SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/580 18. Wahlperiode 2013-03-18 Kleine Anfrage des Abgeordneten Oliver Kumbartzky (FDP) und Antwort der Landesregierung – Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Endlagerkapazitäten für radioaktiv strahlende Abfälle Vorbemerkung: Im vergangenen Jahr kam es auf Bundesebene zu keiner Einigung auf ein Endlagersuchgesetz. Es bleibt daher derzeit offen, was mit den radioaktiven Abfällen der Kernkraftwerke nach deren Abbau geschehen wird. Derzeit werden die Abfälle in Zwischen- lagern an den Kraftwerkstandorten gelagert, die jedoch einen begrenzten Genehmigungs- zeitraum besitzen. Im Jahr 2012 stellten die Betreiber des Kernkraftwerks Brunsbüttel einen Antrag auf Stilllegung und Abbau der Anlage. 1.) Ist die Schaffung geeigneter Endlagerkapazitäten für radioaktiv strahlende Abfälle nach Auffassung der Landesregierung eine wichtige politische Zielsetzung auf Bun- des- und Landesebene? Ja. Die Einrichtung von Anlagen zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle ist eine gesetzliche Verpflichtung, die gemäß § 9a Abs. 3 Atomgesetz der Bund zu erfüllen hat. 2.) Welche aktuellen Informationen hat die Landesregierung hinsichtlich des Zeitpunkts der Bereitstellung von Endlagern für a) schwach- und mittelradioaktive Abfälle bzw. b) stark radioaktive Abfälle Drucksache 18/580 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 in Deutschland? Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen des Bundes zur Sicherstellung und zur Endlage- rung radioaktiver Abfälle obliegen dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Das BfS geht derzeit davon aus, dass das für schwach- und mittelradioaktive Abfälle vorgesehene Endla- ger Konrad in Niedersachsen nicht vor 2019 in Betrieb gehen kann. In Bezug auf ein Endlager für hochradioaktive Stoffe wird im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit derzeit der Entwurf eines Standortauswahlgesetzes vor- bereitet. Nach dem letzten der Landesregierung bekannten Planungsstand soll das Stand- ortauswahlverfahren bis zum Jahr 2029 abgeschlossen sein. 3.) Was sind nach Einschätzung der Landesregierung die Auswirkungen fehlender End- lagerkapazitäten für den vorgesehenen Abbau des Kernkraftwerks Brunsbüttel? In Bezug auf das Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle vertritt das BfS (http://www.bfs.de/de/endlager/publika/rueckbau.html) insoweit folgenden Standpunkt, der von der Landesregierung geteilt wird: „Die endgültige Stilllegung von Brunsbüttel hängt nicht vom Betriebsbeginn des Endlagers Konrad ab. Dieser Zusammenhang ist nicht nachvollziehbar, denn:  Nach der Abschaltung eines Reaktors müssen beispielsweise allein die hochradioak- tiven abgebrannten Brennelemente mindestens fünf Jahre im Reaktor oder Abkling- becken bleiben, ehe sie in sogenannte Castor-Lagerbehälter gebracht werden kön- nen.  Zwischen der Abschaltung und dem Beginn des Rückbaus vergehen zusätzlich wei- tere Jahre. Das Endlager Konrad ist jedoch nur für schwach- und mittelradioaktive Abfälle zugelassen und nicht für Brennelemente. Der Rückbau und der damit einhergehende Anfall von großen Mengen konradgängiger Abfälle können daher erst beginnen, wenn  das Kernkraftwerk kernbrennstofffrei ist und  eine entsprechende Genehmigung vorliegt. Die beim späteren Rückbau anfallenden schwach- und mittelradioaktiven Abfälle, wie etwa radioaktiv kontaminierte Gebäudeteile, müssen dann zunächst endlagergerecht verpackt (konditioniert) und in einem Zwischenlager (meist am Standort) gelagert werden, bevor sie nach einem mit allen Abfallerzeugern abgestimmten Zeitplan ins Endlager angeliefert werden können“. Das Zwischenlager für hochradioaktive Stoffe am Standort Brunsbüttel (wie an anderen Kraftwerksstandorten auch) hat das BfS für einen Zeitraum von 40 Jahren ab dem Zeitpunkt der Einlagerung des ersten Behälters genehmigt. Laut BfS erging diese Befristung, „da nach Ablauf dieses Zeitraums nach Planung der Bundesregierung ein Endlager zur Ver- fügung stehen soll.“ Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/580 3 Vor diesem Hintergrund haben die derzeit noch fehlenden Endlagerkapazitäten nach Auffas- sung der Landesregierung für den vorgesehenen Abbau des Kernkraftwerks Brunsbüttel keine Auswirkungen. 4.) Was beabsichtigt die Landesregierung zu unternehmen, um die Bereitstellung not- wendiger Endlagerkapazitäten zu beschleunigen? Den Zeitplan bis zur Inbetriebnahme des Endlagers Konrad hat die vom Bund beauftragte „Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH“ erstellt. Die schleswig-holsteinische Landesregierung sieht weder einen Anlass, diesen Zeitplan in Frage zu stellen noch eine Möglichkeit, das Verfahren zu beschleunigen. Das Standortauswahlgesetz bezüglich eines Endlagers für hochradioaktive Stoffe bereitet der Bund in engem Kontakt mit den Ländern vor. Der schleswig-holsteinischen Landesregie- rung kommt es vornehmlich auf ein ergebnisoffenes, transparentes Verfahren an, das die Anregungen aus der Bevölkerung einbezieht und die Gewähr dafür bietet, dass der geolo- gisch am besten geeignete Standort identifiziert wird. 5.) Was hat die Landesregierung seit Beginn der Legislaturperiode unternommen, um die Bereitstellung notwendiger Endlagerkapazitäten zu beschleunigen? Wie sich aus der Antwort auf Frage 1 ergibt, ist die Bereitstellung von Endlagern gemäß Atomgesetz Bundesaufgabe. Schleswig-Holstein unterstützt den Bund durch Mitwirkung im Bundesrat sowie in einschlägigen Fachgremien. 6.) Hat die Bundesratsinitiative zur Änderung des Atomgesetzes im Jahr 2012 nach Auf- fassung der Landesregierung dazu beigetragen, die Schaffung von Endlagern für ra- dioaktive Abfälle zu beschleunigen? Wenn ja, wie? Die schleswig-holsteinische Bundesratsinitiative im Jahr 2012 stand mit der Schaffung von Endlagern nicht im Zusammenhang. 7.) Beabsichtigt die Landesregierung im Bereich ihrer Zuständigkeit im Zuge des Abbaus von Kernkraftwerken die Einrichtung von Zwischenlagern auch für schwach- und mit- telradioaktive Abfälle an den Kernkraftwerksstandorten in Schleswig-Holstein? Die Vattenfall-Betreibergesellschaft hat im Stilllegungs- und Abbauantrag vom 1.11.2012 angekündigt, dass „die am Standort KKB vorhandenen sowie noch zusätzlich einzurichtenden Lagermöglichkei- ten, z.B. durch die Nutzungsänderung von Raumbereichen, Nutzung der externen, vorhan- Drucksache 18/580 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 denen Lagerungskapazitäten und/oder die Errichtung eines neuen Lagers für radioaktive Abfälle genutzt werden“ sollen. Konkrete Anträge gibt es insoweit noch nicht. 8.) Ist die Landesregierung der Auffassung, dass ein Abbau radioaktiv strahlender Bau- teile an Kernkraftwerken sinnvoll ist, bevor hierfür geeignete Endlager bereit stehen? Wie begründet die Landesregierung ihren Standpunkt? Die von Vattenfall angestrebten zusätzlichen Lagermöglichkeiten (siehe Antwort auf Frage 7) wären überflüssig, wenn man mit dem Abbau ohnehin erst nach der Bereitstellung geeigne- ter Endlager beginnen wollte. 9.) Befürwortet die Landesregierung eine ergebnisoffene Endlagersuche für stark radio- aktive Abfälle in Deutschland? Ja. 10.) Unterstützt die Landesregierung den politischen Standpunkt, in einem neuen Anlauf zur Endlagersuche für stark radioaktiven Abfall Gorleben als Standort von vornherein auszuschließen? Wie begründet die Landesregierung ihre Auffassung? Eine ergebnisoffene Standortsuche setzt anfangs eine „weiße Landkarte“ voraus. Der Aus- schluss ungeeigneter Standorte wird sich dann im Laufe des Verfahrens ergeben. 11.) Wie lange über den heutigen Genehmigungszeitraum hinaus könnten nach Auffas- sung der Landesregierung die bestehenden Standortzwischenlager an den Kernkraft- werksstandorten in Schleswig-Holstein weiter genehmigt bzw. auch betrieben werden? Wie in der Antwort auf Frage 3 ausgeführt, beruht der Genehmigungszeitraum von 40 Jahren nicht auf einer langfristigen Sicherheitsprognose, sondern auf der Erwartung, dass „nach Ablauf dieses Zeitraums nach Planung der Bundesregierung ein Endlager zur Verfügung stehen soll.“ Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob und ggf. für welchen Zeitraum das BfS bestehende Genehmigungen verlängern könnte, gegenwärtig nicht.