SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/5353 18. Wahlperiode 2017-03-24 Kleine Anfrage des Abgeordneten Oliver Kumbartzky (FDP) und Antwort der Landesregierung – Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Grundlastfähigkeit von Windstrom 1. Ist die Landesregierung der Ansicht, dass Windkraftstrom grundlastfähig ist? Wenn ja, wie stellt sich die verlässliche Mindestgröße von eingespeister Windenergie in Schleswig-Holstein dar? Wenn nein, welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um das Problem fehlender Grundlastfähigkeit zu beheben und wie ist der konkrete Zeitplan der Umsetzung? Grundsätzlich ist Grundlastfähigkeit keine am Strommarkt nachgefragte Eigenschaft elektrischer Energie. Die Strommengen werden an der Strombörse in zeitlichen Paketen gehandelt, wobei Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. In der Vergangenheit haben sogenannte Grundlastkraftwerke auf Basis fossiler Energieträger ohne auf Marktsignale zu reagieren den Mindestbedarf des Marktes über 24 Stunden mit niedrigen Grenzkosten abgedeckt. Heute kommt es durch die Wind- und Solarstromerzeugung mit Grenzkosten gegen Null zu einer neuen Marktaufteilung, in der die traditionellen Grundlastkraftwerke zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Windkraftanlagen liefern volatilen Strom. Durch den von der Landesregierung beförderten überregionalen Netzausbau kann das Windstromangebot aber verstetigt werden. Darüber hinaus fördert die Landesregierung die Entstehung von virtuellen Kraftwerken und von Speichern, die gesicherte Leistung anbieten können. Drucksache 18/5353 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Wie ein Strommarkt mit einem hohen Anteil an Wind- und Solarstrom funktionieren kann, soll in dem Schaufensterprojekt Norddeutsche Energiewende NEW 4.0 bis 2022 gezeigt werden. Die Landesregierung hat das länderübergreifende Großprojekt mit angeschoben, um zu demonstrieren, wie die Gesamtregion mit 4,5 Millionen Einwohnern in Hamburg und Schleswig-Holstein bereits 2035 zu 100 Prozent sicher und zuverlässig mit Strom aus Erneuerbaren Energien versorgt werden kann. 2. Welche Speicher (Pumpspeicher, Batteriespeicher, chemische Speicher) gibt es in Schleswig-Holstein und welche Speicherkapazitäten (Größe und Umfang) haben diese Speicher jeweils? Das Thema Speicher entwickelt sich in Schleswig-Holstein sehr dynamisch, wozu auch die von der Landesregierung etablierte Fördermöglichkeit mit EFRE- und Landesmitteln beiträgt. Konkrete Beispiele sind: Pumpspeicher Das Pumpspeicherwerk Geesthacht mit einer Leistung von 120 MW und einer Kapazität von 600 MWh ist der größte Stromspeicher in Schleswig-Holstein. Batteriespeicher Im Rahmen des Leuchtturmprojekts "Smart Region Pellworm" wird ein hybrides Speichersystem entwickelt und mit einer Leistung von ca. 1,3 MW erprobt. Ziel ist es, die Stromverbraucher über moderne Datenleitungen mit den Erzeugungsanlagen zu verknüpfen und so Erzeugung und Verbrauch von elektrischer Energie optimal aufeinander abzustimmen (smart grid). In Braderup betreibt die Arge Netz Batteriespeicher auf Basis der Redox Flow- Technologie in der Größenordnung von derzeit 1 MW. Bei Redox-Flow können die energiespeichernden Elektrolyte außerhalb der Zelle in getrennten Tanks gelagert werden. Im Vergleich zu anderen Speichertechnologien haben sie einen hohen Wirkungsgrad und können als Puffer für Windkraftanlagen eingesetzt werden. Die Gemeindewerke Bordesholm verfolgen die Realisierung eines 5 MW Batteriespeichers auf Basis der Lithium-Ionen-Technologie. Ziel ist es, die örtliche Stromerzeugung (Biogas, PV und zukünftig Windkraft) mit dem Strombedarf von Unternehmen und privaten Haushalten auszugleichen. Zusätzlich sollen Versorgungssicherheit und Netzstabilitäten in Verbindung mit dem vorgelagerten Netzbetreiber erreicht werden. Der Batteriespeicher soll ebenso den Regelleistungsmarkt bedienen. Die Stadtwerke Heide prüfen zusammen mit dem Unternehmen Coulomb die Integration eines 5 MW Batteriespeichers unter Nutzung von gebrauchten Traktionsbatterien in den Regelleistungsmarkt. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/5353 3 Chemische Speicher / Power to Gas In Hemmingstedt wird eine großmaßstäbliche Wasserstoffproduktionsanlage mit entsprechenden Speichermöglichkeiten geplant, die mit Windstrom betrieben werden soll. Der Wasserstoff soll teils für Anwendungen im Verkehr in Hamburg genutzt werden, teils an regionale Unternehmen geliefert werden. Mit dem Vorhaben ENTREE100 verfolgt die Entwicklungsgesellschaft Heide innovative großtechnische Vorhaben in einem regionalen Cluster zusammenzuführen . In den Reußenkögen wird das Projekt „Stromlückenfüller“ von dem Unternehmen GP Joule durchgeführt. Eine bestehende Biogasanlage in Verbindung mit einer Elektrolyse sorgt für eine Glättung der EE - Stromerzeugung. Zukünftig kann über die Methanisierung die Einspeisung in die Erdgasnetze erfolgen. Die Wasserstoffeinspeisung ins Erdgasnetz der SH Netz wird in Klanxbüll getestet . Nach den vorliegenden Ergebnissen arbeiten die Gasgeräte ohne Beanstandung , auch Netzprobleme sind nicht aufgetreten. Weitere Projekte sind in der Entwicklung beziehungsweise bereits in der Realisierung . 3. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, welche Kosten und welcher Energieverbrauch bei der Überbrückung bzw. Pufferung durch die Speicher jeweils entstehen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Die wirtschaftliche Situation des Pumpspeicherwerks Geesthacht ist weitestgehend bekannt. Es wird mit einem Gesamtwirkungsgrad bis zu 80% betrieben. Der notwendige Pumpstrom kann partiell durch Erneuerbaren Strom bereitgestellt werden, so dass sich die Umweltbilanz relativ vorteilhaft darstellt. Batteriespeicher und Power to Gas - Anlagen befinden sich in der Erprobung. Im Fokus der ersten Bewertungen stehen die Funktions- bzw. Systemfähigkeiten der einzelnen Technologien. Daran werden sich wirtschaftliche Bewertungen anschließen . Wirkungsgrade sind für einzelne Projekte bekannt, müssen jedoch in der Praxis erst bestätigt und validiert werden. 4. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse über die Umwandlungsverluste bei "Power-to-Gas" vor? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Angaben zu Umwandlungsverlusten liegen in verschiedenen Darstellungen vor. In der Studie Integration von Wind- Wasserstoff-Systemen in das Energiesystem, im Auftrag der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechno- Drucksache 18/5353 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 logie (NOW) wurden folgende Angaben zu Wirkungsgraden der einzelnen Umwandlungsketten gemacht: - Netzanbindung /Elektrolyse/Speicher/ Abfüllung 64 % - Netzanbindung /Elektrolyse/Speicher/ Rückverstromung (GuD) 40 % - Netzanbindung /Elektrolyse /Speicher/ Rückverstromung (Gasturbine) 27 % Der Umwandlungsverlust bei Speicherung und Abfüllung ist vergleichbar mit bestehenden Heizkraftwerken. Die Möglichkeit zur Rückverstromung ist nicht vorrangiges Ziel bei der Nutzung von Power to Gas - Technologien in Schleswig-Holstein. 5. Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeit, dass Elektrofahrzeuge als Speicher dienen könnten? Speichertechnologien und -konzepte können einen Beitrag zum Erreichen der Ziele der Energiewende leisten. Unter welchen regulatorischen und technischen Bedingungen und mit welchen Potentialen dies erfolgen kann, ist im Gesamtkontext der Sektorenkopplung zu klären. Inwieweit Elektrofahrzeuge (E-Pkw, E-Lkw, E-Busse oder auch E-Loks) dabei sinnvoll und zielführend als Speicher dienen können, ist somit nicht nur von den heutigen und zukünftigen technischen Möglichkeiten abhängig, sondern von dem Zusammenwirken vieler Faktoren. Aktuelle Konzepte setzen z.B. auf die Nachnutzung von Fahrzeugbatterien als Basis für stationäre Stromspeicherlösungen. Einen Beitrag könnten auch ausgediente Batterien von E-Autos leisten, die dem Stromsektor nach Ende der Gebrauchszeit im Auto günstig zur Verfügung stehen (Second-life-Batterien).