1 SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/809 18. Wahlperiode 2013-05-23 Kleine Anfrage der Abgeordneten Angelika Beer und Dr. Patrick Breyer (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung – Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Vorsorge gegen Gesundheitsrisiken beim Energieleitungsausbau Vorbemerkung zu Frage 1: Laut Bundesamt für Strahlenschutz wird ab einer dauerhaften Magnetfeldbelastung von 0,3-0,4 Mikrotesla bei Kindern ein erhöhtes Leukämie-Risiko beobachtet (http://www.bfs.de/de/elektro/netzausbau/wirkungen/moegliche_wirkungen.html). Solche Werte kommen in deutschen Haushalten normalerweise selten vor. 1. Um welchen Wert erhöht sich die dauerhafte Magnetfeldbelastung eines Wohngebäudes im Fall der Überspannung mit einer 380 kV-Freileitung (bei üblicher Stromlast )? Trifft es zu, dass dabei Werte von 1 Mikrotesla deutlich überschritten werden? In einer Studie zum Strahlenschutz, die im Auftrag des Bundesamts für Strahlenschutz durchgeführt wurde, wurde an bestehenden Freileitungen unterhalb der Trasse im Mittel eine magnetische Flussdichte von 1,7 Mikrotesla gemessen. 2. Welche Schlussfolgerungen im Hinblick auf die erforderlichen Abstände beim Energieleitungsausbau in Schleswig-Holstein zieht die Landesregierung a) aus der Empfehlung des Bundesamtes für Strahlenschutz, neue Stromtrassen zur Vorsorge gegen Gesundheitsrisiken so zu planen, dass sie möglichst nicht zu einer zusätzlichen Magnetfeldbelastung von Anwohnern führen (http://www.bfs.de/de/elektro/netzausbau/schutz/vorsorge.html), 2 Die Strahlenschutzkommission kommt zu dem Schluss, dass die Aussagekraft der epidemiologischen Studien zum Leukämie-Risiko durch mögliche andere Einflussfaktoren und sehr kleiner Fallzahl geschwächt ist und stuft daher die Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs als schwach ein. Die Landesregierung wirkt dennoch darauf hin, dass in Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren die bestehenden Grenzwerte der Verordnung über elektromagnetische Felder (26. Bundes-Immissionsschutzverordnung) so wenig wie möglich ausgeschöpft und damit - neben dem Schutz vor bekannten Gefahren durch Einhaltung der Grenzwerte - ein Höchstmaß an Vorsorge realisiert wird. Im Rahmen der Beschleunigungsvereinbarung vom 31.08.2011 haben Netzbetreiber und Landesregierung u.a. vereinbart, dass eine weitest gehende Umgehung von Siedlungsbereichen – insbesondere Wohngebäuden - mit dem Ziel, bei der Herstellung und dem Betrieb von ortsfesten Anlagen zur Energieversorgung die Expositionen durch elektrische und magnetische Felder im Rahmen der rechtlichen, technischen und wirtschaftlich sinnvollen Möglichkeiten zu minimieren, als Planungsgrundsatz beachtet wird. b) aus der Studie im Auftrag des Bundesamts für Strahlenschutz, derzufolge 380 kVFreileitungen im Abstand von 466 m zu Wohngebäuden gebaut werden müssen, damit eine zusätzliche Magnetfeldbelastung von 0,1 Mikrotesla unterschritten wird (http://doris.bfs.de/jspui/bitstream/urn:nbn:de:0221-20100326958/5/BfS_2010_3608S03011.pdf), In der Studie wurde an bestehenden 380 kV Leitungen berechnet, ab welchen Abständen im ungünstigsten Fall und bei maximalen Lastflüssen der Wert von 0,1 Mikrotesla unterschritten wird. Da die Stärke und die Verteilung der elektrischen und magnetischen Felder im Umfeld von Leitungen von vielen Faktoren wie Spannung , Stromstärke oder Anzahl, Anordnung und Phasenlage der Leitungen abhängig sind, kann eine Magnetfeldbelastung nur im Einzelfall ermittelt werden. Daher können keine allgemeingültigen Abstandsregelungen festgelegt werden. c) aus der Regelung im Energieleitungsausbaugesetz, derzufolge eine Erdverkabelung ausgewählter Abschnitte möglich ist, wenn ein Abstand der Leitung zu Wohngebieten von 400 m unterschritten wird? Aus § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EnLAG geht unter anderem hervor, dass auf Verlangen der für die Zulassung des Vorhabens zuständigen Behörde bei den Vorhaben nach § 2 Abs. 1 eine Höchstspannungsleitung auf einem technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitt als Erdkabel zu errichten, betreiben oder zu ändern ist, wenn sie in einem Abstand von weniger als 200 Meter zu Wohngebäuden errichtet werden soll, die im Außenbereich im Sinne des § 35 des Baugesetzbuchs liegen. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll eine Teilverkabelung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 erfolgen (dürfen ), wenn bestimmte Abstände zu Wohngebäuden unterschritten werden. Gründe für die Wahl der genannten Abstände werden nicht genannt. Auf die Einhaltung von Grenzwerten zur Gesundheitsvorsorge wurde der Wert von 400 m nach Kenntnis der Landesregierung nicht zurückgeführt. 3 3. Ab welchem Abstand von 380 kV-Freileitungen zur Wohnbebauung ist nach Auffassung der Landesregierung sicher gestellt, dass die Stromleitung nicht zu einer messbar höheren dauerhaften Magnetfeldbelastung der Bewohner führt? Konkrete Angaben zu Abständen sind nicht möglich – siehe auch Antwort zu Frage 2b. 4. Beabsichtigt die Landesregierung, dafür Sorge zu tragen, dass dieser Abstand bei dem anstehenden Energieleitungsausbau in Schleswig-Holstein eingehalten wird, ggf. auch durch eine teilweise Erdverkabelung? Wenn nein, welcher Mindestabstand soll sonst eingehalten werden? Die Landesregierung trägt dafür Sorge, dass die Planungs- und Genehmigungsverfahren den rechtlichen Vorgaben entsprechend durchgeführt werden. Da keine rechtlich verbindlichen Mindestabstände existieren, sind für die rechtliche Prüfung die Grenzwerte der 26. BImSchV in ihrer geltenden Fassung maßgeblich. Darüber hinaus setzt die Landesregierung sich dafür ein, dass die Grenzwerte möglichst wenig ausgeschöpft werden. Siehe auch Antwort zu Frage 2a und 2c. Vorbemerkung zu Frage 5: Die Schweiz hat für neue Stromleitungen unter Vorsorgegesichtspunkten einen Grenzwert von 1 Mikrotesla festgelegt, während in Deutschland ein Grenzwert von 100 Mikrotesla gilt. 5. Welcher Magnetfeldbelastungsgrenzwert sollte aus Sicht der Landesregierung für die Errichtung neuer 380 kV-Freileitungen gelten, um z.B. ein erhöhtes Leukämierisiko von Kindern auszuschließen? Beabsichtigt die Landesregierung, dafür Sorge zu tragen, dass dieser Grenzwert bei dem anstehenden Energieleitungsausbau in Schleswig-Holstein eingehalten wird, ggf. auch durch eine teilweise Erdverkabelung? Bezüglich eines erhöhten Leukämierisikos wird auf die Antwort zu Frage 2a verwiesen . Nach Ansicht der Landesregierung sollte zum Zwecke der Vorsorge im Rahmen eines Minimierungsansatzes angestrebt werden, dass im Normalbetriebsfall der maximale Effektivwert der magnetischen Flussdichte in Gebäuden oder Gebäudeteilen, die zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, einen Wert von 1 Mikrotesla nicht überschreitet. Welche Werte als Grenzwerte einzuhalten sind, wird im Übrigen durch die Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV) festgelegt. Derzeit ist auf bundesgesetzlicher Ebene der Einsatz der Erdverkabelung für die Erprobung der Gleichstromübertragung durch die nach § 12 e Abs. 3 EnWG i.V.m. § 12 b Abs. 1 Nr. 3 a EnWG und § 2 Abs. 2 BBedPlG (Entwurf) möglichen Pilotprojekte sowie für die in § 2 Abs. 1 EnLAG enthaltenen Vorhaben in Drehstromtechnologie vorgesehen, um den Einsatz von Erdkabeln auf der Höchstspannungsebene im Übertragungsnetz als Pilotvorhaben zu testen. Die Landesregierung teilt daher die Auffassung der Bundesnetzagentur, dass die gesetzlich vorgesehenen Pilotprojekte zur Erprobung neuer Technologien zügig realisiert werden sollen. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 28.02.2013 (7 VR 13.12) entschieden, dass 4 sich die Regelungen des EnLAG bezüglich der Erdverkabelung auf der Höchstspannungsebene nur dahin verstehen lassen, dass über diese Regelungen hinaus für eine Erdverkabelung auf der Höchstspannungsebene kein Raum sein solle (ebenda Randziffern 28 – 30). Dies geht auch aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie hervor (BT-Drs. 17/4559 S.6) - siehe auch die Antwort zu Frage 4. 6. Welchen Änderungsbedarf sieht die Landesregierung an der Verordnung zur Änderung der Vorschriften über elektromagnetische Felder und das telekommunikationsrechtliche Nachweisverfahren? Die Landesregierung hat im Rahmen des Bundesratsverfahrens vorgeschlagen, dass zum Zwecke der Vorsorge eine Niederfrequenzanlage zur Fortleitung von Elektrizität mit einer Frequenz von 50 Hertz und einer Nennspannung von 220 Kilovolt und mehr nur errichtet oder wesentlich geändert werden darf, wenn im Normalbetriebsfall der maximale Effektivwert der magnetischen Flussdichte in Gebäuden oder Gebäudeteilen , die zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, einen Wert von 1 Mikrotesla nicht überschreitet. Dem ist der Bundesrat in seiner Sitzung vom 03.05.2013 nicht gefolgt. 7. Wie hat die Landesregierung im Bundesrat bei der Entscheidung über die Änderung der genannten Verordnung (BR-Drs. 209/13) und über die einzelnen Änderungsanträge dazu abgestimmt? Alle Maßgaben des Bundesrates wurden mit den Stimmen Schleswig-Holstein beschlossen . Schleswig-Holstein hat der Hauptempfehlung zu Ziffer 11 der Drucksache 209/1/13 zugestimmt, die keine Mehrheit gefunden hat.