SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/5432 18. Wahlperiode 2017-05-17 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Patrick Breyer (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung – Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Verklappung von Baggergut in der Nordsee - Bewertungskriterien der Schadstoffbelastung Bei der Verklappung von Baggergut müssen, neben Vorgaben der GÜBaK 5, die „strengen Umweltauflagen“ im Rahmen der Zulassungsvereinbarungen 6 mit Hamburg eingehalten werden. Im Sinne transparenten Handelns sollte es kein Problem sein, neben Messdaten auch Schadstoffrichtwerte und weitere Kriterien unaufgefordert und zeitnah zu veröffentlichen , welche für die Genehmigung von Baggergutverbringung entscheidend sind. 1. Wie lauten die schleswig-holsteinischen „Schwellenwerte“ für jeden Parameter , welcher im Rahmen des Einvernehmens und der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 25. April 2016 gemessen werden muss, um die Schadstoffbelastung des Hamburger Baggerguts mit Hinsicht auf Verbringung bei Tonne E3 zu bewerten? Bitte für jeden der drei Hafenbereiche (Norderelbe, Köhlbrand, Süderelbe) separat angeben. Grundlage für die Schadstoffbewertungen des Baggerguts und dessen Auswirkungen sowie Erfüllung der diesbezüglichen Maßgaben aus den schleswigholsteinischen Zulassungen sind die parameterbezogenen Richtwerte, die in den „Gemeinsamen Übergangsbestimmungen des Bundes und der Küstenländer zum Umgang mit Baggergut in Küstengewässern (GÜBAK)“ vom Drucksache 18/5432 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 24.9.2009 im Abschnitt 4.4 für Baggergut, das in die Nordsee bzw. in die Ostsee eingebracht werden soll, festgelegt sind (s. http://www.bafg.de/Baggergut/DE/04_Richtlinien/guebag.pdf?__blob=publicationFile). Ergänzend fließen die nationalen Umweltqualitätsnormen für Schadstoffe, die in der einschlägigen Verordnung zum Schutz der Oberflächengewässer (Oberflächengewässerverordnung - OGewV) vom 20.06.2016 (s. https://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/ogewv_2016/gesamt.pdf) enthalten sind, sowie weitere international im Rahmen des Oslo- und Paris Übereinkommens (OSPAR) vereinbarte Schwellenwerte in die Bewertungen ein. Zusätzlich gibt es durch die für Hamburg geltenden Zulassungen für die Verbringung von Baggergut aufgrund der Einstufung des Materials nach GÜBAK in diesem Fall weitere Auflagen, die verbindlich sind. Diese in den Zulassungen als „Schwellenwerte“ bezeichneten Vorgaben konkretisieren lediglich die Anforderungen der GÜBAK in Bezug auf die aktuelle Maßnahme. Demnach darf gemäß Auflage 2.11 die Schadstoff- und ökotoxikologische Belastung des zukünftig für die Einbringung vorgesehenen Baggerguts nicht höher sein als die des bisher ins Schlickfallgebiet zu Tonne E3 verbrachten Sediments: „Dazu dürfen die Sedimente aus den einzelnen Teilbereichen nur dann eingebracht werden, wenn der arithmetische Mittelwert (Schwellenwert 1) ihrer jeweiligen chemischen Parameter (…) nicht statistisch signifikant höher ist als die entsprechenden arithmetischen Mittelwerte derselben Teilbereiche aus den Jahren 2005 bis 2015 (…). Darüber hinaus dürfen Sedimente nur dann eingebracht werden, wenn ihre Belastungen mit HCB, TBT sowie Summe 6 DDX und Metabolite die für den jeweiligen Teilbereich zwischen 2005 und 2015 ermittelten 90-Perzentil-Werte (Schwellenwert 2) nicht statistisch signifikant übersteigen“. Die für die oben genannte Bewertung maßgeblichen Mittelwerte sind in der folgenden Tabelle dargestellt: Norderelbe Köhlbrand Süderelbe Parameter Einheit Mittelwert 2005 - 2015 Mittelwert 2005 - 2015 Mittelwert 2005 - 2015 Arsen < 20 µm mg/kg TS 35 35 36 Blei < 20 µm mg/kg TS 87 90 95 Cadmium < 20 µm mg/kg TS 3 2,8 3,6 Chrom < 20 µm mg/kg TS 77 81 75 Kupfer < 20 µm mg/kg TS 72 72 84 Nickel < 20 µm mg/kg TS 43 43 43 Quecksilber < 20 µm mg/kg TS 2 1,8 1,9 Zink < 20 µm mg/kg TS 573 613 701 TBT (Gesamtfraktion) µg/kg TS 82 84 73 KWST < 63 µm mg/kg TS 161,7 178,6 260,1 PAK16 < 63 µm mg/kg TS 2,0 2,5 2,5 PCB7 < 63 µm µg/kg TS 19,2 20,9 20,3 a-HCH < 63 µm µg/kg TS 0,7 1,0 1,3 g-HCH < 63 µm µg/kg TS 0,4 0,4 0,4 p,p'-DDE < 63 µm µg/kg TS 4,2 4,8 6,4 p,p'-DDD < 63 µm µg/kg TS 11,9 14,4 18,5 p,p'-DDT < 63 µm µg/kg TS 2,7 5,2 9,4 PeCB < 63 µm µg/kg TS 1,1 1,7 2,2 HCB < 63 µm µg/kg TS 6,4 9,3 12,5 3 Bezgl. der Einhaltung der Auflagen wird auf die jeweils vor der Verbringung durch die Hamburg Port Authority veröffentlichten Freigabeergebnisse verwiesen . 2. Welche statistische Methode wird mit welcher wissenschaftlichen Begründung angewendet, um die statistische Signifikanz von Überschreitungen der Schwellenwerte zu bewerten? Das statistische Verfahren zur Prüfung der Einhaltung der Schwellenwerte wurde durch die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) aufgrund aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse ausgewählt. Danach zeigte die Auswertung der bisherigen Untersuchungen der Baggerbereiche, dass die Bedingungen der Normalverteilung und einer Varianzhomogenität der verschiedenen Gruppen für einen parametrischen Test für die meisten Datensätze nicht gegeben sind. Als geeigneter Test für einen Vergleich wird daher zur Prüfung auf signifikante Unterschiede der Test nach Nemenyi-Damico-Wolfe-Dunn (NDWD- Test) (Hollander & Wolfe (1999), Seite 244) eingesetzt. Der NDWD-Test ist unabhängiger von der Zusammensetzung des Datenkollektivs als die Signifikanzprüfung zwischen zwei Gruppen nach dem Test von Wilcoxon oder Mann-Whitney (U-Test) (Pohlert 2014). Für die Parameter HCB, TBT sowie die Summe 6 DDX und Metabolite ist gemäß schleswig-holsteinischer Zulassungen außerdem die Signifikanz der Unterschiede zwischen den Werten der aktuellen Belastungen des Baggergutes aus den vorgegebenen Baggerbereichen und den Q90-Perzentil-Werten des Vergleichszeitraums (2005-2015) der jeweiligen Teilbereiche erforderlich. Dabei ist die Messunsicherheit zu berücksichtigen. Sie ergibt sich aus der Standardabweichung der Mittelwertdifferenzen von Doppelbestimmungen. Die Bestimmung des prozentualen Variationskoeffizienten (VK) erfolgt dabei nach der Vorlage von Baumgarten & Schmid (2002), die sich auf das Verfahren der EURACHEM/CITAC (2003) bezieht. Bei der Angabe der Messunsicherheit ist der Messwert mit dem VK und einem Faktor 2 zu multiplizieren (Baumgarten & Schmid, Anlage 3.1 und 3.2). Baumgarten, D., Schmid, T. (2002): Handbuch Altlasten, Analysenverfahren – Fachgremium Altlastenanalystik.-Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie, Band 7, Teil 6, 2. Fassung Okt 2003., pp.27, Wiesbaden, Hrsg. Adolph, W., Institut Fresenius. EURACHEM/CITAC Guide (2003): Ermittlung der Messunsicherheit bei analytischen Messungen , 2. Auflage: http://www.iswa.uni-stuttgart.de/ch/aqs/pdf/quam2000de_v2.pdf (23.06.2016) Hollander, M. & Wolfe, D. A. (1999): Nonparametric Statistical Methods.-Wiley Series in Probability and Statistics, John Wiley & Sons , 2. Edition - February 1999, pp. 816 BfG (2010): Zwischenbericht 2008 - Überprüfung der ökologischen Auswirkungen der Verbringung von Baggergut aus der Hamburger Delegationsstrecke der Elbe auf die Verbringstelle Tonne E3 nordwestlich von Scharhörn im Rahmen des Sedimentmanagementkonzeptes Tideelbe.- BfG-1659 3. August 2010, pp.191 Pohlert,T. (2014): The Pairwise Multiple Comparison of Mean Ranks Package (PMCMR).R package. http://CRAN.R-project.org/package=PMCMR Drucksache 18/5432 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 3. Wurden die individuellen Schadstoffwerte von 2005 bis 2015, welche für das Berechnen der Schwellenwerte herangezogen wurden, veröffentlicht? Wenn ja, wo? Wenn nein, warum nicht? 4. Wer hat die Schadstoffdaten für die Berechnung der Schwellenwerte zur Verfügung gestellt? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet: Die den Zulassungen zugrundeliegenden Schwellenwerte sind im Wesentlichen die Richtwerte der GÜBAK (s. Antwort zu Frage 1). Sämtliche auf die Verbringung des Hamburger Baggerguts bei Tonne E3 bezogene Schadstoffwerte werden von der Hamburg Port Authority veröffentlicht (http://www.hamburg-port-authority.de/de/presse/studien-undberichte /Seiten/default.aspx). 5. Wer hat die Berechnungen der Schwellenwerte für die Schadstoffe und dazugehörige statistische Daten durchgeführt? 6. Wer hat die Richtigkeit der Berechnungen der Schwellenwerte für die Schadstoffe und dazugehörige statistische Daten verifiziert? Die Fragen 5 und 6 werden gemeinsam beantwortet: Die Berechnung und Verifizierung der maßnahmenbezogenen Schwellenwerte für die Schadstoffe und die dazugehörigen statistischen Daten wurden von der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) durchgeführt.