SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/5042 18. Wahlperiode 2017-01-26 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Axel Bernstein (CDU) und Antwort der Landesregierung – Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten Gefährder in Schleswig-Holstein Vorbemerkung der Landesregierung: 1. Die Landesregierung ist bei der Beantwortung dieser Kleinen Anfrage davon ausgegangen, dass sich die Fragestellungen ausschließlich auf den Phänomenbereich Religiöse Ideologie beziehen. Die Antworten beziehen sich daher ausschließlich auf diesen Phänomenbereich. 2. Der Begriff des Gefährders ist gesetzlich nicht verankert, es handelt sich um eine polizeitaktische Definition zur polizeiinternen Gefährdungsbewertung und –bearbeitung aus dem Bereich der Gefahrenabwehr und nicht um ein Tatbestandsmerkmal einer Eingriffsbefugnis. Um bei der Einstufung einheitlich vorzugehen, hat sich 2004 die „AG Kripo“ der IMK (Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamts) auf folgende Definition verständigt: „Ein Gefährder ist eine Person, zu der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a der Strafprozessordnung (StPO), begehen wird.“ Drucksache 18/5042 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Die Einstufung einer Person als Gefährder alleine begründet keine Eingriffsmaßnahmen. Um Maßnahmen gefahrenabwehrrechtlicher oder, im Falle eines Anfangsverdachtes, strafprozessualer Natur gegen die als Gefährder eingestufte Person durchführen zu können, müssen die jeweiligen erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sein. Auf Bundesebene wurde abgestimmt, dass die Gesamtzahl der Gefährder und Relevanten Personen durch das Bundeskriminalamt mit einem festgelegten Stichtag veröffentlicht wird. Zahlen der Bundesländer werden seitens des Bundeskriminalamtes nicht herausgegeben. Dies dient insbesondere dazu, eine Personifizierung/Identifizierung/Regionalisierung und damit eine Aufdeckung polizeilicher Überwachungsmaßnahmen zu verhindern. Aus obigen Gründen werden von der zuständigen Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes (LKA) öffentlich grundsätzlich keine konkreten Zahlen genannt oder konkretisierende Angaben zu personenbezogenen Daten wie Aufenthaltsort oder Aufenthaltsstatus gemacht. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/5042 1. Wann konkret plant die Landesregierung die Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichtes für das Jahr 2016? Antwort: Die Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichtes für das Jahr 2016 ist in der 23. Kalenderwoche 2017 beabsichtigt. 2. Wie viele Personen, die von den Sicherheitsbehörden als „Gefährder“ eingestuft werden, halten sich gegenwärtig in Schleswig-Holstein auf und wie hat sich diese Zahl im Vergleich der vergangenen fünf Jahre entwickelt? Antwort: Die Zahl der durch das LKA Schleswig-Holstein, Abteilung Polizeilicher Staatsschutz, im Phänomenbereich Religiöse Ideologie als Gefährder eingestuften Personen bewegt sich im unteren zweistelligen Bereich. Etwa die Hälfte dieser Personen hält sich derzeit in Schleswig-Holstein auf. Im Verlauf der letzten fünf Jahre fand eine Entwicklung aus dem niedrigen einstelligen in den unteren zweistelligen Bereich statt. 3. Wie viele der unter 2. genannten Personen besitzen nicht die deutsche Staatsangehörigkeit? Antwort: Etwa die Hälfte der eingestuften Gefährder besitzt nicht die deutsche Staatsangehörigkeit; in der anderen Hälfte sind überwiegend Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit zu verzeichnen. Drucksache 18/5042 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4. Wie viele der unter 2. genannten Personen sind vollziehbar ausreisepflichtig? Antwort: Zum aufenthaltsrechtlichen Status von ausländischen Gefährdern und Stand etwaiger aufenthaltsrechtlicher Maßnahmen kann keine Auskunft gegeben werden, da die Beantwortung Rückschlüsse auf Betroffene zuließe. Auf die Vorbemerkung wird im Übrigen verwiesen. 5. Wie viele Personen, die von den Sicherheitsbehörden als „Gefährder“ eingestuft wurden, wurden in den letzten fünf Jahren jeweils in ihre Heimatländer zurückgeführt? Antwort: Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. 6. Bei wie vielen Personen, die von den Sicherheitsbehörden als Gefährder eingestuft werden, ist der aktuelle Aufenthaltsort unbekannt? Antwort: Etwa die Hälfte der eingestuften Gefährder befindet sich derzeit außerhalb Deutschlands. Der Aufenthaltsort der in Deutschland befindlichen Personen ist dem LKA bekannt. 7. Welche Maßnahmen werden seitens der Sicherheitsbehörden des Landes zur Überwachung von Gefährdern ergriffen? Antwort: Da an die polizeitaktische Einstufung als Gefährder keine Rechtsfolge gekoppelt ist bzw. diese Einstufung kein Tatbestandsmerkmal einer Eingriffsermächtigung darstellt oder erfüllt, erfolgen Maßnahmen in jedem Einzelfall im Rahmen und unter Ausschöpfung der polizeirechtlichen und Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/5042 strafprozessualen Möglichkeiten. Soweit die entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, sind punktuelle oder längerfristige Datenerhebungsmaßnahmen unterschiedlicher Eingriffsintensität bis hin zur Telekommunikationsüberwachung, Observation und Wohnraumüberwachung sowie alle Arten von Exekutivmaßnahmen möglich. Außerdem ermöglicht § 56 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) unter den dort genannten Voraussetzungen eine Überwachung ausgewiesener Ausländerinnen und Ausländer. Die Vorschrift sieht als Überwachungsinstrumente Meldeauflagen, räumliche Beschränkungen des Aufenthaltes, Wohnsitznahmeverpflichtungen, Kontaktverbote und das Verbot der Nutzung bestimmter Kommunikationsmittel vor. 8. Wurden seit dem Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin im Dezember 2016 Maßnahmen und Verfahren im Umgang mit Gefährdern im Land geändert und wenn, ja wie konkret? Antwort: Die in Antwort zur Frage 7 erwähnten polizeilichen Maßnahmen sind grundsätzlich bewährt und erprobt, werden aber in jedem Einzelfall reflektiert und selbstkritisch überprüft. Im Nachgang der Ereignisse in Berlin erfolgte eine erneute Sensibilisierung und kritische Betrachtung der Maßnahmen und Verfahren. Zudem wurden den Ausländerbehörden Informationen zum Erkennen von potentiellen islamistischen Gewalttätern zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wurden die Ausländerbehörden in der Vergangenheit laufend sensibilisiert; weitere Vertiefungen werden im Rahmen von Fortbildungsmaßnahmen stattfinden.