SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/5380 18. Wahlperiode 2017-04-07 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Patrick Breyer (Piraten) und Antwort der Landesregierung - Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten Bauplanungsrechtliche Sicherung von Dauerwohnraum auf Sylt Im Wohnraumentwicklungskonzept Sylt 2025 heißt es, die im Handlungsleitfaden aufgezeigten Handlungsweisen seien für die Sylter Kommunen verbindlich einzuhalten, um der regionalplanerischen Anforderung zu entsprechen, Fehlentwicklungen zu begegnen und Dauerwohnbedarfe erst zu realisieren, wenn jeweils sichergestellt ist, dass keine Umnutzungen zu Zweitwohnungen, Ferienwohnungen und anderen Tourismusangeboten erfolgen können. Vorbemerkung der Landesregierung: Zielsetzung des Wohnraumentwicklungskonzeptes der Insel Sylt ist es auch, die raumordnerischen Vorgaben der Siedlungsentwicklung auf Sylt zu konkretisieren und damit die Vorgaben des Regionalplans für den Planungsraum V (alt) und des Landesentwicklungsplans (LEP) in Teilen zu ersetzen. Dies betrifft insbesondere den wohnbaulichen Entwicklungsrahmen des LEP, Ziffer 2.5.2, die Vorgaben zur Unterbindung von Planungen zur Schaffung von Zweitwohnungen sowie die Begrenzung der Siedlungsentwicklung auf den Bereich der im Regionalplan dargestellten Baugebietsgrenzen. Grundlage hierfür soll ein zwischen dem Land, dem Kreis Nordfriesland und den Inselgemeinden abgestimmtes Wohnraumentwicklungskonzept (WEK) sein. Der Abstimmungsprozess ist nach wie vor nicht abgeschlossen. Insbesondere befinden sich die rechtlichen Instrumentarien zum Umgang mit Bestandsgebieten noch in der Abstimmung. Die insular abgestimmten Regelungen bei Überplanungen von Bestandsgebieten sind ein wesentlicher Bestandteil des WEK. Neben der Entwicklung von Drucksache 18/5380 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Sicherungsinstrumenten bei neuen Baugebieten ist der Umgang mit Bestandsgebieten angesichts des schleichenden Umwandlungsprozesses von Dauerwohnraum immer ein wichtiger Handlungsstrang in den Überlegungen und Abstimmungen der letzten Jahre gewesen. Insbesondere geht es auch darum, grundsätzlich dem weiteren Verlust an Dauerwohnraum so weit wie möglich entgegenzuwirken, um den Bedarf an neuen Bauflächen vor dem Hintergrund des nur begrenzt zur Verfügung stehenden Flächenangebots in dem naturschutzfachlich i.d.R. sehr sensiblen Landschaftsraum der Insel deutlich zu begrenzen. Hierzu hat das WEK in einem rechtsgutachterlichen Teil Empfehlungen formuliert, die von den Gemeinden zunächst beschlossen worden sind. Die auch dort empfohlene Festsetzung eines bestimmten Anteils von Dauerwohnraum an der Geschossfläche ist aus Sicht des Landes vorrangig für Neubaugebiete geeignet, die Struktur der Gebiete dauerhaft zu sichern und eine Umwandlung von Dauerwohnraum zu erschweren. Dabei wird die Festlegung eines prozentualen Anteils für Dauerwohnungen als durchaus geeignetes Instrument zur Entwicklung und Sicherung von Gebieten mit einer touristischen Mischnutzungsstruktur eingeschätzt; der Prozentsatz sollte aber entsprechend der jeweils anzutreffenden Struktur des Plangebietes individuell festgelegt und nicht als einheitliche Größe für alle Planungen pauschaliert werden. 1. a) Ist auf Sylt ein Sondergebiet für das Dauerwohnen oder für Dauerwohnen und Fremdenbeherbergung rechtmäßig, das bei Wohngebäuden die Umnutzung von Dauerwohnraum erst ab einer Wohnfläche von 130 qm verhindert (sogenannte 130/60-Regelung)? Antwort: Die Regelung geht konzeptionell davon aus, dass ein Erfordernis zum Schutz einer Dauerwohnnutzung erst ab einer Mindestgröße der Wohnfläche von 130m² Wohnfläche besteht. Die aufgezeigte Mindestgröße einer Wohnnutzung leitet sich dabei nicht erkennbar aus einer städtebaulich spezifischen Struktur von Wohnungsbeständen ab, so dass hier kein besonderer Schutzanspruch zu definieren wäre. Es bestehen insoweit grundlegende Bedenken gegen einen derartigen Regelungsansatz (vgl. hier: 130 m² Wohnfläche gemäß Beschluss der Gemeindevertretung Sylt vom 21.04.2016). Diese pauschale Vorgabe scheint den unterschiedlichen Bebauungsstrukturen auf der Insel Sylt nicht gerecht zu werden. Es ist zu befürchten, dass damit weitgehend über den reinen Bestandschutz hinaus für einen Großteil des Gebäudebestandes die Dauerwohnnutzung nicht mehr als Leitnutzung vorgegeben und im Einzelfall somit sogar bauplanungsrechtlich ein Anreiz zur Unterschreitung der Grenzgröße definiert wird, um eine ggf. wirtschaftlich attraktivere Zweit- oder Ferienwohnnutzung umzusetzen. In seiner bisherigen Herleitung und Begründung erscheint ein solcher Ansatz bauplanungsrechtlich schwerlich gangbar. b) Ist es Aufgabe der Landesplanung oder der Kommunalaufsicht gegen entsprechende Planungen der Sylter Kommunen einzuschreiten und ist dies beabsichtigt ? Wenn ja, in welcher Form? Antwort: Gemäß § 1 Abs. 4 BauGB sind Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/5380 3 anzupassen. In der Vorbemerkung wurde ausgeführt, dass das WEK die raumordnerischen Vorgaben konkretisieren bzw. in Teilen ersetzen soll. In Bauleitplanverfahren ist die Landesplanung zu beteiligen. Im Rahmen der erforderlichen Bauleitplanverfahren wird die Landesplanungsbehörde durch ihre Stellungnahmen ggf. auf Zielkonflikte oder Abweichungen von dem WEK hinweisen. Die Gemeinden sind grundsätzlich gehindert, Bauleitpläne in Kraft zu setzen, die nicht den Zielen der Raumordnung entsprechen. Die Gemeinden stellen eigenverantwortlich ihre Bebauungspläne auf, im Aufstellungsverfahren des Bebauungsplanes ist ein Genehmigungsverfahren, mithin eine Rechtsprüfung des Planinhalts, nicht vorgesehen. Es steht im Ermessen der Landesplanungsbehörde, eine Anpassung des Planinhalts eines rechtswirksamen B-Planes ggf. über ein Anpassungsverlangen gem. § 18 LaPlaG auszusprechen. Sofern die Gemeinde parallel auf Ebene des Flächennutzungsplanes tätig wird, sind diese vom Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten zu genehmigen bzw. zu beanstanden. 2. Ist auf Sylt ein Sondergebiet für das Dauerwohnen oder für Dauerwohnen und Fremdenbeherbergung rechtmäßig, das bei Wohngebäuden die Umnutzung von Dauerwohnraum erst ab einer Wohnfläche von 60 oder 90 qm verhindert? Antwort: Siehe Antwort zu Frage 1. 3. Nach dem Wohnraumentwicklungskonzept ist der zur Dauerwohnungsnutzung vorgegebene Prozentsatz "je nach Gebietsprägung" individuell festzulegen. a) Bei welcher Gebietsprägung sind welche Prozentsätze zulässig? Antwort: Die Frage ist pauschal nicht zu beantworten. Ein Planungsansatz mit einer derartigen Festsetzung ist unter verschiedenen Aspekten zu bewerten: - Der Regelungsansatz ist für Neubaugebiete geeignet, die von vornherein ein bestimmtes Bedarfssegment bedienen sollen. Durch die Festsetzung eines prozentualen Minimalwertes für die Dauerwohnnutzung ließe sich in touristisch geprägten Bereichen z.B. ein Wohngebiet ausweisen, das untergeordnet auch Ferienwohnnutzungen z.B. in Form von Einliegerwohnungen zulässt. Für Bestandsgebiete wäre demgegenüber zu prüfen, in welchem Umfang und in welcher Struktur im Plangebiet neben dem Dauerwohnraum auch Ferienwohnraum vorhanden ist. Auf der Basis einer Bestandserfassung kann in der gemeindlichen Abwägungsentscheidung für einzelne Teilgebiete ein Regelungsansatz entwickelt werden, der unter dem Aspekt des Bestandsschutzes der Dauerwohnnutzung weiterhin den Vorrang einräumt und im Hinblick auf die spezifischen Bedarfe einer touristisch geprägten Region eine Ferienwohnnutzung als untergeordnete Nebennutzung (ggf. auch in prozentualer Zuordnung) zulässt. - Unter rechtsformalen Gesichtspunkten wäre zu prüfen, ob der Regelungsansatz von einer hinreichend städtebaulich zu begründenden, in Drucksache 18/5380 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 sich konsistenten Intention getragen wird und ob die getroffenen Festsetzungen geeignet sind, die Zielsetzungen treffgenau erreichen zu können. Die Bewertung hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab. - Unter rechtstechnischen Gesichtspunkten wäre zu prüfen, ob sich die Regelung aus einem Regel-Ausnahme-Ansatz entwickelt oder ob dem Ansatz eine Regelvermutung zugrunde gelegt werden kann. b) Bei welcher Gebietsprägung wäre eine Vorgabe, dass mindestens 40% von Wohngebäuden für die dauerhafte Bewohnung vorzusehen sind, zu weit gehend? Antwort: Siehe Antwort zu Frage 3a. Gebietsbezogene Festsetzungen sind grundsätzlich unzulässig, soweit durch den Regelungsansatz quasi ein ‚Windhundrennen‘ für die attraktivste Nutzung ausgelöst würde. Der Festsetzungsansatz muss sich daher auf das einzelne Baugrundstück beziehen. Die Festsetzung eines Bebauungsplanes muss umsetzbar und vollziehbar sein. Soweit ein Bestandsgebiet z.B. als Ferienwohngebiet bauplanungsrechtlich ausgewiesen und realisiert ist, ginge ein derartiger Regelungsansatz weitgehend ins Leere, da für die bestehende Nutzung ein Bestandschutz gegeben und auf absehbare Zeit kaum bauliche Veränderungen zu erwarten sind.