SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/723 18. Wahlperiode 2013-04-29 Kleine Anfrage Des Abgeordneten Wolfgang Dudda (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung – Ministerin für Justiz, Kultur und Europa Kosten der Sicherungsverwahrung und Therapieunterbringung in Hamburg In dem Entwurf eines Staatsvertrages über die Zusammenarbeit im Bereich der Si- cherungsverwahrung und Therapieunterbringung mit der Freien und Hansestadt Hamburg (StV) ist eine Kostentragung des Landes Schleswig-Holstein für die in der JVA Fuhlsbüttel vorgehaltenen Plätze vereinbart. Diese ist in der zugehörigen Ver- waltungsvereinbarung (VV) mit einem bis zum 01.12.2015 geltenden Satz vom 250 € je Tag und Platz festgelegt. Darüber hinaus wird die Tragung „außergewöhnlicher Kosten“ und besonderer Aufwendungen für medizinisch-therapeutische Behandlung vereinbart. 1. Auf welcher Datengrundlage wurde der Tagessatz von derzeit 250 € ermittelt? Es wird darum gebeten diese zu erläutern und die genaue Kalkulation anzu- geben. Antwort zu Frage 1: Bei der Ermittlung der Höhe des Tagessatzes wurde auf die Zahlen aus der Kosten- und Leistungsrechnung der JVA Fuhlsbüttel zurückgegriffen. Da diese Drucksache 18/723 Schleswig-Holsteinischer Landtag – 18. Wahlperiode jedoch nicht zwischen Strafhaft und Sicherungsverwahrung differenziert und die neuen gesetzlichen Vorgaben zu berücksichtigen sind, waren darüber hin- aus qualifizierte Schätzungen, insbesondere zum Personaleinsatz vorzuneh- men. Bei den Besprechungen mit Hamburg hat sich gezeigt, dass sich die nach der Methode der Vollkostenrechnung ermittelten Zahlen der Kosten- und Leis- tungsrechnung nur eingeschränkt für eine Abrechnung mit Schleswig-Holstein eignen, da einzelne in der Berechnung enthaltene Kosten nicht in Zusammen- hang mit der Abteilung für Sicherungsverwahrte stehen und unabhängig von einer Verlegung von schleswig-holsteinischen Sicherungsverwahrten in die JVA Fuhlsbüttel anfallen. Es sind dies beispielsweise Gebäudeabschreibun- gen für andere Unterkunftsbereiche der Justizvollzugsanstalt oder für Umla- gen aus der Aufsichtsbehörde (Intendanz). In die Berechnung eingeflossen sind:  Personalkosten (inklusive eines Zuschlags für Pensionszahlungen und Beihilfe) für das für die Betreuung, Behandlung und Versorgung der Si- cherungsverwahrten sowie für die Sicherheit erforderliche Personal.  Sachausgaben für die Gebäudebewirtschaftung und die Bauunterhal- tung  Belegungsabhängige Sachausgaben z.B. für die Verpflegung, Gesund- heitsfürsorge und Bekleidung  Zusätzliche Sachausgaben für die Betreuung, Behandlung und Versor- gung der Sicherungsverwahrten aufgrund der Vorgaben aus dem Si- cherungsverwahrungsvollzugsgesetz  Anteile für die Verwaltung sowie für zentrale Versorgungs- und Sicher- heitsbereiche (z.B. Sanitätsbereich, Küche, Kammer, Pforte) der Justiz- vollzugsanstalt Der von Hamburg ermittelte Tagessatz wurde mit Berechnungen für den Be- trieb einer eigenen Einrichtung in der JVA Lübeck verglichen und auf Plausibi- lität überprüft. Im Rahmen der weiteren Verhandlungen hat man sich dann auf einen Tagessatz von 250 € verständigt. Bei diesem Wert ergibt sich für beide Länder ein wirtschaftlicher Vorteil. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/723 2. Hat die Landesregierung bei der Kostenbetrachtung des Staatsvertrages ge- genüber der Errichtung einer landeseigenen Sicherungsverwahrungsanstalt auch mit aktuell und zukünftig höheren Kosten der Unterbringung als den der- zeitigen in Hamburg kalkuliert? Wenn ja, welche Kostenszenarien wurden an- gesetzt? Antwort zu Frage 2: Höhere Kosten könnten entstehen, wenn die Anzahl der Plätze nicht ausrei- chen würde und weitere Ebenen des Gebäudes umgebaut werden müssten oder wenn die Zimmergröße bzw. -ausstattung in Hinsicht auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht ausreichend wäre. Nach hiesiger Einschätzung wird nicht von steigenden Zahlen für die Unter- bringung von Sicherungsverwahrten ausgegangen. Diese Bewertung wurde in der Anhörung zum Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz u.a. von Prof. Dr. Frommel bestätigt. Auch werden nach hiesiger Auffassung bei der Unterbringung der Sicherungs- verwahrten in der JVA Fuhlsbüttel die verfassungsrechtlichen Vorgaben so- wohl hinsichtlich der Zimmergröße als auch der Ausstattung erfüllt. Mit Be- schluss vom 12. März 2013 hat das Hanseatische Oberlandesgericht diese Rechtsauffassung bestätigt. Die Berechnung weiterer alternativer Kostenszenarien ist nicht erforderlich, da bei Zugrundelegung gleicher Standards für die Unterbringung und Behandlung der Sicherungsverwahrten allgemeine Kostensteigerungen auch bei einer ei- genen Einrichtung in der JVA Lübeck entstehen würden. 3. Welche Leistungen sind nach Auffassung der Landesregierung in der gem. § 4 StV vereinbarten Kostenerstattung enthalten? Sind insbesondere in den „Kosten für die [..] vorgehaltenen Unterbringungsplätze“ auch Behandlungs- kosten enthalten? Warum wurde der nach § 4 abgegoltene Leistungsumfang nicht konkreter definiert? Drucksache 18/723 Schleswig-Holsteinischer Landtag – 18. Wahlperiode Antwort zu Frage 3: Die Kostenerstattung für die vorgehaltenen Unterbringungsplätze gemäß § 4 des Staatsvertrages umfasst alle Leistungen auf die der Sicherungsverwahrte gemäß hamburgischem Landesrecht einen Anspruch hat. Der Tagessatz be- inhaltet somit auch die Behandlungsmaßnahmen. Ebenso umfasst sind auch alle außergewöhnlichen Leistungen. Zu den Kosten und Leistungen siehe auch die Antworten auf Frage 1 und 4. Auf eine genaue Definition des Leistungsumfangs wurde verzichtet, da bei den Berechnungen bzw. Schätzungen zu den Kosten ein gemeinsames Verständ- nis in Bezug auf die zu erbringenden Leistungen und die Standards, z.B. beim Personaleinsatz oder bei den Therapie- und Behandlungsmaßnahmen, be- stand. 4. Geht die Landesregierung davon aus, dass die Kostentragungsregelung in § 4 StV abschließender Natur ist oder können weitere Kosten auf Schleswig- Holstein zukommen? Antwort zu Frage 4: Die Landesregierung geht davon aus, dass die Kostentragungsregelung in § 4 des Staatsvertrags abschließender Natur ist. Die allgemein gehaltene Kosten- tragungsregelung in § 4 des Staatsvertrags erfährt seine Konkretisierung in Nr. 8 des Entwurfs der Verwaltungsvereinbarung. Sollte wider Erwarten (siehe Antwort zu Frage 2) eine Anpassung erforderlich sein, so kann die Verwal- tungsvereinbarung angepasst werden. Gemäß Nr. 8 Abs. 3 des Entwurfs der Verwaltungsvereinbarung wird begin- nend im Jahr 2015 der Tagessatz auf der Grundlage des Vorjahres alle zwei Jahre überprüft und für die folgenden Jahre festgelegt. Grundsätzlich kann sich hierbei die Tagespauschale nach oben, aber auch nach unten verändern. Für Schleswig-Holstein können jedoch keine weiteren Kosten entstehen, die nicht auch bei der Unterbringung und Behandlung der Sicherungsverwahrten in einer eigenen Einrichtung entstehen würden (siehe Antwort zu Frage 2). Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/723 5. Wie sollen „außergewöhnliche [..] Kosten“ i.S.d. Nr. 8 Abs. 5 VV und „beson- dere Aufwendungen“ i.S.d. Nr. 8 Abs. 7 VV bestimmt werden, wenn weder in dem Staatsvertrag noch in der Verwaltungsvereinbarung die in den Kosten der vorgehaltenen Plätze erfassten Leistungen definiert sind? Antwort zu Frage 5: Unter den außergewöhnlichen Kosten i.S.d. Nr. 8 Abs. 5 VV sind Ausgaben für Leistungen zu verstehen, die sich nicht für eine Abrechnung über eine Pauschale eigenen, da sie sich von den normalen durchschnittlichen Kosten des Vollzuges der Sicherungsverwahrung abheben und nicht planbar sind, aber im konkreten Fall zu erheblichen Ausgaben führen. Dies können z.B. Operationen in externen Krankenhäusern, die Beschaffung von Prothesen o- der Rollstühlen sein. Da der Vollzugsalltag zeigt, dass immer wieder Ereignis- se eintreten, die nicht vorhersehbar sind, wurde bei den Verhandlungen mit Hamburg darauf verzichtet, einen abschließenden Leistungskatalog zu erstel- len. Mit Hamburg wurde auch diskutiert, diese Leistungen über einen „Risikozu- schlag“ zum Tagessatz abzurechnen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass sich die Höhe eines entsprechenden „Risikozuschlags“ nicht verlässlich kalkulieren lässt. Insgesamt erscheint diese Lösung wenig praktikabel. Bei den besonderen Aufwendungen i.S.d. Nr. 8 Abs. 7 VV handelt es sich um die medizinisch-therapeutischen Leistungen, die sich aus dem Therapieunter- bringungsgesetz ergeben können und die über die Leistungen, wie sich aus dem Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz ergeben, hinausgehen. Da auf- grund des Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes bereits ein Anspruch des Untergebrachten auf individuelle Behandlungs- und Therapiemaßnahmen be- steht, lassen sich darüber hinausgehende Maßnahmen nur schwer definieren. Es sind derzeit lediglich besondere psychiatrische Leistungen vorstellbar, de- ren Abrechnung sich nicht für eine Pauschale eignet. 6. Gibt es bereits jetzt Fälle in Hamburg oder Schleswig-Holstein, in denen diese „außergewöhnlichen [..] Kosten“ und „besonderen Aufwendungen“ angefallen sind? Welche sind dies und wie hoch waren die Kosten? Drucksache 18/723 Schleswig-Holsteinischer Landtag – 18. Wahlperiode Antwort zu Frage 6: Außergewöhnliche Kosten können bereits jetzt anfallen. In 2012 war ein Si- cherungsverwahrter aus Schleswig-Holstein aufgrund einer diabetischen Fol- geerkrankung zweimal im externen Krankenhaus. Die Kosten hierfür beliefen sich auf 9.635 €. Für kostenintensive Medikamente und orthopädische Hilfs- mittel wurden 3.100 € ausgegeben. 7. Geht die Landesregierung davon aus, dass die von ihr in der Drucksache 18/448, S. 8/9, angegebene Kosten der Unterbringung in Hamburg von 1.003 T €, welche ersichtlich nur auf Grundlage der Tagespauschale errech- net wurden, in Anbetracht der weiten Kostentragungsregelungen in der Ver- waltungsvereinbarung eingehalten werden können? Antwort zu Frage 7: Ja. Die in der Drucksache 18/448, S. 8/9, angegebenen Kosten der Unterbrin- gung in Hamburg von 1.003 T€ berücksichtigen die zusätzlichen Ausgaben für den Landeshaushalt. Wie in der Antwort auf Frage 6 dargestellt, entstehen darüber hinaus bereits jetzt außergewöhnliche Kosten. Diese Kosten sind un- abhängig vom Standort der Unterbringung und werden auch bereits jetzt aus dem Landeshaushalt getragen. 8. Wie steht die Landesregierung zur der Aussage des Landesvorsitzenden des BSBD, Herrn Hinrichsen, in der Anhörung des Innen- und Rechtsausschusses vom 10.04.2013, die Unterbringung werde pro Platz deutlich über 300 € kos- ten? Antwort zu Frage 8: Der Landesregierung ist keine Berechnungsgrundlage bekannt, die einen ent- sprechenden Tagessatz für die Kostenerstattung durch Schleswig-Holstein rechtfertigen. Siehe hierzu auch Antwort auf Frage 1.