerpunkte/InformationenFluechtlinge/ Service/Foerderketten/foerderketten_node.html abrufbar. Drucksache 18/4797 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 2. Für wie viele Personen sind die Förderketten jeweils ausgelegt und wie viele Personen haben bisher an den Angeboten der Förderketten teilgenommen bzw. sich dafür angemeldet? Antwort: Die Förderverläufe setzen sich aus verschiedenen Angeboten zusammen. Umfang, Teilnahme bzw. Anmeldungen zu den einzelnen Angeboten unterscheiden sich. Die nachfolgende Tabelle gibt Aufschluss über die der Landesregierung vorliegenden Zahlen zu Kapazitäten und Teilnahmen: Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/4797 3 Angebote Kapazitäten Teilnehmende Zeitpunkt G ru n d la ge n STAFF.SH Richtgröße: 7000 Plätze, bedarfsabhängig steuerbar 6306 30.06.2016 KompAS 1.750 Plätze Keine Zahlen aus der BA verfügbar BÜFAA.SH 1.600 Plätze 900 01.10.2016 Integrationskurs inkl. Orientierungskurs 405 begonnene Kurse mit je bis zu 25 Plätzen 6.555 (inklusive Kurswiederholer ) 30.09.2016 (Stichtag ) B e ru fs o ri e n ti er u n g PerjuF 330 Plätze Keine Zahlen aus der BA verfügbar PerjuF-H 108 Plätze Keine Zahlen aus der BA verfügbar PerF 1.600 Plätze Keine Zahlen aus der BA verfügbar STAFFEL Angebot wird von keinem Jobcenter in SH wahrgenommen FIM 764 Plätze (in Landesunterkünften ), 2.291 Plätze (bei externen Trägern) Keine Zahlen aus der BA verfügbar Sp ra ch fö rd e - ru n g ESF-BAMF 1.260 Plätze (2016) 769 04.10.2016 DeuFöV 800 Plätze (seit Maßnahmenbeginn am 01.07.16) 42 01.10.2016 A u sb ild u n gs - vo rb ei te u n g Wege in Ausbildung für Flüchtlinge 2.500 Plätze (bundesweit) Keine Zahlen aus der BA verfügbar SPAF Programm ist ausgelaufen Sc h u le u n d B eru fs sc h u le BiK DaZ entsprechend der Schulpflicht 4.160 Schüler Aufnahmen im Schuljahr 2015/ 2016 AV-SH entsprechend der Schulpflicht 5.800 Schüler Aufnahmen im Schuljahr 2015/ 2016 H o ch sc h u lz u ga n g Zugangserleichterungen an Hochschulen 60 Informationen zur Entwicklung und Nachfrage des Maßnahmenpaketes werden im März 2017 von den Hochschulen bereitgestellt . Informationen und Betreuungs - und Unterstützungsmaßnahmen an Hochschulen Keine Angaben möglich Sprachförderung an Hochschulen 60 Drucksache 18/4797 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Ergänzend sei zur Sprachförderung für Erwachsene ausgeführt: Im landesgeförderten und die Programme des Bundes ergänzenden Förderprogramm STAFF.SH (Starterpaket für Flüchtlinge in SH) haben im Jahr 2015 184 Kurse an 74 Standorten stattgefunden, in denen insbesondere Personengruppen mit offener Bleibeperspektive Sprachkenntnisse und erste Orientierungshilfen vermittelt wurden. An diesen Kursen nahmen 3.271 Personen teil. Im ersten Halbjahr 2016 fanden bereits 160 STAFF.SH-Kurse mit 3.035 Teilnehmenden statt. Darüber hinausgehende Anmeldezahlen liegen nicht vor: 3. Welche externen Gutachter waren an der Entwicklung der Förderketten beteiligt und welche Kosten sind hierdurch entstanden? Antwort: An der Erstellung der Förderketten wardie Firma Syspons GmbH beteiligt. Für die Erstellung der Förderketten (fachliche Erarbeitung, Validierung, Abstimmung sowie technische und grafische Umsetzung) sind im Zeitraum April bis 31. Oktober 2016 Kosten in Höhe von 110.455,80 Euro entstanden. 4. Inwiefern ist der vom Bund in Aussicht gestellte bedarfsgerechte Ausbau der Integrationskurskapazitäten in Schleswig-Holstein noch nicht erfolgt und wie ist der entsprechende Bedarf in Schleswig-Holstein? Antwort: Ein flächendeckendes Angebot an Integrationskursen wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bis Ende des Jahres in Aussicht gestellt, ist aber noch nicht abschließend und ausreichend realisiert. Engpässe bestehen derzeit insbesondere im ländlichen Raum. Aktuell längere Wartezeiten sollen nach Auskunft des BAMF bis Ende des Jahres verkürzt werden auf maximal sechs Wochen entsprechend der Vorgaben des Integrationsgesetzes. Bis Ende 2016 soll laut BAMF der Bedarf für Schleswig-Holstein gedeckt werden und alle Teilnahmeberechtigten einen Platz erhalten. Verzögerungen entstehen insbesondere bei der Zulassung zu Integrationskursen durch das BAMF sowie bei den Zertifizierungen von Kursleitungen und Sprachkursträgern. Hinzu kommt, dass der Kreis der Teilnahmeberechtigten nicht mit dem Kreis der Flüchtlinge mit Sprachförderbedarf deckungsgleich ist: Eine große Personengruppe wird so vom Integrationskurs ausgeschlossen. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/4797 5 Die Zahlen im Einzelnen: i. Zugangsberechtigung: Zwischen dem 01.01.2015 und dem 27.10.2016 sind ca. 30.000 volljährige Flüchtlinge nach Schleswig-Holstein gekommen. Davon haben oder hatten ca. 19.000 volljährige Flüchtlinge eine Zugangsberechtigung zum Integrationskurs. ii. Kurseintritte: In 2015 haben in Schleswig-Holstein 317 Integrationskurse begonnen mit einer Teilnehmerzahl (ohne Wiederholer) von 4400 Personen. In 2016 haben mit Stichtag 30.09.2016 405 Integrationskurse begonnen mit einer Teilnehmerzahl von 6.555 Personen (inklusive Wiederholer). iii. Prognose für 2016: Das BAMF prognostiziert für Schleswig Holstein für das Jahr 2016 insgesamt 14.550 neue Kurseintritte. • Sollte das BAMF seine Prognose von 14.550 neuen Kurseintritten in 2016 erreichen, könnte das Angebot für den vom Bund ins Auge gefassten Personenkreis in etwa bedarfsdeckend sein. • Kein bedarfsgerechtes Angebot besteht dagegen für Flüchtlinge, die dauerhaft ohne Zugangsberechtigung bleiben. (vgl. Antwort zu Frage 5). Um auch für diese Gruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Integrationskursen oder anderen Integrationsangeboten zu etablieren, sind weitere Anstrengungen notwendig. Bund und Land haben verschiedene Maßnahmen eingeleitet, um eine bedarfsgerechte Versorgung mit Sprachförderangeboten zur Verfügung zu stellen (vgl. Antwort zu Frage 6). 5. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, ob Flüchtlinge bzw. Asylbewerber in Schleswig-Holstein keinen Platz in den vom Bund bzw. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geförderten oder angebotenen Kursen erhalten bzw. wie lang die Wartezeiten derzeit gegebenenfalls sind? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Bei den vom Bund bzw. dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) angebotenen Kursen handelt es sich im Wesentlichen um die Integrationskurse und die ESF-BAMF Kurse. Die Wartezeiten bis zum Beginn eines Integrationskurses sind regional unterschiedlich . Im Durchschnitt liegen diese mit Stichtag 01.06.2016 bei drei Vierteln der Kursträger bei fünf bis sechs Wochen, wohingegen bei einem Viertel der Kursträger die Wartzeiten bei bis zu drei Monaten liegen. Im ländlichen Raum sind die Wartezeiten durchschnittlich länger als in Großstädten. Drucksache 18/4797 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 6 Nicht alle Flüchtlinge und Asylbewerber in Schleswig Holstein haben aktuell eine Zugangsberechtigung zu diesen Kursen: • Integrationskurs: i. Vom Integrationskurs bleiben alle Flüchtlinge im laufenden Asylverfahren ausgeschlossen, die keine gute Bleibeperspektive haben (also alle, die nicht aus Syrien, Irak, Iran, Eritrea oder Somalia stammen). ii. Darüber hinaus bleiben nahezu alle geduldeten Flüchtlinge (Ausnahme: Duldung nach § 60 a Abs. 2 Satz 3 AufenthG) dauerhaft vom Integrationskurs ausgeschlossen. • ESF-BAMF Kurse: i. Die ESF-BAMF Kurse bieten berufsbezogene Sprachförderung. Sie setzen ein Eingangssprachniveau von A2 voraus (für einige Kurse mindestens A1). Alle Flüchtlinge, die nicht über dieses Sprachniveau verfügen , können nicht an den Kursen teilnehmen. Darüber hinaus bleiben Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern von den ESF-BAMF Kursen ausgeschlossen, ebenso wie Flüchtlinge, die noch der Schulpflicht unterliegen . ii. Insgesamt stehen für 2016 in Schleswig-Holstein ca. 1.260 Plätze in ESF-BAMF Kursen zur Verfügung, davon ca. 290 Plätze für Flüchtlinge mit sehr geringen Sprachkenntnissen (Eingangsniveau A1). iii. Bis Anfang Oktober 2016 (04.10.) haben 769 Flüchtlinge einen ESF- BAMF Kurs begonnen. iv. Über die Wartezeiten bis zum Beginn eines ESF-BAMF Kurses liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/4797 7 • Fazit: Keinen Platz in den vom Bund/BAMF angebotenen Kursen erhalten primär Flüchtlinge, die keine Zugangsberechtigung zum Integrationskurs haben. Besonders relevant ist dies bei Flüchtlingen, die zusätzlich ein geringes Ausgangssprachniveau haben. Hier setzt das Landesprogramm STAFF.SH an (vgl. Antwort zu Frage 6). 6. Laut dem vom Landtag mehrheitlich angenommenen Antrag der Koalitionsfraktionen , Drucksache 18/4411 (neu), wird die Landesregierung aufgefordert, "die integrationsfeindlichen und ausgrenzenden Elemente des Bundesintegrationsgesetzes abzumildern, indem sie Maßnahmen trifft, Integrationsangebote für alle zu schaffen bzw. zu erhalten". Welche konkreten Maßnahmen hat die Landesregierung hier bisher ergriffen und welche weiteren Maßnahmen plant die Landesregierung? Bitte nach Maßnahmen für Personen mit offener Bleibeperspektive und die Gruppe der Geduldeten aufschlüsseln. Antwort: Mit der am 27.09.2016 rückwirkend zum 01.07.2016 in Kraft getretenen Sprachförderrichtlinie des Landes verfolgt das Land primär das Ziel, Sprachkenntnisse sowie erste Orientierungshilfen insbesondere für Personengruppen zu vermitteln, die einer sprachlichen Förderung im Rahmen von Erstorientierung bedürfen, ihren Wohnsitz in Schleswig-Holstein haben und von Maßnahmen der Sprachförderung des Bundes ausgeschlossen sind. Zielgruppe der neuen Richtlinie sind insbesondere Personen mit offener Bleibeperspektive , die derzeit nicht von der Öffnung der Bundeskurse profitieren. Die Förderung wirkt als flankierendes und ergänzendes Angebot zu den Programmen des Bundes und kompensiert derzeit fehlende Bundesmaßnahmen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass das BAMF eine zügige Abarbeitung aller laufenden Verfahren und eine weitere generelle Verfahrensbeschleunigung angekündigt hat. Schnellere behördliche Entscheidungsprozesse führen insbesondere für die Gruppe der Personen mit offener Bleibeperspektive zu einem schnelleren Zugang zu den Regelangeboten des Bundes, die zum Teil auch Geduldeten mit Arbeitsmarktzugang offen stehen. Der Bedarf an weiteren Maßnahmen für Personen mit offener Bleibeperspektive , an dem sich die Planung des Landes orientiert, hängt daher auch von der Umsetzung der vom BAMF angekündigten beschleunigten Verfahrensbearbeitung ab. Zum Stand der Maßnahmen im Bereich der Arbeitsmarktintegration wird auf den Bericht der Landesregierung vom 08.09.2016 (Drucksache 18/4619) zum Antrag „Menschenwürdige Unterbringung sichern! Gemeinsames Konzept von Land und Kommunen zur Unterbringung von Flüchtlingen im Land Schleswig- Drucksache 18/4797 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 8 Holstein“ vom 25.09.2013 – Drucksache 18/1142(neu) sowie zum Antrag „Halbjährlicher schriftlicher Sachstandsbericht der Landesregierung über die Umsetzung des Flüchtlingspaktes“ – Drucksache 18/3003 verwiesen. Daraus geht unter anderem hervor, dass das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit , Verkehr und Technologie gemeinsam mit der Regionaldirektion Nord und mit Unterstützung der Wirtschaft das Programm „Begleiteter Übergang für Flüchtlinge in Arbeit und Ausbildung (BÜFAA.SH)“ aufgelegt hat, das am 01.06.2016 startete. Bis Ende August 2016 haben mehr als 1.100 Teilnehmer und Teilnehmerinnen einen Platz in der Maßnahme angetreten. Zielgruppe der Maßnahme sind Asylbewerberinnen und -bewerber mit guter Bleibeperspektive , Geduldete mit Arbeitsmarktzugang und Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge, wenn sie die Schulpflicht erfüllt haben. Flüchtlinge werden durch BÜFAA.SH auf die Aufnahme einer Ausbildung, Einstiegsqualifizierung oder Arbeit vorbereitet. Zu BÜFAA siehe auch die Antworten zu den jüngsten Kleinen Anfragen (Drucksachen 18/4628 und 18/4503 zur Umsetzung der Richtlinie BÜFAA.SH). Das Land will Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen weiterhin unterstützen. In dem laufenden Planungs- und Abstimmungsprozess werden u.a. die neu gestarteten bzw. geplanten Förderinstrumente auf Bundesebene berücksichtigt, um bedarfsgerechte Angebote entwickeln zu können .