SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/ 4958 18. Wahlperiode 20.12.2016 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Patrick Breyer (Piraten) und Antwort der Landesregierung – Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung Freier Wille und Patientenverfügung in der Psychiatrie 1. Nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist eine geschlossene Unterbringung (§§ 7 ff. des Psychisch-Kranken-Gesetzes) gegen den freien Willen Betroffener jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn allein eine Selbstgefährdung vorliegt (Umdruck 18/4199 m.w.N.). Teilt die Landesregierung diese Auffassung? 2. Ist eine geschlossene Unterbringung wegen Selbstgefährdung nach Auffassung der Landesregierung auch dann ausgeschlossen, wenn die betroffene Person ihren entgegenstehenden freien Willen in einer Patientenverfügung niedergelegt hat? Antwort zu den Fragen 1 und 2: Gemäß § 35 Abs. 1 GO LT können Abgeordnete durch Kleine Anfragen von der Landesregierung Auskunft über „bestimmte Tatsachen“ verlangen. Diese müssen auf den Verantwortungsbereich der Landesregierung bezogen sein. Die Fragen zielen jedoch nicht auf „bestimmte Tatsachen“ ab, sondern auf eine Auslegung des § 7 Abs. 1 PsychKG zur Anordnung einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung alleine aus Gründen der Selbstverletzungsgefahr bei einem entgegenstehenden aktuell geäußerten oder in einer Patientenverfügung niedergelegten freien Willen. Die Landesregierung kann in den von ihr betriebenen Gesetzgebungsverfahren im Rahmen der Begründung Erläuterungen zu ihren Beweggründen für einen Regelungsvorschlag geben oder in Form der ihr gegebenen Handlungsformen verwaltungslenkend tätig werden. Darüber hinausgehend ist die abstrakte Auslegung von Rechtsbegriffen und Regelungen nicht ihre Aufgabe, sondern insbesondere die der Rechtsprechung (vgl. Hübner in Wuttke (Hrsg.): Geschäftsordnung des Schleswig- Holsteinischen Landtages, Kommentar für die Praxis, § 35 Nr. 3.1). Drucksache 18/ 4958 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 In der im Jahr 1999 geschaffenen Fassung des § 7 PsychKG sind die Fragen zur Bedeutung des (entgegenstehenden) freien Willens im Rahmen einer Unterbringungsentscheidung nicht ausdrücklich geregelt worden. Die seither ergangene und auch vom wissenschaftlichen Dienst des Landtages in dem zitierten Umdruck dargestellte verfassungsrechtliche Rechtsprechung konnte in diese Fassung noch nicht einfließen. Die Landesregierung wird sich an dieser Stelle einer Auslegung enthalten, verweist jedoch auf die Antwort zu Frage 4. 3. Welche Anforderungen sind nach Auffassung der Landesregierung an die Wirksamkeit einer solchen Patientenverfügung zu stellen? Antwort: Die Rechtswirkung psychiatrischer Patientenverfügungen bestimmt sich nach §§ 1901 a ff. BGB. Danach ist eine Patientenverfügung verbindlich, wenn sie von einem Erwachsenen in einwilligungsfähigem Zustand schriftlich verfasst wurde und bestimmte ärztliche Maßnahmen festlegt oder ausschließt und dies für die aktuelle Situation zutrifft . Voraussetzung für die Verbindlichkeit ist, dass mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass die Patientin oder der Patient in einwilligungsfähigem Zustand die konkret eingetretene Situation vorherbedacht und für sie eine eigenverantwortliche Entscheidung getroffen hat, d.h. die Patientin oder der Patient die konkrete Behandlungssituationen benennt und über die in diesen Situationen in Frage kommenden Behandlungsmaßnahmen entscheidet. Die Verbindlichkeit der Verfügung steht und fällt mit ihrer Konkretheit . Bei den Regelungen zur Patientenverfügung sieht die Landesregierung keinen Nachbesserungsbedarf . Die Regelungen im PsychKG SH zur Patientenverfügung sind hinreichend bestimmt und genügen den gesetzlichen Anforderungen. 4. Hält die Landesregierung die genannten Fragen für hinreichend geklärt, damit die Betroffenen und die mit dem Gesetzesvollzug befassten Personen ihr Handeln danach ausrichten können? Wenn nein, was beabsichtigt die Landesregierung zu unternehmen ? Antwort: Die Landesregierung prüft derzeit im Rahmen der geplanten Novellierung des PsychKG, ob und wie eine Änderung des PsychKG zur Berücksichtigung von Patientenverfügungen im Rahmen der Anordnung einer Unterbringung alleine aus Gründen der Selbstgefährdung herbeizuführen ist.