SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/754 18. Wahlperiode 2013-04-26 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Patrick Breyer (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung - Innenminister Reichweite der Bestandsdatenauskunft Vorbemerkung des Fragestellers: Die Abgrenzung von Telekommunikations- zu Telemediendiensten im Internetbereich ist unter Juristen umstritten. Vorbemerkung der Landesregierung: Nicht alle der vom Fragesteller gelisteten Internetdienste sind bekannt. Der Begriff der elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste steht als Oberbegriff über den Telekommunikationsdiensten, dem Rundfunk und den Telemediendiensten (siehe amtliche Begründung zum Telemediengesetz gem. Bundestagsdrucksache 17/3078, a. a. O.: S. 13, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/030/ 1603078.pdf). Das Telemediengesetz (§ 1 Abs. 1 TMG) nimmt eine negative Abgrenzung vor, indem es Rundfunk und Telekommunikationsdienste von seiner Herrschaft ausnimmt. Eine ausschließliche Zuordnung der vom Fragesteller gelisteten Internetdienste entweder zum Datenschutzregime des Telekommunikationsgesetzes (TKG), falls sie Telekommunikationsdienste (§ 3 Nr. 24 TKG) bzw. telekommunikationsgestützte Dienste (§ 3 Nr. 25 TKG) sind, oder zu den Datenschutzregelungen des Telemediengesetzes (TMG), falls es sich um Telemediendienste handelt, ist nicht möglich. Die Abgrenzung einer Zuordnung zwischen Telemedien- und Telekommunikationsdienste ins TKG oder TMG erfolgt über die Funktion der Dienste. Wenn der reine Übertragungsvorgang, die Infrastruktur, Leitungsnetze oder technische Dinge betroffen sind, ist das TKG betroffen, bei den Inhalten das TMG. Es kommt daher bei der Drucksache 18/754 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Zuordnung zum jeweiligen Rechtsbereich darauf an, was im Vordergrund steht. Dies muss im Einzelfall entschieden werden. Eine parallele Anwendung ist in bestimmten Fällen auch möglich, z. B. Netzzugang und E-Mail-Übertragung. 1. Sind nach Ansicht der Landesregierung die folgenden Arten von Internetdiensten als Telekommunikationsdienst bzw. Telekommunikation einzuordnen, so dass u. a. die Regelungen über die Bestandsdatenauskunft anzuwenden sind: a) soziale Netzwerke wie von Facebook oder wer-kennt-wen.de angeboten b) Microbloggingdienste wie von Twitter oder bka.li angeboten c) Bloggingdienste wie von blogsport.de oder blogg.de angeboten d) Hostingdienste wie von all-inkl oder 1&1 angeboten e) Speicherdienste wie von Flickr oder Rapidshare angeboten f) DE-Mail-Dienste sowie der ePostbrief-Dienst g) Anonymisierungsdienste wie TOR oder von Jondonym angeboten h) anonyme Hinweisgebersysteme wie vom Bundeskartellamt oder vom LKA Niedersachsen angeboten? Antwort: Die aus dem jeweiligen Internetauftritt ersichtliche Selbsteinordnung der vom Fragesteller gelisteten Internetdienste als Telekommunikationsdienst oder Telemediendienst wird von der Landesregierung nicht infrage gestellt. Beispielsweise stufen sich der Webhosting-Dienst ALL-INKL (http://all-inkl.com/) und auch Blogsport .de (http://blog-sport.de/datenschutz/) als Telemediendienst ein. Unter Bezugnahme auf die Vorbemerkungen weist die Landesregierung darauf hin, dass je nach Nutzung des jeweiligen Internetdienstes die (Kunden-)Bestandsdaten dem Datenschutzregime des Telekommunikationsgesetzes (§§ 111, 95, 112, 113 TKG) als auch des Telemediengesetzes (§§ 14, 15 TMG) unterliegen können. Dies gilt für die De-Mail-Dienste im Sinne des De-Mail-Gesetzes gleichermaßen (§ 16 Abs. 8). Bei den De-Mail-Diensten handelt es sich um Dienstleistungen, die sowohl dem Telekommunikations- wie auch dem Telemediensektor zuzuordnen sind (siehe amtliche Begründung gem. Bundestagsdrucksache 17/3630, a. a. O.: S. 19, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/036/ 1703630. pdf). Im Einzelfall obliegt die rechtliche Einordnung der Arten von Internetdiensten als Telekommunikationsdienst bzw. Telemediendienst im Bereich des Strafrechts den justiziellen, für die Gefahrenabwehr den polizeilichen Behörden und im nachrichtendienstlichen Aufgabensegment dem Verfassungsschutz, nicht der Landesregierung . Bestandsdaten nach TKG und Bestandsdaten nach TMG sind für die Sicherheitsbehörden nutzbar. Aktuell werden das TKG und die auf die TKG-Bestandsdaten zugreifenden Fachgesetze des Bundes und der Länder den hierzu verfügten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes angepasst. §§ 14 Abs. 2, 15 Abs. 2 TMG machen Diensteanbieter und deren Kunden darauf aufmerksam, dass anfragenden Sicherheitsbehörden die TMG-Bestands- und Nutzungsdaten unter bestimmten Voraussetzung mitzuteilen sind. 2. Falls die Frage für eine oder mehrere Arten von Diensten verneint wird: Können die Anbieter dieser Dienste nach Ansicht der Landesregierung auf anderer Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/754 Rechtsgrundlage zur Herausgabe von Zugangssicherungscodes gezwungen werden und, wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage? Antwort: Siehe Antwort zur Frage 1. 3. Sind nach Kenntnis der Landesregierung die in Frage 1 genannten Dienste in der Vergangenheit von Landesbehörden als Telekommunikationsdienst bzw. Telekommunikation eingeordnet worden? Sind in der Vergangenheit Daten der Nutzer solcher Dienste auf der Grundlage der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft erhoben worden? (bitte gesondert beantworten für die Dienstarten a-h) Antwort: Eine statistische Auswertung im Sinne der Fragestellung liegt der Landesregierung nicht vor. 4. Wie hoch schätzt die Landesregierung die Investitionskosten für die Einbindung der automatisierten Datenaustauschschnittstelle für die Telekommunikationsanbieter und die zugriffsbefugten Behörden in Schleswig-Holstein? Antwort: In ihren Stellungnahmen zum Gesetz zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft haben die führenden Interessenverbände der Telekommunikationsbranche BITKOM1 und VATM2 zwar Investitionskosten auf ihre Verbandsmitglieder zukommen sehen, zunächst jedoch keine konkreten Summen genannt. Der VATM3 hat das später dergestalt konkretisiert, dass „mit teilweise von mehr als 100.000 Euro“ zu rechnen sei. § 113 Abs. 5 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) in der Fassung des Bundestagsbeschlusses vom 21.03.2013 verpflichtet nur die Telekommunikationsdiensteanbieter mit mehr als 100.000 Kunden, für das manuelle (Bestandsdaten-) Auskunftsverfahren eine gesicherte elektronische Schnittstelle nach Maßgabe der Technischen Richtlinie nach § 110 Abs. 3 für die Entgegennahme der behördlichen Auskunftsverlangen und die Auskunftserteilung an die anfragenden Behörden bereitzuhalten. Eine Verpflichtung der anfrageberechtigten Behörden zur Nutzung dieser Schnittstelle sieht das TKG nicht vor. Falls die Implementierung einer elektronischen Schnittstelle auf Seiten der Behörden in Zukunft erforderlich werden sollte, werden die dafür in Ansatz zu bringenden Haushaltsmittel (Kosten) dann zu ermitteln sein. 1 http://www.bitkom.org/files/documents/20121015_bitkom_stellungnahme_neuregelung_bestandsdate nauskunft_pdf.pdf 2 http:// www.vatm.de/uploads/media/2012-10-18_VATM-Stellungnahme_BMI_Bestandsdatenaus- kunft_113_TKG.pdf 3 http://www.vatm.de/uploads/media/2012-11-20_VATM_Stellungnahme_Neuregelung_Bestands- auskunft.pdf