SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/5376 18. Wahlperiode 2017-04-07 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Patrick Breyer (Piraten) und Antwort der Landesregierung - Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten Speicherung des Vermerks "Ansteckungsgefahr ANST" als personengebundener Hinweis Vorbemerkung der Landesregierung: Personengebunde Hinweise (PHW) können nur für Personen gespeichert werden, für die nach geltendem Recht eine Kriminalakte angelegt wird. Die eventuelle Möglichkeit zur Vergabe eines PHW hat auf die Anlage einer Kriminalakte keinen Einfluss. 1. Beabsichtigt Schleswig-Holstein an der unter Federführung des nordrheinwestfälischen Landeskriminalamts initiierten Bund-Länder- Expertenkommission zur Speicherung des Merkmals ANST teilzunehmen und soll in Schleswig-Holstein eine Fokusgruppe gebildet werden? Antwort: Schleswig-Holstein ist kein Teilnehmer der zu diesem Thema bereits eingerichteten Bund-Länder-Arbeitsgruppe (BLAG), die neben dem federführendem Land Nordrhein-Westfahlen fünf weitere Länder und die Bundespolizei umfasst. Im Rahmen der BLAG werden in den beteiligten Ländern Fokusgruppendiskussionen durchgeführt, um den polizeifachlichen Bedarf des Personengebundenen Hinweises (PHW) ANST besser identifizieren zu können. Fokusgruppendiskussionen sind ein Mittel aus der Forschung, die hier mit methodischer Unterstützung von Experten der Zentralstelle für Evaluation im Landeskriminalamt Nordrhein-Westfahlen durchgeführt werden. Drucksache 18/5376 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 2. Die StIKo empfiehlt in ihren Richtlinien von 2013 unter anderem Polizeibeamten sich gegen Hepatitis B impfen zu lassen. Schließt das Land sich dieser Empfehlung an? Antwort: Ja. 3. Kann im Fall der mutmaßlichen Infektion eines Polizeibeamten flächendeckend innerhalb von zwei Stunden eine medikamentöse Post- Expositionsprophylaxe eingeleitet werden? Antwort: Ja. 4. Wie steht die Landesregierung zu einer Information aller Personen, zu denen die Landespolizei den personengebundenen Hinweis „Ansteckungsgefahr“ gespeichert hat, auch um die Aktualität der Daten zu verbessern? Antwort: Eine Speicherung des PHW ANST kann nur erfolgen, wenn die Hinweise von einem Arzt oder einer anderen öffentlichen Stelle auf der Grundlage eines ärztlichen Attestes oder einer entsprechenden ärztlichen Unterlage (Gesundheitsamt , Verwaltungsbehörde, Justizvollzugsanstalt u. ä.) oder dem Betroffenen selbst vorliegen. Rechtlich ist bei der Anlage, der Veränderung oder der Löschung einer Kriminalakte die Information der betroffenen Person nicht vorgesehen, auf Antrag werden Betroffenen grundsätzlich Auskünfte erteilt. Eine Abweichung in Bezug auf bestimmte Informationen (z.B. PHW ANST) ist aus Sicht der Landesregierung nicht erforderlich, zumal eine höhere Aktualität in Bezug auf das Merkmal PHW ANST hierdurch nicht erreicht würde. 5. Wenn medikamentös behandelte Personen nachweisbar nicht infektiös sind, ist es korrekt, (weiterhin) den personengebundenen Hinweis „Ansteckungsgefahr“ zu vergeben? Antwort: Eine medikamentöse Behandlung entfaltet nach medizinischer Auffassung nur bei regelmäßiger Einnahme dauerhaften Schutz gegen eine Übertragung. Da die regelmäßige Medikamenteneinnahme durch die Landespolizei nicht überprüfbar ist, muss aus Gründen der Fürsorge zum Schutz der Beamten immer von der Übertragbarkeit ausgegangen werden. 6. Wie viele Fälle sind bekannt, in denen sich ein Beamter der Landespolizei im Einsatz mit HIV, Hepatitis B oder Hepatitis C infiziert hat? Antwort: Die Landesregierung verfügt dahingehend über keine Erkenntnisse, da diese Daten statistisch nicht erfasst werden. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/5376 3 7. Wie lauten die Leitlinien und Handlungsanweisungen des Polizeidienstes für den Fall einer möglichen Infektion (bitte beifügen)? Antwort: Der entsprechende Erlass 14.34-Einsatz gefahrenabwehrender Maßnahmen nach Kontakt mit HIV -Postexpositionelle Prophylaxe (PEP) / Sofortmaßnahmen - vom 18.11.2016 ist beigefügt. In dem Erlass genannte telefonische Erreichbarkeiten wurden geschwärzt, da es sich teilweise um nicht öffentliche Nebenstellen handelt. Dienstgebäude Mühlenweg 166, 24116 Kiel, Telefon 0431 160-0 | Telefax 0431 160-62529 | Kiel.LPA@polizei.landsh.de | www.polizei.schleswig-holstein.de Buslinie 71, 100, 101 | E-Mail-Adressen: Kein Zugang für elektronisch signierte oder verschlüsselte Dokumente Landespolizeiamt, Mühlenweg 166, 24116 Kiel Landespolizeiamt Leitungsstab 1 MIB / Abt. 4 Stabs- u. Koordinierungsstelle LPA Abteilungen des Landespolizeiamtes Landeskriminalamt Behörden der Landespolizei Fachhochschule für Verwaltung u. Dienstleist. - Dekanat Polizei – Ihr Zeichen: / Ihre Nachricht vom: Mein Zeichen: IV-LPA-LSt 11 14.34- Meine Nachricht vom Kai Schlimbach kai.schlimbach@polizei.landsh.de Telefon: +49-431-160-61110 Kiel, den 18.11.2016 Einsatz gefahrenabwehrender Maßnahmen nach Kontakt mit HIV - Postexpositionelle Prophylaxe (PEP) / Sofortmaßnahmen 1. Die Indikation/Notwendigkeit zur PEP sollte unverzüglich primär durch einen Arzt, (z. B. „Blutprobenarzt“) als ersten Ansprechpartner, der möglichst umgehend Kontakt mit einer der u. g. Einrichtungen aufnimmt, bzw. oder direkt über die regional zuständige Klinik geklärt werden. In jedem Fall ist eine qualifizierte Beratung notwendig. Die PEP sollte innerhalb von 2 Stunden erfolgen; sie ist innerhalb von 24 Stunden noch mit Erfolgsaussicht möglich. Folgende Kliniken, die 24/7 erreichbar sind, können verlässlich eine PEP durchführen: • Universitätsklinikum S-H (UKSH) – Campus Kiel – internistische Notaufnahme – Haus 6 – Rosalind-Franklin-Str.12/Arnold-Heller-Str.3 - 24105 Kiel - Tel. 0431/500222 -0 bzw.0431/50022259 • Asklepios Klinik St. Georg – Lohmühlenstraße 5 – 20099 Hamburg – Tel. 040/1818850 - 2 - 2 • Universitätsklinikum S-H (UKSH) – Campus Lübeck – Ratzeburger Allee 160 - 23538 Lübeck - Tel. 0451/500-0 bzw. 0451/500-6032 • Diakonissenkrankenhaus Flensburg (DIAKO) – Knuthstraße 1 – 24939 Flensburg - Tel. 0461/812-0 • Friedrich- Ebert – Krankenhaus Neumünster (FEK) – Friesenstraße 11 – 24534 Neumünster - Tel. 04321/4050 2. Sofortmaßnahmen nach vermeintlichem Kontakt mit HI-Viren Der Kontakt mit Körperflüssigkeiten wie z. B. Blut und Speichel auf nicht verletzter Haut ist ungefährlich. Es wird dennoch eine Spülung mit Wasser und Hautdesinfektion empfohlen. In diesem Zusammenhang wird auf das auf jedem Streifenwagen/ WSP-Boot vorhandene Hygieneset hingewiesen (Wund- und Augendusche, Desinfektionslösung). Bei Kontakt über Augen oder Mund ist ebenfalls eine Spülung mit Wasser durchzuführen. Auch bei Kontakt von fremden Körperflüssigkeiten mit verletzter oder nicht intakter Haut gilt ebenfalls als erste Maßnahme, die Wunde reichlich mit Wasser zu spülen. Dabei sollte kein Druck auf die Wundränder ausgeübt werden. 3. Regionale Besonderheiten (z. B. Insellagen) Eine besondere Situation entsteht, wenn sich die Betroffenen z.B. auf Inseln aufhalten. Aufgrund der gebotenen Dringlichkeit von Untersuchungsmaßnahmen ist zusätzlich folgendes zu beachten: - 3 - 3 • In diesen Fällen ist es unumgänglich für den Transport der Betroffenen einen Hubschrauber einzusetzen. Die entstehenden Kosten werden vom Landeshaushalt (Heilfürsorge) übernommen. • Vor Einleitung des Transportes sollte der zuständige Blutprobenarzt zur fachlichen Beratung eingebunden werden; darüber hinaus sollte bei der Klinik, in der die PEP stattfinden soll, fernmündlich voraus ebenfalls eine fachliche Beratung eingeholt werden. 4. Rechtsgrundlagen und Formvorschriften • Strafprozessuale und gefahrenabwehrende Gemengelage Wird einem aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte HIV-Verdächtigen aus strafprozessualen Gründen (81 a StPO) eine Blutprobe entnommen, kann die Entnahme einer weiteren Blutteilmenge (zweite Kanüle) für gefahrenabwehrende Zwecke (HIV-Infektions-Feststellung und PEP-Einleitung) auf §§ 173, 176 LVwG i. V. m. §§ 25 und 26 Infektionsschutzgesetzt (IfSG) von der Polizei angeordnet werden. • Gefahrenabwehrend Liegen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Person, die eine Polizeivollzugskraft oder einen Dritten verletzt hat, Träger von Humanen Immun - Defizienz-Viren (HIV) ist, kann die Polizei die Vorführung der ansteckungsverdächtigen Person zur Befragung sowie eine Blutabnahme und – Untersuchung zur Gefahrenabwehr anordnen. Dies gilt auch, wenn sich die oder der Betroffene an einer Injektionsnadel der ansteckungsverdächtigen Person verletzt hat. Die polizeiliche Anordnung bedarf keiner vorgeschalteten oder nachträglichen richterlichen Entscheidung (kein Richtervorbehalt!). - 4 - 4 Die Durchführung der notwendigen Erforschungsmaßnahmen obliegt wegen der besonderen Eilbedürftigkeit der Entscheidung über die Notwendigkeit einer PEP nach § 168 Abs. 1 Nr. 3 LVwG der Polizei. Die Eingriffsmaßnahmen (Blutprobenanordnung durch die Polizei) sind, wie bereits bei den Gemengelagen dargestellt, auf die Befugnisnormen der §§ 173, 176 LVwG i. V. m. §§ 25 und 26 IfSG zu stützen. Unter Berücksichtigung des Normzweckes des Infektionsschutzgesetzes und der Gesundheits - bzw. Lebensgefahr für die betroffene Person sind keine gesteigerten Anforderungen an den Verdachtsgrad für das Vorliegen einer HIV-Infektion zu stellen. Aus Objektivitätsgründen soll die Entscheidung über die Erforderlichkeit und die Anordnung der Blutprobe nicht durch die Vollzugskräfte getroffen werden, die von einem Infektionsverdacht betroffen sind. Die sonstigen Voraussetzungen, die bei strafprozessualen Blutentnahmen zu beachten sind, z. B. Blutentnahme nach den Regeln der ärztlichen Kunst, finden analoge Anwendung . Die Formvorschriften, die bei einer aus strafprozessualen Gründen angeordneten Blutprobenentnahme Berücksichtigung finden müssen, sind grundsätzlich auch bei einer aus rein gefahrenabwehrendem Zweck (PEP) angeordneten zu beachten. Das Formblatt „Protokoll und Antrag zur Feststellung der Blutalkoholkonzentration“ sowie das Klebezettelverfahren sind zu nutzen. Auszufüllen sind im Protokoll auf Seite 1 ausschließlich die Rubriken, veranlassende Dienststelle mit FAX-Nummer für die Übersendung des Befundes, Empfängerdienststelle, Angaben zur Person, Zeitpunkt des Vorfalls, Art des Vorfalls – Freitext“ und auf Seite 2 die Entnahmequittierung des Arztes. Angaben des Betroffenen sind ebenso entbehrlich wie weitere ärztliche Befundfeststellungen. Das Protokoll ist zu unterschreiben. - 5 - 5 Ist eine derartige Infektionsgefahr zu befürchten, meldet die betroffene Einsatzkraft dieses unverzüglich ihrem nächsten Vorgesetzten und der einsatzführenden Regionalleitstelle. Unter den gegebenen rechtlichen Voraussetzungen ist vom Verursacher (Indexperson) jeweils ein EDTA-Röhrchen rot und ein Serumröhrchen weiß abzunehmen. Der Transport der Blutproben wird unabhängig von den möglich infizierten Vollzugskräften von der zuständigen Dienststelle durchgeführt. Dabei gilt folgende Regelung: Alle Blutproben des Verursachers (Indexperson) aus den Standortbereichen der Kliniken Flensburg, Kiel, Neumünster, Hamburg (siehe Ziffer1) müssen zum Institut für klinische Chemie, Schwanenweg 25, 24105 Kiel zur Untersuchung verbracht werden. Die Ausnahme stellt nur die Klinik in Lübeck dar, da dort auch das Blut des Verursachers untersucht werden kann. Die Vorgesetzten • informieren die entsprechenden Dienstvorgesetztenebenen einschließlich der Polizeidirektionen . • bereiten die formelle Dienstunfallmeldung vor. Die Regionalleitstellen • melden den Sachverhalt unverzüglich fernmündlich voraus LPA LSt. 11 (Lagezentrum ). • dokumentieren den Sachverhalt und die erfolgten Maßnahmen. • veranlassen das Fertigen und Steuern einer WE-Meldung (s. a. WE-Melde-Erlass hinsichtlich adressatengerechter Steuerung wg. personenbezogener Daten im Sachverhalt). - 6 - 6 LPA LSt. 11 (Lagezentrum) • nimmt den Sachverhalt sowie die veranlassten Sofortmaßnahmen entgegen. • informiert den zuständigen Polizeiarzt über den Sachverhalt, stimmt die weiteren erforderlichen Schritte mit ihm ab und stellt den direkten Kontakt zur betroffenen Einsatzkraft und deren Vorgesetzten her. • Unterstützt ggf. den Transport zur kontaktierten PEP-Klinik bzw. den Transport der Blutprobe des Verursachers • informiert die zuständige Regionalleitstelle über Verlauf und Abschluss der Klinik- Maßnahmen unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Grenzen. • steuert die adressatengerechte WE-Meldung. Vermerk: Der Erlass wird aus dem Arbeitsschutzerlass herausgenommen und von LPA/LST gesondert herausgegeben. Er sollte zur regelmäßigen Überprüfung – z.B. Anschriften und Telefonnummern - nur eine 1-jährige Gültigkeit bekommen. Weiterhin sollte dieser Erlass in die Belehrungsmappe aufgenommen werden. Kai Schlimbach, Leiter LSt.11 18-5376-KA204A Anlage