SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/4951 18. Wahlperiode 2016-12-14 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug (FDP) und Antwort der Landesregierung - Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten Mitnutzung des Ausreisegewahrsams der Freien und Hansestadt Hamburg Vorbemerkung der Landesregierung Auf der Grundlage des am 01.08.2015 in Kraft getretenen § 62 b des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) können Ausländerinnen und Ausländer zur Sicherung der Durchführbarkeit der Abschiebung unter den dort genannten Voraussetzungen auf richterliche Anordnung für die Dauer von längstens vier Tagen in Gewahrsam genommen werden. Nach Kenntnis der Landesregierung hat der Ausreisegewahrsam bislang bundesweit nur wenig praktische Relevanz erlangt. Dem entsprechend wurden im Rahmen einer Umfrage des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten unter den Ländern im August 2016 keine Erfahrungen im Umgang mit dieser Regelung mitgeteilt. Derzeit verhandelt die Landesregierung mit der Freien und Hansestadt Hamburg über die Mitnutzung des Ausreisegewahrsams am Flughafen Fuhlsbüttel, welcher seit Ende Oktober 2016 in Betrieb ist. Mit dem Abschluss der Verhandlungen dürfte Anfang des Jahres 2017 zu rechnen sein. Unabhängig davon können die schleswigholsteinischen Ausländerbehörden bei Bedarf bereits jetzt im Rahmen der Amtshilfe in Absprache mit dem Einwohnerzentralamt Hamburg Gewahrsamsplätze im Ausreisegewahrsam am Flughafen Fuhlsbüttel in Anspruch nehmen. Vor diesem Hintergrund beantwortet die Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt: Drucksache 18/4951 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 1. Mit wie vielen vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern aus Schleswig- Holstein wurde das Ausreisegewahrsam der Freien und Hansestadt Hamburg bisher belegt? Antwort: Der Ausreisegewahrsam der Freien und Hansestadt Hamburg wurde bisher mit keinen vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländern aus Schleswig-Holstein belegt. 2. Inwiefern hat die Landesregierung Vorbereitungen getroffen, um die Einrichtung von Beginn an mit vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern aus Schleswig-Holstein zu belegen? Hat die Landesregierung beziehungsweise die zuständige Behörde bereits vor dem Termin der Inbetriebnahme richterliche Anordnungen einer Ingewahrsamnahme nach § 62b Aufenthaltsgesetz beantragt? Wenn ja, wie viele? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Seit dem Inkrafttreten des § 62 b AufenthG hat die Landesregierung die Ausländerbehörden im Rahmen von aufenthaltsrechtlichen Fortbildungen und Dienstbesprechungen wiederholt auf die rechtliche Möglichkeit des Ausreisegewahrsams hingewiesen und außerdem über die beabsichtigte Mitnutzung der Ausreisegewahrsamseinrichtung der Freien und Hansestadt Hamburg informiert . Zuletzt ist dies im Zuge einer Besprechung mit den Ausländerbehörden am 07.12.2016 erfolgt. Anträge auf Anordnung einer Ingewahrsamnahme nach § 62 b AufenthG durch schleswig-holsteinische Ausländerbehörden sind der Landesregierung bislang nicht bekannt geworden. 3. Wie viele vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer in Schleswig-Holstein kommen derzeit für eine Belegung des Ausreisegewahrsams in Betracht? Antwort: Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 62 b AufenthG für eine Ingewahrsamnahme muss jeweils im Einzelfall geprüft und festgestellt werden. Wie viele vollziehbar ausreisepflichtige Ausländerinnen und Ausländer in Schleswig- Holstein derzeit den Tatbestand des § 62 b AufenthG konkret erfüllen und somit für eine Belegung des Ausreisegewahrsams in Betracht kommen könnten , ist Ergebnis der o.g. Einzelfallprüfung durch die zuständigen Ausländerbehörden . 4. Welche Maßnahmen werden in Schleswig-Holstein zur Verhinderung der Entziehung von Ausreisepflichtigen in der Regel vorgenommen? Antwort: Die Ausländerbehörden sind gehalten, vollziehbar ausreisepflichtige Ausländerinnen und Ausländer frühzeitig über die Folgen der asyl- bzw. aufenthalts- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/4951 3 rechtlichen Entscheidung zu informieren sowie über Ausreisemodalitäten, Rückkehrhilfen und Konsequenzen einer nicht freiwilligen Ausreise zu beraten . Lassen Betroffene erkennen, nicht freiwillig ausreisen zu wollen, sind sie spätestens in diesem Stadium über ihre konkreten Mitwirkungspflichten aufzuklären ; der auf Grundlage des § 82 Abs. 4 AufenthG zu erlassene Bescheid soll dabei auch Ausführungen zu konkreten Konsequenzen einer Nichtmitwirkung enthalten. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung nicht mehr angekündigt werden (§ 59 Abs. 1 AufenthG); in diesen Fällen erfolgt eine unangekündigte Abschiebung aus der Wohnung. Liegen Anhaltspunkte auf mögliche Eigen- oder Fremdgefährdung vor, unterstützt die Landespolizei im Rahmen der Vollzugshilfe. Mit Inbetriebnahme der geplanten Landesunterkunft für Ausreisepflichtige besteht für die Ausländerbehörden die Möglichkeit, vollziehbar Ausreisepflichtige zur Wohnsitznahme in der Landesunterkunft zu verpflichten. Ziel ist auch hier, zunächst die freiwillige Rückkehr der Betroffenen zu fördern. Es handelt sich um eine offene Einrichtung und kein Gewahrsam. Liegen Haftgründe nach § 62 AufenthG vor, kann die oder der Betroffene auf richterliche Anordnung in Abschiebungshaft genommen werden. Aufgrund der mit dem Land Brandenburg bestehenden Verwaltungsvereinbarung kann diese in der Abschiebungshafteinrichtung Eisenhüttenstadt vollzogen werden. Mit Inbetriebnahme des Ausreisegewahrsams Hamburg ist auch eine Gewahrsamnahme nach § 62 b AufenthG denkbar. 5. Wie viele Personen haben sich bislang im Jahr 2016 der Abschiebung entzogen ? Antwort: Nach § 59 Abs. 1 AufenthG darf der Abschiebungstermin nach Ablauf der Ausreisefrist nicht mehr bekannt gegeben werden. Hieraus ergibt sich, dass bei Nichtantreffen der Betroffenen zum geplanten Termin nicht schon von einer Entziehungsabsicht ausgegangen werden kann. Somit ist eine klare Abgrenzung zwischen Personen, die (lediglich) nicht angetroffen wurden, von Personen, die sich der Abschiebung entzogen haben, nur durch Hinzutreten weiterer Hinweise im Einzelfall zu beurteilen. Das Landesamt für Ausländerangelegenheiten hat im Jahre 2016 bis zum 31.10. die zwangsweise Rückführung/Überstellung von 1.398 Personen geplant . Davon mussten Maßnahmen für insgesamt 443 Personen storniert werden . Bei 206 Personen erfolgte die Stornierung wegen Untertauchens. Drucksache 18/4951 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 6. Ist der Landesregierung der Aufenthaltsort dieser Personen derzeit bekannt? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Der Aufenthaltsort von Personen, die sich der Abschiebung entzogen haben, ist regelmäßig unbekannt. In der Regel entziehen diese sich auch allen anderen behördlichen Verfahren. Untergetauchte ausreisepflichtige Ausländerinnen und Ausländer können daher zur Aufenthaltsermittlung oder – bei vorliegenden Haftgründen – zur Festnahme in polizeilichen Fahndungsmitteln ausgeschrieben werden.