SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/757 18. Wahlperiode 25.04.2013 Kleine Anfrage der Abgeordneten Anita Klahn (FDP) und Antwort der Landesregierung – Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung Kräutermischungen / Badesalze mit synthetischen Cannabinoiden Vorbemerkung der Landesregierung: Einige Kräutermischungen enthalten synthetische Cannabinoide, die zu einer verlängerten psychoaktiven Wirkung führen. Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht führt dazu aus: „Synthetische Cannabinoide, die korrekte Bezeichnung lautet Cannabinoid-Rezeptor-Agonisten, ähneln in ihrer Wirkweise Δ9- Tetrahydrocannabinol (THC), dem Wirkstoff in Cannabis. Sie binden sich in gleicher Art und Weise wie THC und der endogene Ligand Anandamid an die CannabinoidRezeptoren im Gehirn und in anderen Organen. Ursprünglich wurden sie in den vergangenen 40 Jahren als therapeutische Mittel zur Schmerzlinderung entwickelt. Es hat sich jedoch als schwierig erwiesen, die gewünschten Eigenschaften von den ungewünschten psychoaktiven Wirkungen zu trennen. Ende 2008 wurden mehrere Cannabinoide in Rauchmischungen aus Kräutern oder sogenannten Räucherstäbchen/Raumlufterfrischern entdeckt. Typische Beispiele waren Spice Gold, Spice Silver und Yucatan Fire. Später erschienen jedoch noch viele andere Produkte. Sie enthalten weder Tabak noch Cannabis, erzeugen beim Rauchen indessen Wirkungen, die denen von Cannabis ähnlich sind. Diese Produkte werden in der Regel über das Internet und in „Headshops“ verkauft.“ Quelle: www.emcdda.europa.eu/html.cfm/index115731DE.html Stand 24.04.2013 Badesalze dagegen enthalten keine synthetische Cannabinoide sondern sind Cathinon - Derivate. Die Cathinone wirken ohne Ringsubstitution als Stimulanzien des Zentralnervensystems (ZNS), d. h. haben eine euphorisierende Wirkung. Drucksache 18/757 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Auch dazu erläutert die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht : „Synthetische Cathinone sind mit der Stammverbindung Cathinon, eine der psychoaktiven Hauptwirkstoffe von Khat (Catha edulis), verwandt. Cathinon-Derivate sind die β-Keto-(βk-)Analoga eines entsprechenden Phenethylamins. Die Grundsubstanz umfasst mehrere Substanzen, die als pharmazeutische Wirkstoffe von Arzneimitteln verwendet worden sind, wie z. B. Amfepramon (Diethylpropion). Seit Mitte der 2000er Jahre sind unregulierte ringsubstituierte Cathinon-Derivate auf dem europäischen Markt für Freizeitdrogen aufgetaucht. Die häufigsten Cathinone, die bis 2010 auf dem Markt erhältlich waren, schienen Mephedron und Methylon zu sein. Diese Produkte findet man gewöhnlich als hochreines weißes oder braunes Pulvern vor. Ringsubstituierten Cathinon-Derivaten werden ähnliche Wirkungen wie Kokain, Amphetamin oder MDMA (Ecstasy) zugeschrieben, über ihre genaue Pharmakologie ist jedoch wenig bekannt. Außer Cathinon, Methcathinon und den beiden pharmazeutischen Wirkstoffen Amfepramon und Pyrovaleron stehen die CathinonDerivate nicht unter internationaler Kontrolle.“ Quelle: www.emcdda.europa.eu/html.cfm/index115731DE.html Stand 24.04.2013 1. Liegen der Landesregierung Kenntnisse darüber vor, in welchem Umfang in den letzten Jahren Kräutermischungen / Badesalze, die synthetische Cannabinoide enthalten, in Schleswig-Holstein konsumiert wurden? Antwort: In Schleswig-Holstein gibt es keine belastbaren Konsumerkenntnisse. Seit einiger Zeit führt allerdings der Verein ODYSSEE e. V. eine OnlineBefragung zu diesem Thema durch. Da jedoch weltweit auf diese Internetseite des Vereins zugegriffen werden kann, können keine Aussagen speziell für Schleswig-Holstein getroffen werden. 2. Gab es in den letzten Jahren polizeiliche Beschlagnahmungen von entsprechen- den Kräutermischungen / Badesalzen in Schleswig-Holstein? Antwort: Das Innenministerium teilt dazu mit, dass ausweislich der im Landeskriminalamt (LKA) geführten Falldatei Rauschgift und der Ergebnisse der Abteilung Kriminaltechnik in Schleswig-Holstein diverse Legal-High-Produkte (Kräutermischungen / Badesalze) sichergestellt bzw. beschlagnahmt wurden. Die folgende Tabelle enthält die Anzahl der Sicherstellungen bzw. Beschlagnahme der aufgeführten Substanzen : 2011 2012 2013 (Stand:22.04.13) Kräutermischungen mit synthetischen Cannabinoide 128 28 2 Badesalze 13 6 1 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/757 3 3. Wurden strafrechtliche Verfahren gegen Personen eingeleitet, die Kräutermischungen / Badesalze mit verbotenen Inhaltsstoffen vertrieben oder zur Konsumierung in eigenen Räumlichkeiten angeboten haben? Antwort: Entsprechende Verfahren wurden von der Landespolizei wie folgt eingeleitet: 2011 2012 2013 (Stand: 22.04.13) Gesamt Ermittlungsverfahren 4 5 1 10 Wegen des Vertriebs oder des Angebots zur Konsumierung von Kräutermischun- gen/ Badesalzen mit verbotenen Inhaltsstoffen sind bei den Staatsanwaltschaften im hiesigen Zuständigkeitsbereich nur wenige Verfahren eingeleitet worden. So weit in der Kürze der zur Verfügung stehenden Frist feststellbar, sind bei der Staatsanwaltschaft Itzehoe vier einschlägige Verfahren anhängig und bei der Staatsanwaltschaft Kiel einige wenige Verfahren, die nicht näher beziffert werden konnten. Zur Situation im Einzelnen: Bei der Staatsanwaltschaft Lübeck sind originär keine Verfahren wegen des Vertriebs von Kräutermischungen/ Badesalzen mit synthetischen Cannabinoiden oder deren Angebot zum Konsum eingeleitet worden. Aus anderen Bundeslän- dern sind hier zwei Ermittlungsvorgänge übernommen worden gegen Personen, die Kräutermischungen in geringer Menge im Internet bestellt hatten. Die Verfah- ren sind wie andere Konsumentenfälle behandelt und eingestellt worden. Bei der Staatsanwaltschaft Itzehoe sind vier einschlägige Verfahren anhängig. In drei dieser Verfahren, darunter eine Haftsache, ist zwischenzeitlich Anklage er- hoben worden. Bei der Staatsanwaltschaft Kiel sind nur wenige Einzelfälle bekannt geworden, in denen strafrechtliche Verfahren gegen Personen eingeleitet wurden, die Kräu- termischungen mit verbotenen Inhaltsstoffen vertrieben haben. Es handelte sich dabei um sogenannte Headshopbetreiber. In diesem Zusammenhang wies der Leitende Oberstaatsanwalt in Kiel darauf hin, dass die festgestellten Kräuter- mischungen nur teilweise dem Betäubungsmittelgesetz unterfallen. Vielfach habe es sich auch um Verstöße nach dem Arzneimittelgesetz gehandelt. Die Staatsanwaltschaft Flensburg erstattete Fehlanzeige. 4. Wie viele Einlieferungen in schleswig-holsteinische Krankenhäuser gab es in den letzten Jahren aufgrund des Verdachts der Einnahme von Kräutermischungen / Badesalzen, die synthetische Cannabinoide beinhalteten? Antwort: Erhebungen zur stationären Behandlungsbedürftigkeit sind nur möglich über die in Deutschland verwendeten Diagnoseschlüssel (ICD-10). Psychische und Drucksache 18/757 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Suchterkrankungen werden mit den sog. F-Diagnosen erfasst. Die Diagnoseschlüssel F10 bis F19 werden verwendet für Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen. Kräutermischung mit synthetischen Cannabinoiden und Badesalze werden nicht gesondert ausgewiesen. Hier kommen die Diagnoseschlüssel F12, F15, F16, F18 und F19 grundsätzlich in Frage. Das statistische Amt für Hamburg und SchleswigHolstein fasst in seinen Auswertungen die Diagnoseschlüssel F11-F16, F18, F19 Psychische und Verhaltensstörungen durch andere psychotrope Substanzen zusammen . Patientinnen und Patienten, die mit einer entsprechenden Diagnose aus der vollstationären Behandlung entlassen wurden, sind hier im Folgenden zahlenmäßig aufgelistet: Jahr Anzahl der Patientinnen und Patienten 2006 5.304 2007 4.720 2008 4.928 2009 5.116 2010 4.867 2011 4.816 Quelle: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein: Statistische Berichte: Die Krankheiten der Krankenhauspatientinnen und –patienten in Hamburg und Schleswig-Holstein, entsprechende Jahrgänge, Kennziffer: A IV 9-j 5. Gab es in Schleswig-Holstein Todesfälle, die sich durch die Einnahme von Kräutermischungen / Badesalzen, die synthetische Cannabinoide beinhalteten, ergeben haben? Antwort: Erkenntnisse über Todesfälle in Schleswig-Holstein, die sich durch die Applikation von Kräutermischungen / Badesalzen ergeben haben, liegen der Landesregierung nicht vor. 6. Inwieweit wird im Rahmen bestehender Drogenpräventionskampagnen, insbesondere an Schulen auf die Gefahren der Einnahme dieser synthetischen Drogen hingewiesen? Antwort: Drogenkunde ist generell Bestandteil von Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte zur Suchtprävention. Bisher gab es noch keine spezifische Anfrage zu dieser relativ neuen Droge. Bei den IQSH-Veranstaltungen des Zentrums für Prävention Gesunde Schule (Sucht- und Gewaltprävention) wird auch auf synthetische Drogen eingegangen mit dem Ziel, Lehrkräfte für diese neuen Entwicklungen zu sensibilisieren. Im Nordverbund Suchtprävention (HH, SH, HB, MV, NI) findet ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch zu den aktuellen Entwicklungen des Drogenkonsums statt. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/757 5 7. Plant die Landesregierung, bzw. sieht die Landesregierung Handlungsbedarf die Aufklärungsarbeit in diesem Bereich auszuweiten? Wenn ja, welche Ansätze sollen verfolgt werden? Antwort: Aus fachlicher Sicht ist es wichtig, selektiv und zielgruppenspezifisch Aufklärungsarbeit zu leisten, ohne dabei jedoch einen nicht erstrebenswerten Effekt zu erzielen. Aufklärungsarbeit birgt nämlich immer auch das Risiko, Kinder und Jugendliche erst auf diese Substanzen und die Möglichkeit der Beschaffung und Einnahme aufmerksam zu machen und ihre Neugierde zu wecken. Grundsätzlich haben sich daher Experten aus dem Suchthilfebereich darauf verständigt, bei diesen „neuen“ Drogen einen Medienhype zu vermeiden. Die Konsumenten, die in der Szene sind, haben Informationen über diese legal highs. Allerdings sind dies in Schleswig-Holstein nach Aussage der Landesstelle für Suchtfragen Schleswig-Holstein e. V. nur 0,3 %, das sind 34 Personen, die bei der statistischen Erfassung im Rahmen der Dokumentation im Jahr 2011 von 13.461 Klienten bei „sonstigen Drogen“ Angaben gemacht haben. Eine weitere Problematik ist die Wissensvermittlung an sich. Bei den gängigen und bekannten Drogen sind die einzelnen psychischen und physischen Folgen des Konsums bekannt. Bei den Räuchermischungen und Badesalzen gibt es keinerlei Studien über Langzeitwirkungen und mögliche Akutrisiken aufgrund der ständig veränderten Molekularstruktur. In der Praxis versuchen Forscher über mathematische Annäherungsformeln vermutete Effekte zu ermitteln.Daher sollte es das Ziel der Aufklärung sein, die Risikokompetenz der Konsumenten zu steigern und sie über die Gefahren des Konsums unbekannter Stoffe aufzuklären. Wichtig ist hierbei, dass der Grad des Vertrauens und der Glaubwürdigkeit über die Akzeptanz und Annahme der Informationen entscheidet. Deshalb ist es das vorrangige Ziel im Rahmen der Aufklärung über diese „neuen Drogen“ eine Qualifizierung der Fachkräfte im Land zu erreichen. Damit werden diese in der Lage versetzt, kompetent in den Veranstaltungen und bei den Beratungsgesprächen zu reagieren. Diese Aufgabe wird in Schleswig-Holstein durch die Landesstelle für Suchtfragen Schleswig-Holstein e. V. übernommen und vom Land gefördert.Sobald belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, können weitere Aktivitäten geplant werden.