SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/5415 18. Wahlperiode 2017-04-25 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Patrick Breyer und Antwort der Landesregierung – Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Konzept „MarktTreff“ Vorbemerkung des Fragestellers: Aufgrund des Landesentwicklungsplanes für Schleswig-Holstein soll eine Konzentration von Wohnraum in den Zentralen Orten erfolgen. Der ländliche Raum wird für Wohnraum und Gewerbeansiedlungen weniger berücksichtigt. Folge davon ist, dass kleine Lebensmittelläden, Dorfgasthöfe und ähnliche Unternehmen zunehmend schließen. Die Versorgung der Restbevölkerung wird problematisch. Dem soll das Konzept „MarktTreff“ [www.markttreff-sh.de] entgegenwirken. Vorbemerkung der Landesregierung: In Schleswig-Holstein gibt es 122 Zentrale Orte, von denen nach dem Landesentwicklungsplan 86 in den ländlichen Räumen liegen. Sie sind dort nicht nur Schwerpunkte für Wohnen und Gewerbe, sondern auch für die Handels- und Dienstleistungsinfrastruktur . In dieser Funktion leisten sie gerade in den ländlichen Räumen einen wesentlichen Beitrag zu einer wohnortnahen Versorgung der Bevölkerung. 1. Welche Bedeutung misst die Landeregierung dem Konzept „MarktTreff“ bei und welche Maßnahmen werden zu dessen Umsetzung durchgeführt bzw. werden durchgeführt werden bzw. sind in Planung? Der demografische Wandel stellt die Sicherung der Daseinsvorsorge in den ländlichen Regionen vor große Herausforderungen. Attraktive Angebote in den Bereichen Drucksache 18/5415 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Nahversorgung, Gesundheit, Bildung, soziale Dienste und Mobilität sollen erhalten werden, um die Lebensqualität für die dörfliche Bevölkerung in Schleswig-Holstein zu sichern. Da die Sicherung der Nahversorgung ein Anliegen vieler ländlicher Gemeinden ist, wird die Entwicklung neuer MarktTreff-Standorte auch weiterhin einen Schwerpunkt bei der Förderung der Integrierten Ländlichen Entwicklung (ILE) bilden. Das Projekt MarktTreff ist über die Landesgrenzen hinaus als vorbildliches Modell zur Sicherung der Nahversorgung anerkannt und wird bundesweit bei Veranstaltungen, in Veröffentlichungen , in Forschungsarbeiten präsentiert, diskutiert und als Impulsgeber geschätzt . Das MarktTreff-Konzept basiert auf einem multifunktionalen Ansatz mit einer Bündelung von Funktionen, um eine nachhaltige Tragfähigkeit sicher zu stellen. Alle Säulen stärken sich gegenseitig. Konzeptionell ist dies im Drei-Säulen-Modell verankert: „Einkaufen / Kerngeschäft“, „Dienstleistungen“ und „Treffpunkt“. MarktTreff basiert auf einer engen Partnerschaft zwischen Gemeinde, Betreiber und Bürgerschaft. Jeder MarktTreff wird von der Gemeinde gemeinsam mit den örtlichen Akteuren entwickelt und auf die Bedürfnisse vor Ort maßgeschneidert. Daraus ist eine große Vielfalt an individuellen MarktTreffs entstanden, die alle durch eine gemeinsame Idee verbunden sind. Zur Stärkung/Unterstützung bestehender Standorte und zur inhaltlichen Weiterentwicklung des Konzepts „MarktTreff“ werden u. a. jährliche Standortbereisungen und Erfahrungsaustauschgruppen durchgeführt sowie neue innovative Ansätze (z. B. genossenschaftliche Betreibermodelle, mobile Nahversorgung etc.) entwickelt . Weiterhin erfolgt eine Begleitung durch zahlreiche landesweite Verbände (MarktTreff-Partner) im Rahmen des landesweiten MarktTreff-Beirates. Das Konzept MarktTreff wird somit ständig weiter entwickelt und an neue Rahmenbedingungen angepasst. MarktTreffs werden zunehmend zu Motoren einer zukunftsorientierten Dorf-Innenentwicklung. Es entstehen neue Dorfzentren mit vielfältigen Versorgungsangeboten in Verbindung mit neuen Wohnformen im Dorfmittelpunkt. 2. An welchen Standorten und mit welchem wirtschaftlichen Erfolg werden „Markt Treffs“ betrieben? MarktTreff- Gemeinde Kreis Hinweise / Besonderheiten Eröffnung Einwohner 1 Steinfeld SL 1999 743 2 Munkbrarup SL 1999/03 1.067 3 Tetenhusen SL 1999 857 4 Stadum NF 1999/01 1.051 5 Kasseedorf (inkl. Dorfplatz ) OH 2001 1.547 6 Kirchbarkau PLÖ seit 2016 Genossenschaft als Betreiberin MT „Barkauer Land“ 2001 735 3 7 Ladelund NF 2001 1.520 8 Neuwittenbek RD 2001 1.299 9 Klein Rönnau SE 2002 1.399 10 Probsteierhagen PLÖ 2002 1.858 11 Hasenkrug SE 2002 368 12 Großsolt SL 2002 1.896 13 Christiansholm RD 2003 260 14 Witzwort NF 2003/04 968 15 Haselund NF 2004 866 16 Schwabstedt NF 2005 1.346 17 Gülzow RZ 2005 1.302 18 St. Margarethen IZ 2005 998 19 Medelby SL 2005 893 20 Beidenfleth IZ Inkl. GesundheitsTreff 2006 / 2008 926 21 Alt Duvenstedt RD 2006 1.879 22 Negernbötel SE 2006 1.048 23 Brodersby SL 2007 506 24 Jörl SL 2007 844 25 Koberg RZ 2008 760 26 Linau RZ Markenvertrag / ohne Förderung 2010 1.190 27 Rendswühren PLÖ Markenvertrag / ohne Förderung 2011 796 28 Rantrum NF 2012/2014 1.645 29 Borgstedt RD Markenvertrag / ohne Förderung 2012 1.315 30 Schwesing NF Kooperationsprojekt zweier MarktTreffs 2013 925 31 Wester-Ohrstedt NF 2013 1.051 32 Heidgraben PI Bürgergenossenschaft / Beteiligung an Finanzierung der Ladeneinrichtung 2014 2.397 33 Morsum NF 2014 1.100 34 Hohenfelde PLÖ 2014 1.073 35 Hennstedt HEI 2015 1.925 36 Delve HEI Markenvertrag / ohne Förderung / Bürgergenossenschaft 2015 679 37 Sehestedt RD 2016 832 37 MarktTreff-Standorte sind seit 1999 realisiert worden. Weitere ca. zehn sind in der Planung, drei in der Umsetzung. Die Frage nach dem „wirtschaftlichem Erfolg“ lässt sich nicht pauschal beantworten, da jeder MarktTreff-Standort ein eigenes Konzept mit einer individuellen Gewichtung des Bausteines „Kerngeschäft“ (Lebensmittel oder Gastronomie) hat. Ein Indiz für den allgemeinen wirtschaftlichen Erfolg aller 37 MarktTreffs ist jedoch die Tatsache, dass trotz der grundsätzlich angespannten Lage im Lebensmitteleinzelhandel bis heute noch kein Standort dauerhaft geschlossen werden musste. Der MarktTreff hat sich insofern als sehr krisenfest erwiesen. Auch in 2016 hat sich ins- Drucksache 18/5415 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 gesamt wiederum ein stabiles wirtschaftliches Gesamtbild bei den bestehenden MarktTreffs gezeigt. Die Mehrzahl der Standorte ist wirtschaftlich stabil, einige steigerten sogar Umsatz und Ertrag. Andere Standorte sind in einer Auf- bzw. Umbruchsphase. Einige dieser Standorte wurden bzw. sind vorübergehend geschlossen. Einzelne wenige Standorte sind in kritischer Lage. Krisensituationen wurden bisher stets gelöst – zum Teil durch Wechsel des Betreibers oder durch konzeptionelle, innovative Änderungen. 2 A. Welche Fördermöglichkeiten gibt es im Zusammenhang mit „MarktTreffs“ für Kommunen und private Investoren und welche Voraussetzungen gelten für solche Fördermaßnahmen? In der aktuellen ELER-Förderperiode 2014-2020 stehen im Rahmen des Landesprogramms Ländlicher Raum (LPLR) ELER-Mittel für die Umsetzung von lokalen Basisdienstleistungen (insbesondere Bildungs- und Nahversorgungsprojekte) in Höhe von insgesamt 14 Mio. Euro zur Verfügung. Die ELER-Mittel können im Rahmen zur Verfügung stehender Haushaltsmittel durch GAK-Mittel ergänzt werden. Über die Förderung neuer MarktTreffs und neuer BildungsHäuser wird im Rahmen eines jährlichen landesweiten ELER-Projektauswahlverfahrens entschieden. Die vorbereitenden Machbarkeitsstudien können auch über die LAG-AktivRegionen gefördert werden. Drei Projektauswahlverfahren wurden seit 2015 durchgeführt. Drei MarktTreffs wurden dabei zur Förderung ausgewählt (Wiemersdorf, Todenbüttel, Rickling). Stichtag für das nächste ELER-Auswahlverfahren ist der 1. April 2018. Rechtsgrundlage zur Förderung von MarktTreffs ist seit 1999 die Richtlinie zur Förderung der integrierten ländlichen Entwicklung in Schleswig-Holstein (ILE-Richtlinie). Aktuell: ILE-Richtlinie vom 1. Oktober 2015, gem. Ziffer 2.1. oder 2.2. „lokale Basisdienstleistungen in ländlichen Gebieten“. Die grundsätzlichen Rahmenbedingungen für MarktTreffs haben sich seit 2000 nicht geändert. Außer Gemeinden und Gemeindeverbänden kommen heute allerdings auch noch juristische Personen des öffentlichen Rechts als Zuwendungsempfänger in Frage (gem. Ziffer 3.1. / 3.2. ILE-Richtlinie). Bei Kommunen beträgt die max. Förderquote 75%, bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts max. 53% (gem. Ziffer 5.3. / 5.4. der ILE-Richtlinie). Auch in diesen Fällen ist weiter die Einbindung der Gemeinde in die Projektentwicklung / -umsetzung erforderlich. Eine Förderung von Privatpersonen ist nicht möglich. Die Fördermittel können als Anschubförderung der baulichen Investition sowie für die konzeptionellen Leistungen eingesetzt werden. Betriebskosten können nicht gefördert werden. Der Zuwendungsempfänger der Fördermittel muss sicherstellen, dass der Betrieb gemäß den Förderbestimmungen 12 Jahre lang aufrechterhalten wird. Die Gemeinde – meist Eigentümerin der MarktTreff-Immobilie – verpachtet das 5 Kerngeschäft in der Regel an einen selbständigen Betreiber. Spezifische Fördergrundlagen für MarktTreffs: eine Gemeinde oder ein Ortsteil mit weniger als 2.500 Einwohnern Die max. Größe des Lebensmittelkerngeschäfts liegt bei ca. 400 qm. Bestehende Grundversorgungseinrichtungen dürfen nicht durch den MarktTreff gefährdet werden (Prüfung auf Wettbewerbsverträglichkeit). Die Gemeinde muss gemeinsam mit den BürgerInnen ein tragfähiges MarktTreff- Gesamtkonzept erarbeiten, das die drei Säulen Kerngeschäft, Dienstleistungen, Treffpunkt beinhaltet. Seit 2013 sollen verstärkt innovative Formen der Finanzierung und Trägerschaft (z. B. Genossenschaft, Bürgergemeinschaften) für den Betrieb eines MarktTreffs entwickelt und erprobt werden. Zuwendungsempfängerin für die Investition bleibt jedoch die Gemeinde bzw. die juristische Person des öffentlichen Rechts. Das Einbringen von Mitteln einer Genossenschaft in die Gesamtfinanzierung der Investition als Drittmittel ist möglich und erwünscht. 3. In wie vielen Fällen und für welche Standorte wurde über 2. hinaus von Privaten Interesse für die Errichtung und den Betrieb eines „MarktTreffs“ bekundet? 4. Wurden bei 3. jeweils Bau- und Förderanträge gestellt und wie wurden diese An träge beschieden? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Anfragen von Privaten sind seit 1999 nur vereinzelt erfolgt, da sowohl in der öffentlichen Darstellung (Internetauftritt „MarktTreff“) als auch in der Erstberatung durch das landesweite MarktTreff-Projektmanagement bzw. durch das LLUR die Fördervoraussetzungen (u.a. Zuwendungsempfängerin muss die Gemeinde sein) immer sofort erläutert und geklärt werden. Seit 2010 besteht jedoch die Möglichkeit einer Markenübertragung auch an private Träger, jedoch ohne Förderung. Bis 2017 wurden vier MarktTreffs (Linau, Rendswühren , Borgstedt und Delve) eröffnet, die ohne Förderung in die „MarktTreff-Familie“ aufgenommen wurden. Zentrale Voraussetzung für die Markenübertragung ist die Umsetzung des 3-Säulenmodells. 5. Falls Anträge abgelehnt wurden oder werden: Gibt es die Möglichkeit, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen? Wurden in der Vergangenheit Ausnahmegenehmigungen beantragt? Drucksache 18/5415 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 6 Falls ja: Wie wurden diese Anträge beschieden? Falls sie abgelehnt wurden: Warum? Grundsätzlich besteht auf der Grundlage der LHO in besonderen Härtefällen die Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen. Bei der Förderung mit GAK- Mitteln sind allerdings die Fördervoraussetzungen des GAK-Rahmenplans einzuhalten und bei der Förderung mit EU-Mitteln die Fördervoraussetzungen des jeweils geltenden EU-Programms. Damit ist z.B. der Kreis der möglichen Zuwendungsempfänger begrenzt. Eine Förderung könnte dann allenfalls mit Landesmitteln erfolgen, die im Haushalt bislang nicht vorgesehen sind/waren. Die Bitte um die Prüfung einer Ausnahmegenehmigung für die Förderung eines Privaten hat es nur in einem Fall gegeben. In den über Jahre andauernden Diskussionsprozess zu diesem Vorhaben war die Landesregierung eingebunden und hat die Akteure immer wieder in den Bemühungen unterstützt, eine tragfähige Lösung für die Errichtung eines MarktTreffs herbeizuführen. Eine Ausnahmegenehmigung wurde seitens der Landesregierung nicht für sinnvoll erachtet, da das Konzept MarktTreff als partnerschaftliches Projekt von Gemeinde, Betreiber und BürgerInnen getragen werden muss und der Erfolg eines MarktTreffs eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten erfordert. Dies war in dem vorliegenden Fall nicht gegeben.