SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/5254 18. Wahlperiode 13.03.17 Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfgang Kubicki (FDP) und Antwort der Landesregierung – Ministerium für Justiz, Kultur und Europa Postkontrolle in den Justizvollzugsanstalten 1. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, ob ein- oder ausgehende Verteidigerpost in den Justizvollzugsanstalten geöffnet und einer Sichtkontrolle unterzogen wurde? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Bei Untersuchungsgefangenen wird ein- und ausgehende Verteidigerpost bei eindeutiger Kennzeichnung gemäß § 38 Abs. 2 UVollzG ungeöffnet an den Empfänger weitergereicht. Bestehen Zweifel an der Echtheit des Schreibens, wird durch Kontaktaufnahme mit dem Verteidiger Klarheit herbeigeführt. Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass es zu Öffnung und Sichtkontrolle von Verteidigerpost gekommen ist. Bei Strafgefangenen haben sich mit der Einführung des Landesstrafvollzugsgesetzes zum 01.09.2016 die rechtlichen Grundlagen einer Kontrolle von Verteidigerpost inhaltlich verändert. Nach altem Recht wurde der Schriftwechsel des Strafgefangenen mit seinem Verteidiger nicht überwacht (§ 29 Abs. 1 Satz 1 StVollzG). Der neue § 49 Abs. 2 LStVollzG SH lässt nun eine Sichtkontrolle in Form einer Überprüfung ein- und ausgehender Schreiben auf verbotene Gegenstände auch bei Verteidigerpost grundsätzlich zu (vgl. hierzu auch Abs. 2 der Begründung zu § 49 LStVollzG. Drucksache 18/5254 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Eine inhaltliche Kontrolle des Schriftwechsels mit der Verteidigung ist hingegen (weiterhin) nicht zulässig (§ 50 Abs. 2 LStVollzG SH). Gängige Praxis in den Justizvollzugsanstalten des Landes Schleswig-Holstein ist, Verteidigerpost regelmäßig nicht durch Öffnung oder ähnliche Maßnahmen auf verbotene Gegenstände zu kontrollieren. Soweit derartige Maßnahmen im Einzelfall erfolgen, wird im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Verteidigerstellung ausreichend berücksichtigt. 2. Für den Fall, dass in Einzelfällen ein- oder ausgehende Verteidigerpost in den Justizvollzugsanstalten geöffnet und einer Sichtkontrolle unterzogen wurde, aus welchen Gründen ist dies erfolgt und wie hat die Landesregierung hierauf jeweils reagiert? In der JVA Neumünster behauptete im Jahr 2014 ein Strafgefangener, dass seine Verteidigerpost von Bediensteten vor der Aushändigung an ihn geöffnet worden sei. Nach damaliger Rechtslage wäre dies unzulässig gewesen. Der Gefangene stellte daraufhin einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Kiel sah es jedoch als erwiesen an, dass „kein Brief geöffnet wurde, der äußerlich als Verteidigerpost gekennzeichnet oder erkennbar war“. In Einzelfällen kommt es vor, dass unter dem Deckmantel vermeintlicher Verteidigerpost versucht wird, verbotene Gegenstände in die Anstalt zu schmuggeln . So versuchte ebenfalls im Jahr 2014 ein Strafgefangener der JVA Neumünster , in einem DIN-A4 Umschlag und einer durch Aussparungen präparierten Akte zwei Handys zu erhalten. Aktuell gibt es einen Rechtsanwalt aus Hamburg, der wiederholt als Verteidigerpost gekennzeichnete Schreiben nicht an Gefangene, sondern an die JVA Neumünster adressiert hat. Die Schreiben wurden in der Poststelle geöffnet und mit einem Posteingangsstempel versehen. Die JVA Neumünster wird Kontakt mit dem Rechtsanwalt aufnehmen und ihn bitten, seine Schreiben an den richtigen Adressaten zu richten. Ferner ist derzeit eine Dienstaufsichtsbeschwerde eines Rechtsanwaltes aus Kiel gegen einen Vollzugsabteilungsleiter der JVA Lübeck anhängig. Der Rechtsanwalt gibt neue Bevollmächtigungen durch stets gleichlautende Schreiben bekannt, in denen er darauf hinweist, dass auch mit Zustimmung des betreffenden Gefangenen eine Öffnung unzulässig sei. Zudem verklebt er seine Verteidigerpost mit Aufklebern, die eine Strafandrohung bei Öffnung enthalten. Derartige Aufkleber gibt er auch an seine Mandanten aus, die die ausgehende Post mit diesen „versiegeln“. Aufgrund der wiederholten Ausführungen in Mandatsanzeigen sah sich eine Vollzugsabteilungsleitung der JVA Lübeck veranlasst, dem Rechtsanwalt die seit dem 01.09.2016 geltenden Regelungen der §§ 49 und 50 LStVollzG SH mitzuteilen. Im Rahmen einer Dienstaussichtsbeschwerde wird das Rechtsverständnis des Bediensteten nun vom Anwalt als unvertretbar angezweifelt. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/5254 3 3. Wie wird in den Justizvollzugsanstalten mit ein- oder ausgehender Post an Landtagsabgeordnete und den Petitionsausschuss verfahren? Ist es hier nach Kenntnis der Landesregierung zu Sichtkontrollen gekommen? Wenn ja, aus welchen Gründen? Auch bei ein- und ausgehender Post an Landtagsabgeordnete und Petitionsausschuss lässt der § 49 Abs. 2 LStVollzG SH eine Sichtkontrolle zur Überprüfung auf verbotene Gegenstände grundsätzlich zu. Eine inhaltliche Kontrolle des Schriftwechsels mit Landtagsabgeordneten und Petitionsausschuss ist ebenfalls nicht zulässig (§ 50 Abs. 3 LStVollzG SH). Aktuell hat sich ein Strafgefangener der JVA Lübeck mit Schreiben vom 17.02.2017 an den Petitionsausschuss gewandt, da ein an ihn gerichtetes Schreiben der Landtagsfraktion der Piraten in seinem Beisein einer Sichtkontrolle nach § 49 Abs. 2 LStVollzG SH unterzogen wurde.