SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 19/264 19. Wahlperiode 18.10.2017 Kleine Anfrage des Abgeordneten Volker Schnurrbusch (AfD) und Antwort der Landesregierung - Ministerpräsident Rundfunkbeitrag auf dem Prüfstand Vorbemerkung des Fragestellers: Wie die "FAZ" unter Berufung auf die "Neue Juristische Wochenschrift" (NJW) am 1.10. berichtet, stellt "das Bundesverfassungsgericht den Rundfunkbeitrag grundlegend auf den Prüfstand". Demnach hat der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts u.a. einen Fragenkatalog an alle Landesregierungen verschickt, der sich mit der Verfassungsgemäßheit des Rundfunkbeitrages befasst. Äußern sollen sich auch die öffentlich-rechtlichen Sender, Bundestag, Bundesrat und die Landtage. Den Fragen des Bundesverfassungsgerichts liegen eine Reihe von Verfassungsbeschwerden von Privatpersonen und Unternehmen zugrunde. Die Frist für eine etwaige Stellungnahme endet am 31.10. 2017. 1. Wird die Landesregierung gegenüber dem Bundesverfassungsgericht eine Stellungnahme abgeben? Antwort: Die Staats- und Senatskanzleien der Länder haben beschlossen, eine gemeinsame Stellungnahme gegenüber dem Bundesverfassungsgericht abzu- Drucksache 19/264 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode 2 geben. Diese soll durch einen Gutachter verfasst werden. Die Länder beabsichtigen , Prof. Dr. Dieter Dörr hierfür zu beauftragen. 2. Wie beurteilt die Landesregierung aus finanzverfassungsrechtlicher Sicht die Tatsache, dass der Rundfunkbeitrag durch die Anbindung an eine Wohnung - und nicht an ein Empfangsgerät - den Charakter einer Steuer bekommen hat? Antwort: Nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag der Länder wird seit dem 1. Januar 2013 für jede Wohnung ein einheitlicher Rundfunkbeitrag erhoben. Die Kompetenzregelungen der Finanzverfassung des Grundgesetzes sind nicht anwendbar, weil es sich bei dem Rundfunkbeitrag nicht um eine Steuer, sondern um eine rundfunkspezifische nichtsteuerliche Abgabe handelt, die in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für das Rundfunkrecht fällt. Der Rundfunkbeitrag wird dabei nicht wie eine Steuer voraussetzungslos, sondern als Gegenleistung für die Möglichkeit erhoben, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme empfangen zu können, ohne dass es darauf ankommt, ob die Nutzung tatsächlich erfolgt. Es handelt sich hierbei um den Ausgleich besonderer staatlich gewährter Vorteile, die es rechtfertigen, dieses zumindest teilweise abzuschöpfen oder den Empfänger zur Tragung von deren Kosten heranzuziehen . Diese Auffassung wurde vom Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 18.03.2016, Az.: BVerwG 6 C 6.15) sowie von den Verfassungsgerichtshöfen Bayern (Urteil vom 15.05.2014, Az.: Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12) und Rheinland- Pfalz (Urteil vom 13.5.2014 – Az.: VGH B 35/12) bestätigt. 3. Wie beurteilt die Landesregierung die Tatsache, dass dadurch auch bei Vorhandensein von Zweitwohnungen der Gebührenpflichtige zweimal den vollen Rundfunkbeitrag entrichten muss? Antwort: Die Rundfunkbeitragspflicht der Wohnungsinhaber im privaten Bereich begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies gilt auch dann, wenn ein beitragspflichtiger Wohnungsinhaber für mehrere Wohnungen den Rundfunkbeitrag zu zahlen hat. Gerade bei der Ordnung von Massenerscheinungen bleibt dem Gesetzgeber im Rahmen sachgerechter Abwägung aus Gründen der Praktikabilität und Rechtssicherheit ein Spielraum für vereinfachende Typisierungen und Pauschalierungen . Für die Zulässigkeit der gewählten Typisierung spricht, dass es sich beim Rundfunkbeitrag um einen Fall des massenhaften Vollzugs handelt. Das erfordert eine einfache und praktikable Ausgestaltung der Abgabenpflicht, Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode Drucksache 19/264 3 die zudem verlässlich vollziehbar sein muss. Diesem Erfordernis entspricht das neue Beitragsmodell besser als die frühere, schwerer zu kontrollierende gerätebezogene Gebühr. Auf Einzelfälle beschränkte Härten sind nicht zuletzt durch die vom Gesetzgeber in legitimer Weise verfolgten Ziele gerechtfertigt, Ermittlungen in der Privatsphäre möglichst zu vermeiden und den Verwaltungsvollzug in einem Massenverfahren zu erleichtern sowie gegen Umgehungsmöglichkeiten oder Missbrauch abzusichern. Die Gesetzgeber waren deshalb nicht gehalten, für Personen, die als Inhaber mehrerer Wohnungen als Beitragsschuldner zur Zahlung verpflichtet sind, im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag differenzierende Regelungen zu schaffen. Eine Regelung, die den Beitragspflichtigen von der Zahlungspflicht für die Zweitwohnung bzw. seine weiteren Wohnungen freistellt oder diese ermäßigt, weil er alleiniger Schuldner ist, würde in ihrer Durchsetzung zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand führen. Diese Auffassungen wurden auch vom Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 25.01.2017, Az.: BVerwG 6 C 7.16) sowie von den o.g. Urteilen der Verfassungsgerichtshöfe Bayern und Rheinland-Pfalz bestätigt. 4. Wie beurteilt die Landesregierung den Umstand, dass Betriebe für jede Betriebsstätte und für jedes Firmenfahrzeug Beiträge entrichten müssen, auch wenn sie nicht gleichzeitig genutzt werden? Antwort: Auch der Rundfunkbeitrag im nicht privaten Bereich ist eine nichtsteuerliche Abgabe, deren Erhebung von der Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Rundfunkrecht gedeckt ist. Die Beitragserhebung ist somit verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Sie stellt die Gegenleistung für den individuell zurechenbaren Vorteil dar, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme empfangen zu können; dieser Vorteil wird durch die Anknüpfung der Beitragspflicht an das Innehaben einer Betriebsstätte bzw. eines betrieblich genutzten Kraftfahrzeugs verlässlich erfasst. Es ist aus Gründen der Belastungsgleichheit nicht geboten, Inhaber von Betriebsstätten und betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen, in denen ein Rundfunkempfangsgerät nicht vorhanden ist, von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien. Auch im nicht privaten Bereich gilt: Gerade bei der Ordnung von Massenerscheinungen bleibt dem Gesetzgeber im Rahmen sachgerechter Abwägung aus Gründen der Praktikabilität und Rechtssicherheit ein Spielraum für vereinfachende Typisierungen und Pauschalierungen. Angesichts der Tatsache , dass in Kraftfahrzeugen von der Möglichkeit des Rundfunkempfangs in besonderer Weise Gebrauch gemacht wird, würde ein Verzicht auf eine Bei- Drucksache 19/264 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode 4 tragserhebung hierfür eine Privilegierung bedeuten. Diese darf der Gesetzgeber dem privaten Bereich vorbehalten, weil dort große Fahrzeugflotten undenkbar und zudem Kraftfahrzeuge nur im nicht privaten Bereich steuerlich abzugsfähig sind. Zudem ist das Anliegen des Gesetzgebers sachgerecht, mit der Regelung auch diejenigen zu erfassen, die keine Betriebsstätten unterhalten oder benötigen, weil sie sich zur Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit – wie etwa ein Taxiunternehmer ohne beitragspflichtiges Büro – allein eines Kraftfahrzeugs bedienen. Das Beitragsaufkommen beachtet die Zweckbindung des Rundfunkbeitrags und verletzt weder das Übermaßverbot noch das Kostendeckungsprinzip. Die Erhebung des Rundfunkbeitrags im nicht privaten Bereich lässt dabei ein strukturelles Erhebungsdefizit nicht erkennen. Diese Auffassungen wurden auch vom Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 07.12.2016, Az.: BVerwG 6 C12.14, BVerwG 6 C 13.15, BVerwG 6 C 14.15 und BVerwG 6 C 49.15 ) sowie insbesondere auch dem o.g. Urteil des Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz bestätigt. 5. An welchen Punkten sieht die Landesregierung Reformierungsbedarf im öffentlich -rechtlichen Rundfunksystem - insbesondere was die Finanzierung, die Programmfülle und die Konkurrenz zu privaten Medienunternehmen betrifft? Antwort: Es ist Aufgabe der Länder, einen Ausgleich zwischen der Programmautonomie der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (Staatsferne des Rundfunks) und der Höhe des Rundfunkbeitrages zu finden. Die berechtigten Interessen der privaten Rundfunkveranstalter sowie der Presseverlage sind dabei zu wahren. 6. Hält die Landesregierung den sogenannten "Zukunftsplan", den ARD und ZDF am 1.10. der Rundfunkkommission der Länder vorgelegt haben, für ausreichend , um Einsparpotentiale bei ARD und ZDF zu erreichen? Wenn nein: wo muss aus Sicht der Regierung nachgebessert werden? Antwort: Die Landesregierung erkennt die intensiven Bemühungen der Anstalten an. Die im „Zukunftsplan“ genannten Vorschläge sind ein erster Schritt, Einsparpotenziale zu heben. Bei einigen der Vorschläge besteht hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit allerdings noch Optimierungsbedarf. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode Drucksache 19/264 5 7. Der "Zukunftsplan" stellt Einsparungen bei den Altersbezügen der fest angestellten Mitarbeiter in Aussicht, nimmt jedoch keine Abstriche beim Programm vor. Das Angebot im Internet soll sogar noch weiter ausgebaut werden. Sieht die Landesregierung hier Regulierungsbedarf, um private Unternehmen, z.B. Verlage, vor gebührenfinanzierter Konkurrenz zu schützen? Antwort: Eine Reform muss die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, den fairen Wettbewerb mit den kommerziellen Anbietern und die Belastung der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler gleichermaßen im Auge haben. Die Landesregierung legt dabei Wert auf die Feststellung, dass bei Reformmaßnahmen das bestehende Schutzniveau für die Verleger sowie die privaten Medienunternehmen nicht beeinträchtigt werden darf.