SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 19/1381 19. Wahlperiode 10.04.2019 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennys Bornhöft (FDP) und Antwort der Landesregierung – Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren Impfsituation in Schleswig-Holstein Drucksache 19/1381 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode 2 Vorbemerkung des Fragestellers: Impfungen können Leben retten. Umso wichtiger ist, dass sich die Gesellschaft mit der Thematik auseinandersetzt. Die Ständige Impfkommission des Robert Koch-Institut gibt hierzu regelmäßig eine aktualisierte Impfempfehlung heraus, die im Internet abgerufen werden kann. Ich frage daher die Landesregierung, wie die derzeitige Impfsituation in Schleswig- Holstein aussieht. Bei der Bewertung dieser Frage, bitte ich die Landesregierung auf folgende Punkte besonders einzugehen: 1. Wie hoch ist der Anteil der geimpften, im Vergleich zu nicht geimpften Bevölkerung ? Lässt sich anhand der Daten eine Altersstruktur ableiten? Wenn ja, wie sieht diese aus? Antwort: Daten zur Durchimpfung liegen für Kinder vor. Sowohl die Daten aus der KV- Impfsurveillance (auf der Basis von KV-Abrechnungsziffern, siehe www.vacmap .de) als auch die Daten aus der Schuleingangsuntersuchung (siehe www.rki.de > Impfen > Impfquoten) zeigen eine gute Inanspruchnahme von Impfungen im Kindesalter. Die Durchimpfungsraten sind in den letzten 10 Jahren kontinuierlich angestiegen und stagnieren auf einem hohen Niveau. Vergleichbar umfassende Daten zur Durchimpfung von Erwachsenen liegen nicht vor. Im Rahmen von Masern-Geschehen zeigen sich insbesondere Impflücken bei älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Aktivitäten der Impfkampagne Schleswig-Holstein fokussieren daher besonders auf die jungen Erwachsenen. 2. Hat die Landesregierung Informationen über den volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Effekt des Impfens und Nicht-Impfens bezogen auf vermeidbare Erkrankungen und Todesfälle als auch Entwicklungstendenzen von Krankheitstagen in Schleswig-Holstein? Wenn ja, welche? Antwort: Nein, dazu liegen der Landesregierung keine Daten vor und können im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage auch nicht ermittelt werden. 3. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über Folgeschäden durch mögliche Nebenwirkungen von Schutzimpfungen? Welche Fälle sind der Landesregierung bekannt? Hat es eine Zunahme von Impfschäden durch die vermehrte Verabreichung von sogenannten Kombinationsimpfstoffen gegeben? Bitte nach Fallzahlen, Altersgruppen und Behandlungsbedarfe darstellen. Antwort: Anträge auf Versorgung bei Impfschaden auf der Basis von § 60 Infektionsschutzgesetz werden an das Landesamt für soziale Dienste (LAsD) gerichtet. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode Drucksache 19/ 1381 3 Hinsichtlich der vorliegenden Anträge wird auf die anhängende Tabelle verwiesen . Alle im LAsD (Lübeck) bekannten Fälle wurden in der anhängenden Tabelle aufgelistet. Daraus ergeben sich aus den Jahren 2009 – 2018 fünf anerkannte Impfschadensfälle. Eine Zunahme ist nicht ersichtlich. In der Spalte Impfungen sind die dem LAsD vorliegenden Informationen zu den Impfstoffen aufgeführt. In zwei Fällen wurde ein Kombinationsimpfstoff angegeben („TDPP“ = Tetanus, Diphtherie, Pertussis , Poliomyelitis). In den Jahren 2009 – 2018 wurden insgesamt 38 Impfschadensanträge gestellt . 11 Anträge sind noch nicht entschieden. Von den 27 entschiedenen Anträgen wurden fünf als Impfschaden anerkannt. Bei allen anerkannten Fällen handelt es sich um Erwachsene. Ein Behandlungsbedarf ergibt sich ggf. aus den anerkannten Schädigungsfolgen. Hierzu liegen keine weiteren Informationen vor. 4. Welche sicherheitsrelevanten und gesundheitlichen Risiken sieht die Landesregierung insbesondere im Bereich der Kinderbetreuung und des Grundschulbesuchs durch nicht geimpfte Kinder? Antwort: In Gemeinschaftseinrichtungen (z.B. Kindertageseinrichtungen und Schulen) besteht ein enger Kontakt unter den Kindern, oftmals auch zwischen Erzieherinnen und Erziehern sowie Kindern, der eine Ausbreitung von Infektionserkrankungen begünstigt. Ein Impfschutz hat sowohl für den individuellen Schutz, als auch für den Schutz Anderer, in diesen Einrichtungen eine hohe Bedeutung . Dies gilt für Masern in besonderem Maße. Masern sind sehr ansteckend und leicht übertragbar, ein direkter Kontakt ist für eine Masern-Infektion nicht zwingend erforderlich. Erfahrungen aus Ausbruchsgeschehen zeigen, dass der Aufenthalt in demselben Flur wie ein Infektiöser für eine Ansteckung bereits ausreichend sein kann. Masernerkrankte sind bereits einige Tage vor Auftreten des Exanthems, also bevor die Diagnose gestellt wird, ansteckend. Eine Ansteckung kann also bei nicht-immunen Kindern bereits erfolgt sein, bevor eine Masernerkrankung bekannt wird. Eine Ansteckung mit Masern hat u.U. gravierende Folgen sowohl für das einzelne Kind, das schwer erkranken kann, als auch für die Gemeinschaft, da ein Ausbruchsgeschehen folgen kann. Säuglinge und kleine Kinder haben ein besonders hohes Risiko für schwere Verläufe und für Folgeschäden. Die subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) ist eine seltene, aber gravierende Spätkomplikation, die durchschnittlich 6 – 8 Jahre nach Infektion auftritt. Das Risiko ist für Kinder, die zum Zeitpunkt der Infektion unter fünf Jahren sind, besonders hoch. Es wird auf etwa 20–60 SSPE-Fälle pro 100.000 Masernerkrankungen geschätzt. Beginnend mit psychischen und intellektuellen Veränderungen entwickelt sich ein fortschreitender Verlauf mit neurologischen Störungen und Ausfällen bis zum Verlust sämtlicher Hirnfunktionen (siehe www.rki.de > Infektionskrankheiten > Masern ). Für KiTas mit Krippengruppen ist der Masernschutz besonders relevant. Die erste regelhafte Impfung gegen Masern findet ab dem 12. Lebensmonat statt, die zweite Impfung ab dem 16. Lebensmonat. Bei früher Aufnahme in eine Drucksache 19/1381 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode 4 KiTa vor dem 12. Lebensmonat ist die 1.Impfung ab dem Alter von neun Monaten empfohlen (siehe Empfehlung der STIKO, www.rki.de/STIKO). Da Kinder bis zum 9. Lebensmonat nicht geimpft werden können, lässt sich schlussfolgern , dass das Masernrisiko einer früheren Aufnahme in die Kita aus Infektionsschutz -Sicht entgegensteht. Nicht zu vernachlässigen ist das Infektionsrisiko durch nicht-immune Erwachsene . Die Altersgruppe der jungen Erwachsenen ist im Rahmen von Masern- Ausbruchsgeschehen in besonderem Maße betroffen. Es kommen sowohl ungeimpfte Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrerinnen und Lehrer als auch Eltern als Infektionsquelle in Frage. Es liegt in der Verantwortung der Einrichtung , auf einen ausreichenden Impfschutz der Mitarbeiter zu achten. Ebenso liegt es in der Verantwortung der Eltern, auf einen ausreichenden eigenen Impfschutz zu achten. Bei Auftreten von übertragbaren Erkrankungen in einer Gemeinschaftseinrichtung erfolgt ein Ausschluss erkrankter und krankheitsverdächtiger Kinder auf der Basis von § 34 Absatz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG, www.gesetze-iminternet .de/ifsg). Weitere Schutzmaßnahmen, wie der Ausschluss ansteckungsverdächtiger oder nicht-immuner Kinder, werden vom Gesundheitsamt auf der Basis von § 28 IfSG angeordnet. Hierzu gehört der Ausschluss von nicht-geimpften Kindern bei Auftreten einer Masernerkrankung oder Verdacht auf das Vorliegen einer solchen Erkrankung. Der Ausschluss Erkrankter, Ansteckungsverdächtiger und Nicht-Immuner führt zu einer Unterbrechung der Infektionskette , dient dem Schutz der Infektionsgefährdeten und ist damit ein wirksames Mittel des individuellen Schutzes und der Ausbruchsprävention. Die Gemeinschaftseinrichtungen müssen ihre Mitwirkungspflichten nach § 34 IfSG gegenüber dem Gesundheitsamt im Sinne eines bestmöglichen Infektionsschutzes konsequent erfüllen. Anlage Tabelle Anträge auf Versorgung bei Impfschaden nach § 60 IfSG Jahr Gestellte Anträge Ablehnung Noch offen Davon anerkannt Behandlungsanspruch Jahrgänge Impfungen 2009 3 3 0 2010 5 3 2 1938 1938 Grippeimpfung Schweinegrippe 2011 1 1 0 2012 4 4 0 2013 1 1 0 2014 3 2 1 1977 TDPP 2015 5 3 2 1962, 1952 Pneumokokken, TDPP 2016 3 2 1 0 2017 3 1 2 0 2018 10 2 8 0 Hinsichtlich der Behandlungsbedarfe kann allenfalls die anerkannte Schädigungsfolge mitgeteilt werden. Anerkennung Jahr Impfung Jahrgang Anerkannte Schädigungsfolge 2010 Grippeimpfung 1938 Keine Angabe möglich 2010 Schweinegrippe 1938 Keine Angabe möglich 2014 TDPP 1977 Abgelaufene Polyradikulitis Guilliain-Barre-Strohl 2015 Pneumokokken 1962 Narbe am linken Oberarm 2015 TDPP 1952 Restbeschwerden nach Rezidiv eines Guilliain-Barre-Syndroms i.S. einer abgrenzbaren anhaltenden Verschlimmerung