SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/805 18. Wahlperiode 2013-05-16 Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolgang Dudda (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung – Ministerin für Justiz, Kultur und Europa Kosten der Sicherungsverwahrung und Therapieunterbringung in Hamburg (Nachfrage) 1. Welchen Tagessatz, auf den in der Antwort auf die Kleine Anfrage „Kosten der sicherungsverwahrung und Therapieunterbringung in Hamburg“ (Drs. 18/723) Bezug genommen wird, hat die Freie und Hansestadt Hamburg errechnet und in die Verhandlung eingebracht? Antwort: Die Freie und Hansestadt Hamburg hatte zunächst einen Tagessatz in Höhe von 286 € zzgl. eines pauschalierten Baukostensatzes in Höhe von 6 € in die Verhandlungen eingebracht. Darüber hinaus sollten außergewöhnliche Kosten gemäß Leistungserbringung abgerechnet werden. 2. Welche Kosten waren Grundlage der Kalkulation? Es wird auch um eine abschließende Benennung sämtlicher berücksichtigter Kosten einschließlich der Höhe dieser Kosten gebeten. Drucksache 18/805 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Antwort: Die Freie und Hansestadt Hamburg hat mitgeteilt, dass die dort vorgeschlagene Tagessatzhöhe auf Zahlen aus der Kosten- und Leistungsrechnung der JVA Fuhlsbüttel aus dem Jahr 2011 sowie zu erwartender Personalverstärkungen und zusätzlicher Sachkosten aufgrund der neuen gesetzlichen Regelungen basiert. Danach ergäbe sich ein Tagessatz in Höhe von 185,44 €. Für die Unterbringung von Sicherungsverwahrten wurden zudem 865,1 T€ für die notwendige Personalverstärkung aufgrund der neuen gesetzlichen Vorgaben veranschlagt . An zusätzlichen Sachausgaben für externe Therapeuten, Gutachten, erhöhtes Arbeitsentgelt pp. wurden 270 T€ geschätzt. Hierdurch wäre der Tagessatz für Sicherungsverwahrte aus Schleswig-Holstein in der Abteilung für Sicherungsverwahrung in der JVA Fuhlsbüttel um 100,32 € auf dann 285,76 € gestiegen. Da die Zahlen der Kosten- und Leistungsrechnung der JVA Fuhlsbüttel auch Umlagen aus der Aufsichtsbehörde sowie Fixkosten der JVA Fuhlsbüttel für die Verwaltung sowie für zentrale Versorgungs- und Sicherheitsbereiche (z.B. Sanitätsbereich, Küche, Kammer, Pforte) beinhalten, die weitgehend unabhängig von der Verlegung von schleswig-holsteinischen Sicherungsverwahrten in die JVA Fuhlsbüttel anfallen, haben sich die Länder auf einen für beide Seiten angemessenen Tagessatz in Höhe von 250 € verständigt. 3. Welche konkreten Kosten waren nach Auffassung der Landesregierung nur eingeschränkt für eine Abrechnung mit Schleswig-Holstein geeignet? Es wird um eine abschließende Benennung einschließlich einer Begründung zu den jeweiligen Punkten gebeten. Antwort: Nur eingeschränkt geeignet für eine Abrechnung mit Schleswig-Holstein sind Umlagen aus der Aufsichtsbehörde sowie Fixkosten der JVA Fuhlsbüttel für die Verwaltung sowie für zentrale Versorgungs- und Sicherheitsbereiche (z.B. Sanitätsbereich, Küche, Kammer, Pforte). Diese Kosten sind in den Zahlen der Kosten- und Leistungsrechnung der JVA Fuhlsbüttel enthalten. Sie fallen jedoch, wie auch die Umlagen aus der Aufsichtsbehörde, weitgehend unab- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/805 hängig von der Verlegung von schleswig-holsteinischen Sicherungsverwahrten in die JVA Fuhlsbüttel an. Die genaue Höhe der Anteile der Abteilung für Sicherungsverwahrung an den Umlagen bzw. Fixkosten ist nur schwer zu ermitteln, da diese Kosten nur über Verrechnungsschlüssel einfließen. Die Verrechnungsschlüssel geben bei Verhandlungen stets Anlass zu Diskussionen. Nur selten kann eine Einigung erzielt werden. Die genaue Ermittlung der Höhe dieser Kosten war aber auch nicht erforderlich, da bei einem Tagessatz in Höhe von 250 € die Wirtschaftlichkeit gegeben ist (siehe Antwort auf Frage 7). 4. Welche Kostenkalkulation hat die Landesregierung für den Betrieb einer eigenen Einrichtung in der JVA Lübeck angestellt? Hierbei ist insbesondere unter den einmaligen Investitionskosten, die zur Errichtung bzw. zum Umbau erforderlich sind, und den laufenden Kosten zu unterscheiden. Es wird um die vollständige Aufstellung der zur Kalkulation herangezogenen Kosten gebeten. Antwort: In die Kostenkalkulation eingeflossen sind die einmaligen Investitionskosten für die Errichtung eines Gebäudes in der JVA Lübeck in Höhe von 7.400 T€ sowie die jährlichen zusätzlichen Sach- und Personalausgaben in Höhe von 1.135 T€. Diese wären wie folgt entstanden:  750 T€ für Personalausgaben (15 Stellen Allgemeiner Vollzugsdienst, 2,5 Psychologenstellen sowie 1,5 Stellen Abteilungsleitung).  120 T€ für Gebäudebewirtschaftung und Bauunterhaltung.  265 T€ für externe Therapeuten, Gutachten, erhöhtes Arbeitsentgelt pp. sowie eine Sachkostenpauschale (z.B. für Dienstbekleidung, Fortbildung , Geschäftsbedarf) für das zusätzliche Personal. Für die Kalkulation für den Betrieb einer eigenen Einrichtung wären zudem die belegungsabhängigen Sachausgaben die bereits jetzt schon anfallen für Verpflegung , Hygieneartikel, medizinische Versorgung, Bekleidung in Höhe von 146 T€ sowie bei den Personalausgaben ein Zuschlag für Pensionszahlungen und Beihilfe in Höhe von 205 T€ zu berücksichtigen gewesen. Drucksache 18/805 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Zur Ermittlung eines Tagessatzes auf Vollkostenbasis wären darüber hinaus Anteile der Fixkosten der JVA Lübeck für die Verwaltung sowie für zentrale Versorgungs- und Sicherheitsbereiche (z.B. Sanitätsbereich, Küche, Kammer, Pforte) in Höhe von 225 T€ in die Kalkulation einzustellen gewesen. 5. Wie viele Unterbringungsplätze waren in der Kalkulation für eine eigene Einrichtung berücksichtigt? Wie hoch waren die laufenden Kosten je Platz in der Kalkulation? Antwort: Bei der Kalkulation für eine eigene Einrichtung wurde von 20 Unterbringungsplätzen ausgegangen. Es wurde von laufenden Kosten in Höhe von 268,17 € je Platz ausgegangen. Bei einem Vergleich mit dem Tagessatz in Höhe von 250 € ist zu berücksichtigen , dass diese Berechnung keine Finanzierungskosten enthält und bei einer Verlegung von Sicherungsverwahrten aus Schleswig-Holstein in die JVA Fuhlsbüttel die belegungsabhängigen Sachkosten in Höhe von 20 € je Unterbringungsplatz in der JVA Lübeck eingespart werden. 6. Wurden hierbei Kosten im Sinne der Frage 3. berücksichtigt oder ebenfalls ausgegliedert? Antwort: Hierbei wurden auch Anteile der Fixkosten der JVA Lübeck für die Verwaltung sowie für zentrale Versorgungs- und Sicherheitsbereiche (z.B. Sanitätsbereich , Küche, Kammer, Pforte) berücksichtigt. Nicht berücksichtigt wurden Umlagen aus der Aufsichtsbehörde. 7. Mit welchem betragsmäßigen Verhandlungsangebot ist die Landesregierung in die Verhandlungen mit der Freien und Hansestadt Hamburg gegangen? Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/805 Antwort: Nach Gesprächen auf Arbeitsebene zur Ermittlung der Kostenfolge einer Verlegung von schleswig-holsteinischen Sicherungsverwahrten in die JVA Fuhlsbüttel hat das Justizministerium der Freien und Hansestadt Hamburg mitgeteilt , dass eine Kooperation nur bei einem Tagessatz, der 250 € nicht übersteigt , zustande kommen kann (siehe auch Antwort zu Frage 2). Entscheidend war hierbei nicht ein über die Kosten- und Leistungsrechnung und weitere Berechnungen ermittelter Tagessatz, sondern dass bereits die jährlichen zusätzlichen Sach- und Personalausgaben für den Betrieb einer eigenen Einrichtung in Höhe von 1.135 T€ (siehe Antwort auf Frage 4) die jährlichen zusätzlichen Ausgaben in Höhe von 1.085 T€ bei der Alternative „Staatsvertrag mit Hamburg“ übersteigen. Der Betrag für die Alternative „Staatsvertrag mit Hamburg“ setzt sich zusammen aus den Ausgaben für die Unterbringung der Sicherungsverwahrten in Hamburg in Höhe von 1.003 T€ abzgl. eingesparter belegungsabhängiger Sachkosten (z.B. Verpflegung) in der JVA Lübeck in Höhe von 80 T€. Da nicht alle Sicherungsverwahrten nach Hamburg verlegt werden und einzelne Sicherungsverwahrte auch nach dem 1. Juni 2013 in der Sozialtherapie, in der Sicherheitsabteilung oder zur Entlassungsvorbereitung in der JVA Lübeck untergebracht sein werden, entstehen weitere zusätzliche Personal- und Sachausgaben in Höhe von 162 T€. Es wird von 2 zusätzlichen Stellen im Allgemeinen Vollzugsdienst ausgegangen. Sachkosten entstehen insbesondere für externe Therapeuten und für Gutachten. Siehe hierzu auch Lt-Umdruck 18/1087. Darüber hinaus sind bei einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung die Investitionskosten , die künftigen Pensionszahlungen für das zusätzliche Personal sowie die Finanzierungskosten zu berücksichtigen, sodass sich die Wirtschaftlichkeit weiter erhöht. 8. Wie sah die bauliche Konzeption für eine eigene Einrichtung in der JVA Lübeck aus? Wie waren insbesondere die Zimmergrößen und die zur Verfügung stehenden sonstigen Bereiche konzipiert und welche Unterschiede bestanden zu der Unterbringung in der JVA Fuhlsbüttel? Drucksache 18/805 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Antwort: Es war vorgesehen ein zweigeschossiges Gebäude in der JVA Lübeck zu errichten . Innerhalb des Gebäudes für Sicherungsverwahrung sollten 2 Wohngruppen mit den notwendigen Neben-, Aufsichts- und Büroräumen, sowie ein besonders gesicherter Haftraum und ein Besuchsbereich entstehen. Die erste Wohngruppe sollte über 8 Plätze und die zweite Wohngruppe über 12 Plätze inklusive eines integrierten Sicherheitsbereichs von 4 Plätzen verfügen. Die jeweiligen Unterbringungsräume sollten etwa 20 m² groß sein und zusätzlich über eine Kochnische und ein Bad mit WC und Dusche verfügen. Unterschiede bestanden im Wesentlichen in der Haftraumgröße sowie darin, dass die Unterbringungsräume in der JVA Lübeck eine Dusche und eine Kochgelegenheit gehabt hätten. 9. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass der Bestimmung des Leistungsumfanges in Staatsverträgen eine andere Bedeutung zukommt, als dies bei privatrechtlichen Verträgen der Fall ist, in denen „ein gemeinsames Verständnis “ des Vertragsinhaltes regelmäßig zu erheblichen rechtlichen Streitigkeiten führt? Insbesondere wird um eine Erläuterung gebeten, auf welcher Grundlage im Falle eines zukünftigen Streits zwischen den Vertragsparteien eine Bestimmung des Leistungsumfanges erfolgen soll? Antwort: Grundlage für den Vollzug der Sicherungsverwahrung ist das hamburgische Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz. Das hamburgische Landessicherungsverwahrungsvollzugsgesetz erfüllt die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes . Es ist konsequent auf Behandlung ausgerichtet mit dem Ziel, die Sicherungsverwahrung möglichst schnell zu beenden. Nach § 5 des Staatsvertrages zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein wird die Durchführung der Sicherungsverwahrung evaluiert. Bei unterschiedlichen Auffassungen wird versucht werden, eine gemeinsame Linie zu entwickeln. Es besteht die sichere Erwartung, dass immer gemeinsame Lösungen gefunden werden. Eine Kündigung der Zusammenarbeit ist nach § 7 Abs. 2 des Staatsvertrages zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein als letztes Mittel möglich . Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/805 10. Wann wurde mit den Verhandlungen über einen Staatsvertrag begonnen? Wie war der Verlauf? War ein gemeinsames Sicherungsverwahrungsrecht jemals Bestandteil der Vertragsverhandlungen? Wenn ja, warum wurde dies nicht umgesetzt? Antwort: Wegen der engen Zeitvorgaben des Bundesverfassungsgerichtes zur Neustrukturierung der Sicherungsverwahrung haben die Länder mit Hochdruck an Landessicherungsverwahrungsvollzugsgesetzen gearbeitet. Als sich im April 2012 erstmalig die Möglichkeit einer Kooperation zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein bei der Sicherungsverwahrung eröffnete, waren in den Ländern Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetze in Vorbereitung, die sich in Aufbau und Struktur unterschieden. Hamburg orientierte sich an den Empfehlungen einer Arbeitsgruppe zur Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung, Schleswig-Holstein orientierte seinen Gesetzesentwurf an einem von 10 Ländern erarbeiteten Musterentwurf für ein Landessicherungsverwahrungsvollzugsgesetz . Als sich ab Juni 2012 die Möglichkeit einer Kooperation zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein konkretisierte, wurde der hamburgische Entwurf eines Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz sowie die Überlegungen Hamburgs zur konkreten Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung daraufhin geprüft, ob der Gesetzesentwurf mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und den zu erwartenden bundesrechtlichen Vorgaben übereinstimmt. Dies konnte im Ergebnis bejaht werden (siehe auch Urteil des OLG Hamburg vom 12. März 2013). Hamburg hatte das Interesse, möglichst schnell für seinen Gesetzentwurf das landesinterne Anhörungsverfahren durchzuführen, um den engen Zeitplan einzuhalten. Dies erfolgte im Sommer 2012. Die Arbeiten an dem schleswig-holsteinischen Entwurf eines Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes konnten wegen der Arbeiten an dem Musterentwurf für ein Landessicherungsverwahrungsvollzugsgesetz erst im September 2012 abgeschlossen werden. Im Herbst wurde das Anhörungsverfahren durchgeführt. Damit entstand die Situation, dass die Länder zeitversetzt ihre Gesetzesvorhaben voranbrachten. Eine Angleichung der Gesetze in Struktur und Aufbau Drucksache 18/805 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode war angesichts des hohen Zeitdrucks und der jeweiligen landesinternen Diskussionen nicht durchführbar. Abweichende Einzelregelungen mussten daher akzeptiert werden. Entscheidend war, dass in den Ländergesetzen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und die bundesrechtlichen Vorgaben eingehalten werden.