SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/674 18. Wahlperiode 2013-04-04 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Patrick Breyer (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung - Innenminister Beschwerdemanagement der Landespolizei Vorbemerkung: Im Folgenden wird unter einer Beschwerde jeder Vorgang verstanden, bei dem durch eine oder mehrere Personen Einwände (Behauptung der Sach- oder Rechtswidrig- keit) gegen polizeiliches Handeln der Polizei erhoben werden. Insbesondere darunter fallen Strafanzeigen, persönliche und sachliche Dienstaufsichtsbeschwerden, aber auch alle anderen, nicht konkret zuzuordnende Beschwerden (z.B. solche, bei denen der Vorwurf nicht gegenüber einer Person, sondern der Polizei allgemein erhoben wurde). Es wird darum gebeten, bei nach Typ der Beschwerde abweichenden Ant- worten entsprechend differenziert zu antworten. 1. Wie ist das Beschwerdemanagement der Landespolizei ausgestaltet? Insbe- sondere: a) Gibt es standardisierte Verfahrensabläufe bei Beschwerden? Wenn ja, wie sind diese ausgestaltet (insb. Zuständigkeiten, interne und gesetzliche Fristen, Dokumentation, Information und Anhörung)? Antwort: Das im Grundgesetz (Art. 17) und in der Landesverfassung (Art. 19) ver- briefte Petitionsrecht sowie das Dienstrecht sichern jedermann den An- Drucksache 18/674 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 spruch, geltend gemachtes Fehlverhalten von Mitarbeitern der Polizeibe- hörden dienstaufsichtlich überprüft und Mitteilung des Prüfergebnisses zu bekommen. Die Zuständigkeiten für die Prüfung und Beantwortung folgen- der Organisation. Dienstaufsichtsbeschwerden fallen grundsätzlich in die Zuständigkeit derjenigen, die die Dienstaufsicht ausüben. Polizeidirektio- nen üben Dienst- und Fachaufsicht über nachgeordnete Dienststellen aus und für deren und eigenes Personal. Das Landespolizeiamt übt Dienst- und Fachaufsicht über die Polizeidirektionen und eigenes Personal aus. Das Innenministerium übt Dienst- und Fachaufsicht über Landespolizei- amt, Landeskriminalamt und eigenes Personal aus (Polizeiorganisations- gesetz, Landesverwaltungsgesetz). Es ist zudem oberste Dienst- und Fachaufsichtsbehörde und damit Berufungsinstanz. Das Legalitätsprinzip des Landesdisziplinargesetzes beinhaltet für den Disziplinarvorgesetzten die Verpflichtung, zwingend Ermittlungen zur Auf- klärung des Sachverhalts anzuordnen, wenn „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ für ein Dienstvergehen vorliegen. Hinreichende Tatsachen ergeben sich aus Hinweisen von Verwaltungsangehörigen, aus Aktenvor- gängen und aus schriftlichen/mündlichen Mitteilungen Dritter, also auch aus Beschwerden, Urteilen, Mitteilungen von Behörden wie etwa solchen nach MiStra oder im Bußgeldverfahren. Zur Durchführung der eigentlichen Ermittlungen beauftragt der Disziplinar- vorgesetzte institutionalisierte Disziplinarermittler in der Polizeiabteilung des Innenministeriums, die den Weisungen des Disziplinarvorgesetzten unterliegen. Diese Disziplinarermittler gewährleisten: Spezialisierung, Zügigkeit und Wirksamkeit durch Routinen; Transparenz für Personalreferatsleitung und Polizeiabteilungsleitung in ihrer Eigenschaft als übergeordnete Disziplinar- vorgesetzte; landesweit gleichmäßige Standards. b) Wie wird damit umgegangen, wenn im Rahmen eines anderen (straf-, zivil- oder verwaltungs-) gerichtlichen oder sonstigen Verfahrens Einwendungen gegen polizeiliches Handeln erhoben werden? Existieren für diese Fälle bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft und anderen öffentlichen Stellen Verfahrensabläufe, die sicherstellen, dass der Beschwerde nachgegangen wird? Welche Dienstanweisungen, Erlasse oder allgemeine Richtlinien gibt es zum Umgang mit Beschwerden? Es wird darum gebeten, diese der Antwort beizufügen. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/674 3 Antwort: Auf die Antwort zu Frage 1.a) wird Bezug genommen. Seit dem 02.05.2005 stehen den Dienstvorgesetzten der Landespolizei drei zentrale Disziplinarermittler beim Personalreferat IV 44 im Innenminis- terium für die Durchführung von Ermittlungen zur Verfügung. Die Beauftragung der Ermittlungsbeamten wird über das Personalreferat IV 44 veranlasst. Somit wird sichergestellt, dass die oberste Dienstbehörde über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens unverzüglich unterrichtet ist. Die personelle Besetzung und Erreichbarkeit ist dem Geschäftsvertei- lungsplan des Innenministeriums zu entnehmen. Die örtlichen Zuständig- keiten werden intern geregelt und sind den Ämtern und Behörden der Lan- despolizei bekannt. Der Erlass „Zentrale Disziplinarermittler“ ist seit 2012 aufgehoben. Es bedarf seiner genau so wenig wie anderer Erlasse, um si- cherzustellen, dass allen Beschwerden nachgegangen wird. c) Ist das Beschwerdemanagement zertifiziert? Wenn ja, nach welchem Standard und durch wen? Antwort: Nein. d) Werden Stichprobenkontrollen zur Überprüfung der ordnungsgemäßen Durchführung von Beschwerdeverfahren eingesetzt? Antwort: Nein. Beschwerdeführer, die mit Prüfungsergebnissen nachgeordneter Dienstvorgesetzter nicht einverstanden sind, können sich an übergeordne- te Vorgesetzte oder den Petitionsausschuss wenden und tun das auch. 2. Wie viele Beschwerden und Einwände gegen polizeiliches Handeln wurden in den Jahren 2007 bis 2012 erfasst? Antwort: Eine statistische Auswertung liegt der Landesregierung nicht vor. a) Wie lang war die durchschnittliche Bearbeitungsdauer? Drucksache 18/674 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Antwort: Eine durchschnittliche Bearbeitungsdauer lässt sich nicht bestimmen. Sie ist individuell abhängig von der Komplexität der Beschwerde, von evtl. Krankheits-, Urlaubs- oder Fortbildungsabwesenheiten Beschwerter, die rechtlich anzuhören sind, und von der Zahl der zu beteiligenden Behörden und Dienststellen. Dienstaufsichtsbeschwerden, deren Inhalte auch eine strafrechtliche Dimension haben, können zudem aus rechtsstaatlichen Gründen nicht vor Abschluss der strafrechtlichen Beurteilung durch Staatsanwaltschaft und Gerichte zum Abschluss gebracht werden. Allge- mein kann über die Entscheidungspraxis in der Polizeiabteilung des In- nenministeriums berichtet werden, dass unverzüglich bearbeitet und ge- antwortet wird und dass Beschwerden wegen Verzögerung nicht bekannt geworden sind. b) Wie vielen Beschwerden und Einwendungen wurden als begründet und wie viele als unbegründet angesehen? Antwort: Eine statistische Auswertung liegt der Landesregierung nicht vor. c) Soweit sich der Verdacht von Straftaten ergeben hat oder eine explizite Strafanzeige erstattet / ein Strafantrag gestellt wurde: Um welche Straftat- bestände handelte es sich jeweils und wie wurde das Verfahren beendet? Antwort: Eine statistische Auswertung liegt der Landesregierung nicht vor. d) Gegen welche Stelle richteten sich welche Beschwerden und Einwendun- gen? Antwort: Eine statistische Auswertung liegt der Landesregierung nicht vor. Vorbemerkung zu Frage 2e): Laut Jahresbericht 2011 der Beschwerdestelle Sachsen-Anhalts wurden unter anderem Vorwürfe der folgenden Art gegen Polizeiangehörige erhoben: Ge- fahrenabwehr nicht durchgeführt, Lärmbelästigung, Anzeige nicht angenom- men, Anzeige unrichtig aufgenommen, Anzeige schleppend bearbeitet, Unhöf- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/674 5 licher Tonfall, Dienststelle nicht genannt, kein Verständnis für persönliche Si- tuation, kein Dienstausweis gezeigt, kein Tagesgruß. e) Welche Vorwürfe gegen Schleswig-Holsteinische Polizeiangehörige wur- den wie häufig erhoben? Wenn genaue Zahlen nicht bekannt sind, welche Vorwürfe werden typischerweise erhoben? Antwort: Eine statistische Auswertung liegt der Landesregierung nicht vor. Eine Ty- pisierung ist nicht möglich, denn gerade die Heterogenität der Vorwürfe ist die Regel. 3. Erhalten alle Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer einen dem End- bescheid hinzugefügten Fragebogen, in dem sie die Beschwerdebearbeitung bewerten können? Wenn ja, wie wird die Beschwerdebearbeitung bewertet? Wenn nein, ist eine solche Befragung geplant? Antwort: Nein. Eine solche Befragung ist schon deshalb nicht geplant, weil sie von Be- schwerdeführern und beschwertem Personal als Provokation empfunden wer- den müsste. Es geht nicht darum, eine „gefällige“ Antwort zu geben, sondern Vorwürfen rechtsstaatlich auf den Grund zu gehen. 4. Soweit es zur Beantwortung der vorstehenden Fragen an hinreichenden Da- ten, insbesondere statistischen Daten fehlt: beabsichtigt die Landesregierung die Ausweitung der Datenerfassung und Evaluation? Wenn ja, in welchem Umfang? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Nein. Die Einsparvorgaben lassen die Übernahme neuer Verwaltungsaufga- ben nicht zu. 5. Beabsichtigt die Landesregierung sonstige Veränderung des Beschwerdema- nagements? Wenn ja, welche und mit welcher Zielsetzung? Drucksache 18/674 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 6 6. Beabsichtigt die Landesregierung die Einrichtung einer von der Polizei unab- hängigen Beschwerdestelle? Antwort zu Fragen 5 und 6: Der Koalitionsvertrag sieht die Einführung einer unabhängigen Kontrollinstanz für die Untersuchung rechtswidriger Gewalt durch Polizisten vor. a) Wenn ja, welchen Stand haben die Planungen und bis wann ist mit einer Umsetzung zu rechnen? Antwort: Der Koalitionsvertrag ist auf die gesamte Legislaturperiode ausgerichtet. b) Welche Haushaltsmittel hält die Landesregierung für die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle überschlägig für erforderlich? Antwort: Zum jetzigen Zeitpunkt können keine überschlägigen Kostenschätzungen abgegeben werden.