´ SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 19/1603 19. Wahlperiode 19-08-20 Kleine Anfrage der Abgeordneten Özlem Ünsal (SPD) und Antwort der Landesregierung - Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus Sozialunternehmen (Social Entrepreneurship) in Schleswig-Holstein Vorbemerkung der Landesregierung: Bei der Erfassung betroffener Unternehmen müssen Sozialunternehmen von Unternehmen der Sozialwirtschaft und Inklusionsunternehmen abgegrenzt werden. Der Definition von Sozialunternehmen (i.S.d. Social Entrepreneurship) folgend, fördert das Integrationsamt keine Sozialunternehmen. Die Inklusionsunternehmen wie sie vom Integrationsamt gefördert werden sind Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes, die Unternehmenszwecken nachgehen, wie andere vergleichbare Unternehmen der gleichen Unternehmenssparte auch. Diese Unternehmen sind hauptsächlich im Bereich der Produktion und Dienstleistung tätig und fertigen z.B. Verkehrssicherungssysteme aus Kunststoff, Maschinenteile oder Pflanzenerde oder sind im Bereich des Garten- und Landschaftsbaus, der Wäscherei oder Gastronomie tätig, also in klassischen Geschäftsfeldern. Diese Firmen beschäftigen mindestens 30 % schwerbehinderte oder gleichgestellte Arbeitnehmer, der Unternehmenszweck ist allerdings nicht der, langfristig Lösungen für soziale Probleme oder für einen wesentlichen, positiven Wandel der Gesellschaft zu schaffen. Ebenso sind Unternehmen bzw. frei-gemeinnützige Institutionen der Sozialwirtschaft, z.B. Betreiber von Pflegeeinrichtungen, Werkstätten für Menschen mit Behinderung oder Kindertagesstätten, die soziale Dienstleistungen anbieten und damit einen we- Drucksache 19/1603 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode 2 sentlichen Beitrag zur sozialen Gestaltung der Gesellschaft leisten, nicht als Sozialunternehmen i.S.d. Social Entrepreneurship zu sehen. 1. Wie viele Sozialunternehmen in Kiel und Schleswig-Holstein insgesamt sind dem Land bekannt und werden derzeit durch die Wirtschaftsförderungen des Landes bzw. über die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Schleswig- Holstein gefördert? (Bitte nach Standorten und Förderungssummen auflisten. Antwort: Es gibt unterschiedliche Ansätze zur Definition des Begriffs „Sozialunternehmen“. Neben den Erläuterungen des MSGJFS versteht die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) darunter Unternehmer, die durch ihre unternehmerische Tätigkeit in erster Linie einen spezifischen Beitrag zur Lösung eines gesellschaftlichen Problems oder zum Umweltschutz leisten wollen1. Die Bundesregierung stellt auf soziale Organisationen ab, die von Personen aus ihrem individuellen bürgerlichen Engagement heraus gegründet bzw. betrieben werden, um gesellschaftliche Herausforderungen mit innovativen und unternehmerischen Herangehensweisen zu lösen2. Der Begriff „Sozialunternehmen “ wird auch in der Fragestellung nicht weiter konkretisiert. Daraus folgt, dass für Zwecke der Wirtschaftsförderung eine statistische Zuordnung nur eingeschränkt möglich ist. Hilfsweise kann auf die Wirtschaftszweige „Heime“ (Nace-Code 87) und „Sozialwesen“ Nace-Code 88) abgestellt werden. Der Wirtschaftszweig „Gesundheitswesen“ (Nace-Code 86, im wesentlichen Krankenhäuser und Arztpraxen) wird hier nicht weiter betrachtet. Gemäß Auskunft des Statistikamtes Nord gab es per Stichtag 31.12.2017 in Schleswig -Holstein 2.380 Betriebe aus den Wirtschaftszweigen „Heime“ und „Sozialwesen“, davon 190 in Kiel. Auch bei den Förderinstituten Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH), Bürgschaftsbank Schleswig-Holstein (BB-SH) und Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Schleswig-Holstein (MBG) weist die Abgrenzung naturgemäß Unschärfen auf. Die folgende Tabelle umfasst Darlehen, Bürgschaften und Beteiligungen, die im Wesentlichen den Wirtschaftszweigen „Heime“ und „Sozialwesen“ zugeordnet werden können. Tabelle: Wirtschaftsförderung durch IB.SH, BB-SH und MBG in den Jahren 2016 bis 2018, aufgeschlüsselt nach Kreisen 1 Pressemitteilung der KfW vom 07.01.2019, „Social Entrepreneurs in Deutschland“ 2 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Förderung von Sozialunternehmen“ vom 05.10.2012, Drs. 17/10926 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode Drucksache 19/1603 3 Anzahl Volumen in T€ Dithmarschen 8 995 Flensburg, Stadt 9 1.130 Herzogtum Lauenburg 4 289 Kiel 4 4.000 Lübeck, Hansestadt 3 1.598 Neumünster, Stadt 2 600 Nordfriesland 2 526 Ostholstein 2 780 Pinneberg 0 0 Plön 4 577 Rendsburg-Eckernförde 7 4.293 Schleswig-Flensburg 17 3.835 Segeberg 4 587 Steinburg 2 375 Stormarn 4 1.772 Summe 72 21.357 In den Jahren 2016 bis 2018 wurden von den drei Förderinstituten insgesamt 72 „Sozialunternehmen“ mit einem Volumen von rd. 21,4 Mio. Euro finanziert. Zusätzlich hat die IB.SH von 2016 bis 2018 Darlehen i.H.v. rd. 180 Mio. Euro für kommunale und private Krankenhäuser vergeben. Ebenso könnte ein – an dieser Stelle nicht weiter bezifferter - Teil der sozialen Wohnraumförderung (insgesamt rd. 505 Mio. Euro) den „Sozialunternehmen“ angerechnet werden, sofern der Darlehensnehmer ein sozialer Träger ist. Diese Darlehen sprengen allerdings den Rahmen der Wirtschaftsförderung bei Weitem. Aus der einzelbetrieblichen Förderung zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur wurden keine Zuschüsse vergeben. 2. Welche spezifischen Förderprogramme für Sozialunternehmen bestehen in Schleswig-Holstein und in welcher Höhe sind Förderungen möglich? Bitte um Auflistung. Antwort: Im Bereich der „Wirtschaftsförderung“ bzw. Unternehmensfinanzierung bestehen keine spezifischen Förderprogramme für Sozialunternehmen in Schleswig-Holstein, siehe auch Antwort zu Frage 3. Hinzuweisen ist auf das bundesweite KfW-Programm „IKU – Investitionskredit Kommunale und Soziale Unternehmen“. Der Kredithöchstbetrag liegt bei 50 Mio. Euro pro Vorhaben. Im Landesprogramm Arbeit sind spezifische Unterstützungs- oder Beratungsangebote für Sozialunternehmen nicht enthalten. Drucksache 19/1603 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode 4 3. Welche Kriterien bestehen bei Wirtschaftsförderungsprogrammen die Sozialunternehmen möglicherweise ausschließen oder sogar benachteiligen (beispielsweise der Non-Profit-Charakter/die Gemeinnützigkeit, Befreiung von der Gewerbesteuer usw.), und wie können diese behoben werden? Antwort: Im Rahmen der Wirtschaftsförderung sind die Finanzierungsangebote der Förderinstitute auf die gewerbliche Wirtschaft (bestehende Unternehmen incl. Freie Berufe sowie Existenzgründungen/Übernahmen) ausgerichtet. Die Programme sind weitgehend branchenunabhängig, stehen also auch grundsätzlich den Sozialunternehmen offen. Allerdings müssen diese der gewerblichen Wirtschaft zuzuordnen sein. Wesentliches Kriterium ist dabei eine wirtschaftliche Tätigkeit , die auf Dauer mit der Absicht zur Gewinnerzielung betrieben wird. Ein weiteres Kriterium bei der Vergabe von Darlehen, Bürgschaften und Beteiligungen ist das Vorliegen eines wirtschaftlich tragfähigen Konzeptes. Gemeinnützigkeit weist gerade auf einen nicht-gewerblichen Zweck hin und führt quasi per definitionem zum Ausschluss von der Wirtschaftsförderung. In Einzelfällen kann die IB.SH im Rahmen einer Konsortialfinanzierung gemeinsam mit der Hausbank auch nicht gewerblich ausgerichtete Sozialunternehmen begleiten. Freiberufler sind regelmäßig von der Gewerbesteuer befreit; die Befreiung ist in diesen Fällen kein Ausschlusskriterium. Als Fazit lässt sich festhalten, dass gewerbliche ausgerichtete Sozialunternehmen von den Förderinstituten im Rahmen der Wirtschaftsförderung begleitet werden können . Eine Förderung von Sozialunternehmen ohne Gewinnerzielungsabsicht ist nicht im Rahmen der Wirtschaftsförderung möglich. 4. In welcher Weise hat das Land seit Beginn der 19. Legislaturperiode wirkungsorientiertes Investieren (Social Impact Investing) gefördert? Antwort: Unter Social Impact Investing (deutsch: Wirkungsorientiertes Investieren) versteht man Investitionen in Unternehmen, Organisationen und Fonds, mit der gezielten Absicht , neben einer positiven finanziellen Rendite messbare, positive Auswirkungen auf die Gesellschaft zu erzielen. Die soziale Wirkung ist Teil der Investmentstrategie und wird gemessen. Damit unterscheidet sich Impact Investing sowohl von klassischen , rein renditegetriebenen Anlagen als auch von Spenden, d.h. Impact Investing schließt die Lücke zwischen renditeorientierten Investitionen und Spenden für soziale Zwecke. Die entscheidenden Unterschiede zum Social Responsible Investing sind die explizite Festlegung von Wirkungszielen und die Messung der Wirkung des Investments 3. Das Land hat seit Beginn der 19. Legislaturperiode Social Impact Investing nicht gefördert . 3 Gabler Wirtschaftslexikon Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode Drucksache 19/1603 5 5. Welche spezifischen Formen von Innovations- und Gründungsberatungen bietet das Land Sozialunternehmen an und sind künftig weitere Leistungen geplant ? Antwort: Das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus fördert im Rahmen des Projekts „Innovationsorientierten Netzwerk StartUp SH“ das Teilprojekt „Social Entrepreneurship “, das unter anderem auch Beratungen für Gründungen von Sozialunternehmen anbieten. Überdies bestehen im Rahmen des Netzwerks StartUp SH weitere Beratungsangebote , die auch für Sozialunternehmen offen sind. Darüber hinaus können auch weitere im Land vorhandene Gründungsberatungsangebote, wie zum Beispiel von den Förderlotsen der IB.SH „Beratung zur Gründung/Nachfolge und zur Finanzierung von Sozialunternehmen“ in Anspruch genommen werden. 6. Bestehen im Land dauerhafte und institutionell verlässliche Austausch-, Vernetzungs- und Zusammenarbeitsstrukturen zur Förderung von Sozialunternehmen und welche Rolle spielt dabei die Arbeitsgruppe „Social und Sustainable Entrepreneurship“ des Innovationsorientierten Netzwerk Start Up SH? Antwort: Das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus fördert das von Hochschulen und hochschulnahen Einrichtungen in Schleswig-Holstein getragene Projekt „Innovationsorientierten Netzwerk StartUp SH“, um Gründungen noch besser zu unterstützen . Ziel ist, die Gründungskultur in Schleswig-Holstein insgesamt zu stärken, die Zahl erfolgreicher Gründungen zu erhöhen und Gründungsprozesse zu beschleunigen. Im Rahmen dieses Projekts wird auch der Bereich Social Entrepreneurship explizit gefördert. Das Aufgabenspektrum des bei der „School of Sustainability“ an der Cristian-Albrechts– Universität Kiel angesiedelten Themas umfasst u.a. die Unterstützung von Studierende, für gesellschaftliche Herausforderungen eigene sozialunternehmerische Lösungen zu entwickeln . Es macht Gründerteams mit Strategien, Konzepten und Akteuren von Social Entrepreneurship vertraut und führt sie von der Entwicklung einer ersten Projektidee weiter bis zu einem Pilotvorhaben. Im Social Startup Programm soll Gründerteams die betreute Implementierung eines Pilotvorhabens (Prototyp) ermöglicht werden. Die Initiierung und der Erfolg sozialunternehmerischer Gründungen hängen in einem hohen Maße an der Einbettung von Gründerinnen und Gründer in eine funktionierende Community. Das Entstehen einer lebendigen Social Innovation Community soll im Rahmen des Projekts deshalb aktiv gefördert werden. Die Zukunftsmacher-Plattform (https://zukunftsmacher-plattform.org/) ist eine zentrale Lern-, Informations- und Vernetzungsplattform des Landes Schleswig-Holstein für die Bereiche Social Innovation und Social Entrepreneurship. Der Aufbau der Zukunftsmacher-Plattform wird seit 2014 von der Landesregierung, der Stadt Kiel und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert. Darüber hinaus werden im Rahmen des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Programms "Empowerment for Change" u.a. online-Lernmodule erstellt. Im Rahmen des vom Wissenschaftsministerium geförderten Programms "yooweedoo - Teaching for Empowerment" werden Lehrende an Hochschulen in Schleswig-Holstein dabei unterstützt, eigene Lehrangebote einzurichten, die es Studierenden ermöglichen, sozial innovative und sozialunternehmerische Vorhaben zu planen und umzusetzen. Dabei können sie das wachsende Spektrum von Lernangeboten auf der Zukunftsmacher-Plattform nutzen. Drucksache 19/1603 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode 6 7. Welche Strategie verfolgt die Landesregierung zur Unterstützung von Sozialunternehmen ? 8. Welche Ziele setzt sich das Land, um Schleswig-Holstein als Standort für Sozialunternehmerinnen und Sozialunternehmer (Social Entrepreneurs) attraktiver zu machen? Antwort zu Frage 7 und 8: Die Landesregierung hat sich insgesamt zum Ziel gesetzt, die Rahmenbedingungen für kleine und mittelständische Unternehmen in Schleswig-Holstein zu verbessern. Davon profitieren auch die Sozialunternehmen, sofern sie der gewerblichen Wirtschaft zuzuordnen sind.