SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/5020 18. Wahlperiode 25.01.2017 Kleine Anfrage des Abgeordneten Oliver Kumbartzky (FDP) und Antwort der Landesregierung - Ministerpräsident Substanzielle Raumverschaffung für Windkraftanlagen Vorbemerkung des Fragestellers: Laut dem vorläufigen stenografischen Bericht zur 136. Sitzung vom 15. Dezember 2016 hat Ministerpräsident Albig erklärt (S. 78): "Und die Einschätzung unserer Juristen ist, mit 1,98 % bin ich im Bereich der substanziellen Raumverschaffung. Wenn ich das Substanzielle unterschreite, bin ich rechtlich angreifbar." 1. Ab welcher Größe der Potenzialflächen bzw. der Vorrangflächen unter Berücksichtigung der derzeitigen Planungskriterien steht nach Ansicht der Landesregierung bezogen auf die von der Rechtsprechung geforderte substanzielle Raumverschaffung für Windkraftanlagen ausreichend Fläche zur windenergetischen Nutzung zur Verfügung? Bitte begründen. 2. Ab welcher Größe der Potenzialflächen bzw. der Vorrangflächen unter Berücksichtigung der derzeitigen Planungskriterien liegt nach Ansicht der Landesregierung bezogen auf die vom BVerwG geforderte substanzielle Raumverschaffung für Windkraftanlagen eine Verhinderungsplanung bzw. eine Feigenblattplanung vor? Bitte begründen. Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sinnzusammenhangs gemeinsam beantwortet . In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (etwa Urt. v. 13.3.2003 - 4 C 4.02 -; Beschl. v. 28.11.2005 - 4 B 66.05 -) ist geklärt, dass Drucksache 18/5020 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 sich nicht abstrakt, z.B. durch Ermittlung des prozentualen Anteils der Vorrang - oder Konzentrationsflächen für Windenergie an der Gesamtfläche des Planungsraums, bestimmen lässt, wo eine „Verhinderungsplanung“ vorliegt oder der Windenergienutzung substanziell Raum verschafft ist. Es ist anhand einer Würdigung der tatsächlichen, örtlichen Verhältnisse zu beurteilen, ob die Grenze zur Verhinderungsplanung überschritten ist (s. im Übrigen Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Flächenbeanspruchung durch Windkraftanlagen in Schleswig-Holstein“, LT-Drs. 18/4419). Die Landesregierung hat eine von objektiven Erwägungen getragene Abwägung unter Würdigung der örtlichen Gegebenheiten in tatsächlicher und rechtlicher Sicht durchgeführt und damit der Privilegierung der Windenergienutzung im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB angemessen Rechnung getragen. Dies zeigt sich auch an der Tatsache, dass der Ausbau der Windenergiegewinnung mit dem vorliegenden Plankonzept weiter vorangetrieben wird und die grundsätzliche Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB ausdrücklich konzeptionell berücksichtigt wurde. Es ist daher davon auszugehen, dass die in den derzeitigen Entwürfen der Teilaufstellungen der Regionalpläne vorgesehene Fläche ausreicht, um der Windenergienutzung substanziell Raum zu verschaffen, mithin keine Verhinderungsplanung vorliegt. 3. Kann sich die Größe der Vorrangflächen durch das Beteiligungsverfahren reduzieren ? Wenn ja, führt dies gegebenenfalls zu einer rechtswidrigen Unterschreitung im Bereich der substanziellen Raumverschaffung? Das derzeit durchgeführte Beteiligungsverfahren dient der Ermittlung der Sachgesichtspunkte, die tragende Grundlage der zu leistenden landesplanerischen Abwägungsentscheidung ist. Alle Beteiligten, insbesondere die Öffentlichkeit und die Träger öffentlicher Belange sind aufgerufen, sich zu den vorgelegten Plandokumenten zu äußern und gegebenenfalls weitere Argumente in die Abwägung einzubringen. Soweit aufgrund der vorgebrachten Argumente einzelne bisherige Abwägungsentscheidungen zu revidieren sind, werden gegebenenfalls Vorranggebiete wegfallen, anders zugeschnitten oder neu ausgewiesen . Insofern könnte sich die Gesamtgröße der Vorrangflächen sowohl reduzieren, als auch erhöhen. Im Fall einer Reduzierung wäre erneut zu prüfen , ob noch davon ausgegangen werden kann, dass der Windenergienutzung substanziell Raum verschafft wird. Anderenfalls müssten abwägungsrelevante Belange daraufhin überprüft werden, ob und wie ihre Gewichtung dem verfassungsrechtlich geschützten Privilegierungsanspruch des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB entspricht oder ob es hier einer verfassungsrechtlich gebotenen Korrektur der Abwägungsentscheidung bedarf. Erst dann würde ein neuer Entwurf in ein erneut durchzuführendes Beteiligungsverfahren gegeben werden. Eine rechtswidrige Unterschreitung im Bereich der substanziellen Raumverschaffung ist damit ausgeschlossen. 4. Ändert sich die Größe des erforderlichen substanziellen Raumes, wenn man die Planungskriterien ändert? Ja. Hierbei muss zwischen beeinflussbaren und nicht beeinflussbaren Planungskriterien unterschieden werden. Für die Bewertung, ob der Windenergienutzung substanziell Raum gegeben wurde, ist im Ausgangspunkt von den Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/5020 3 Flächen auszugehen, die überhaupt planerisch zur Verfügung stehen. Dies sind die Flächen nach Abzug der harten Tabukriterien. Eine Veränderung der beeinflussbaren Planungskriterien (weiche Tabus und Abwägungskriterien) verändert die Größe der für die Windenergienutzung zur Verfügung stehenden Fläche und kann damit – im Ergebnis der Anwendung der veränderten Kriterien – auch zu einer Veränderung des erforderliche substanziellen Raums führen . 5. Laut dem gesamträumlichen Planungskonzept der Landesregierung, wurde „im Zuge des Planungsverfahrens erkennbar, dass eine Neujustierung des Kriterienkatalogs erforderlich wurde, um den energiepolitischen Zielen der Landesregierung gerecht zu werden. Die bis dahin praktizierte Anwendung des Kriterienkataloges konnte zwar den rechtlichen Anforderungen zur Schaffung substanziellen Raums entsprechen, hätte jedoch einen Flächenumfang unterhalb der energiepolitischen Zielgröße hervorgebracht. Infolgedessen waren Änderungen in der Gewichtung einzelner Abwägungskriterien bzw. die Umstufung von Kriterien vorzunehmen“ (S. 66). Wie groß war der von der Landesregierung als unzureichend erachtete Flächenumfang und ab welcher Größe würde man in Schleswig-Holstein den rechtlichen Anforderungen zur Schaffung substanziellen Raumes nicht mehr entsprechen? Die nach einer ersten Abwägung ermittelten Flächen erreichten eine Gesamtfläche von ca. 1,7 % der Landesfläche. Als Ergebnis der einheitlichen Anwendung der Planungskriterien wäre dies grundsätzlich ausreichend gewesen, der Windenergienutzung substanziell Raum im Sinne der gesetzlichen Anforderungen zu verschaffen. Jedoch war weder das zusätzliche Flächenerfordernis für die Vorranggebiete Repowering, die die Interessen der Eigentümer von Bestandsanlagen berücksichtigen sollen, berücksichtigt, noch wäre die installierbare Leistung ausreichend gewesen, um das energiepolitische Ziel der Windenergie an Land von 8 GW bis 2020 und von 10 GW bis 2025 zu erreichen . Deshalb erfolgte eine Neujustierung des Kriterienkataloges mit einer weiteren Abstufung von vor allem Naturschutzkriterien. Im Übrigen vgl. Antwort zu Fragen 1 und 2. 6. Sind der Landesregierung Fälle bekannt, in denen bei einem Erreichen einer Gesamtfläche von über 1,0 % bzw. 1,5 % als Vorrangfläche eine Verhinderungsplanung bzw. eine Feigenblattplanung vorgelegen hat? Wenn ja, welche ? Die Fragestellung berücksichtigt nicht, dass, wie oben dargelegt, nach der einschlägigen Rechtsprechung für die Beurteilung der Frage, ob eine Verhinderungsplanung vorliegt, keine isolierte Betrachtung einer Prozentzahl erfolgen kann. Daher sind der Landesregierung entsprechende Fälle nicht bekannt .