SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 19/469 19. Wahlperiode 2018-02-02 Kleine Anfrage des Abgeordneten Claus Schaffer, AfD und Antwort der Landesregierung – Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration Haftbefehle Laut Presseberichterstattung werden aktuell 2.111 ausstehende Haftbefehle nicht vollstreckt. (SHZ-Artikel vom 15.01.2018) Vorbemerkung der Landesregierung: Die nachfolgenden Antworten beziehen sich, entsprechend der vom Fragesteller in Bezug genommenen Presseberichterstattung, auf Haftbefehle, die auf der Grundlage der Strafprozessordnung (StPO), auch in Verbindung mit dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), ergehen. 1. Wie viele Haftbefehle wurden in den Kalenderjahren 2015, 2016 und 2017 in Schleswig-Holstein ausgefertigt? (Bitte nach Art der Haftbefehle aufschlüsseln.) Antwort: Der tatsächliche Erlass eines Haftbefehls wird im staatsanwaltlichen Datensystem MESTA nicht erfasst. Erfasst werden lediglich die Fälle, in denen das Formular zur Beantragung eines Haftbefehls in der EDV der Staatsanwaltschaft aufgerufen wurde. Aus diesem Schritt lassen sich jedoch keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob der Haftbefehl tatsächlich beantragt und in der Folge auch vom zuständigen Gericht erlassen worden ist. Eine händische Einzelauswertung der Verfahren ist in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Eine Abfrage bei den Gerichten verspricht schon deshalb keine belastbaren Drucksache 19/469 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode 2 Zahlen, weil die durch Gerichte erlassenen Haftbefehle nur eine Teilmenge aller Haftbefehle darstellen. Vollstreckungshaftbefehle nach § 457 Absatz 2 StPO werden von der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde erlassen. 2. Wie viele Haftbefehle wurden in den Kalenderjahren 2015, 2016 und 2017 vollstreckt, wie viele blieben ohne Vollstreckung? (Bitte nach Art der Haftbefehle und Hinderungsgrund bei Nichtvollstreckung aufschlüsseln.) Antwort: Die von der Justiz zur Fahndungsausschreibung vorgesehenen Haftbefehle, (siehe hinsichtlich der Differenzierung die Antwort zu Frage 4) werden zentral für die Landespolizei durch das Landeskriminalamt in das polizeiliche Fahndungssystem eingestellt. Seit Ende Januar 2015 werden beim Landeskriminalamt die Erfassungs- und Erledigungszeitpunkte elektronisch erfasst und sind dahingehend auswertbar. Die Art des Haftbefehls wird nicht gespeichert und kann daher nicht aufgeschlüsselt werden. Differenziertere oder weiterführende Angaben zu den in das polizeiliche Fahndungssystem eingestellten Haftbefehlen wären nur durch die einzelne Auswertung von teilweise nicht in elektronischer Form vorliegenden Unterlagen möglich und daher mit erheblichem Umfang verbunden. Nachstehend sind die im Sinne der Fragestellung automatisiert auswertbaren Angaben zu den durch das Landeskriminalamt in das polizeiliche Fahndungssystem eingestellten Haftbefehlen seit Ende Januar 2015 dargestellt: Vollstreckte Haftbefehle: Angaben zu im jeweiligen Kalenderjahr erledigten Haftbefehlen (Stand: 24.1.2018). Jahr Erledigte Haftbefehle insgesamt Davon durch Festnahme erledigt (bundesweit) Davon durch Rücknahme der Justiz erledigt 2015 1.549 1.102 447 2016 1.851 1.257 594 2017 1.794 1.245 549 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode Drucksache 19/469 3 Nicht vollstreckte Haftbefehle: Angaben zu im jeweiligen Kalenderjahr erfassten Haftbefehlen, die seit Erfassung noch nicht vollstreckt wurden. (Stand: 24.1.2018) Jahr im Kalenderjahr erfasste Haftbefehle davon bislang nicht vollstreckt 2015 1.685 251 2016 2.042 441 2017 2.033 860 Die Anzahl der nicht vollstreckten Haftbefehle sinkt, je länger die Fahndung andauert, da die Wahrscheinlichkeit einer Überprüfung der betreffenden Person ansteigt. Ein Teil der Haftbefehle bezieht sich zudem auf Personen, die sich nicht oder nicht mehr in Deutschland aufhalten, so dass diese in der Statistik enthaltenen Haftbefehle nicht vollstreckt werden können (s. § 456 a StPO Absehen von Vollstreckung bei Auslieferung, Überstellung oder Ausweisung). 3. Wie viele „unveröffentlichte Haftbefehle“ wurden ausgefertigt? (Bitte nach Landgerichtsbezirk und Art der Haftbefehle aufschlüsseln.) Antwort: Den Begriff des „unveröffentlichten“ bzw. „veröffentlichten“ Haftbefehls kennt die Strafprozessordnung nicht. Unabhängig davon, welche Haftbefehle hiermit gemeint sind, handelt es sich um eine Teilmenge der Zahl aus der Frage zu Ziffer 1, weshalb die Frage aus denselben Gründen nicht belastbar beantwortet werden kann. 4. Welches sind die Kriterien für die Einstufung als „unveröffentlichter Haftbefehl“ und wer legt diese Einstufung fest? Antwort: Den Begriff des „unveröffentlichten“ bzw. „veröffentlichten“ Haftbefehls kennt die Strafprozessordnung nicht (siehe Antwort auf Frage 3). Sollten mit „veröffentlichten“ Haftbefehlen solche gemeint sein, bei denen es zu Fahndungsmaßnahmen kommt, während „unveröffentlichte“ solche Fälle meint, in denen eine Fahndung unterbleibt, verhält es sich wie folgt: Zunächst ist nicht jeder Fall, in dem ein Haftbefehl erlassen worden ist, ein potentieller Fahndungsfall. Fahndungsmaßnahmen nach den §§ 131 ff. StPO kommen nur dann in Betracht, wenn der Aufenthaltsort des Betroffenen nicht bekannt ist. Eine praktisch bedeutsame und häufige Fallkonstellation im Zusammenhang mit dem Erlass von Untersuchungshaftbefehlen liegt aber darin, dass der Beschuldigte vorläufig festgenommen und auf Antrag der Staatsanwaltschaft dem Haftrichter vorgeführt wird, welcher antragsgemäß Drucksache 19/469 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode 4 einen Haftbefehl erlässt. Der Beschuldigte wird dann unmittelbar der Justizvollzugsanstalt zugeführt, eine Fahndung scheidet von vornherein aus. Bei Erlass eines Haftbefehls gegen eine Person, deren Aufenthalt unbekannt ist (Fahndungsfall), ergibt sich aus der Rundverfügung des Generalstaatsanwalts vom 3. Mai 2011 (470-98) Folgendes: • In Fällen von Untersuchungshaftbefehlen, Sicherungshaftbefehlen, Unterbringungsbefehlen, Haftbefehlen gemäß § 230 Abs. 2 StPO, Haftbefehlen zur Vollstreckung von Freiheitsstrafen sowie solchen zur Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen ab 90 Tagessätzen erfolgt generell eine Fahndungsausschreibung. Zusätzlich möglich ist eine örtliche Fahndung. • Bei Haftbefehlen zur Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen wegen Geldstrafen unter 90 Tagessätzen kann entweder eine Fahndungsausschreibung erfolgen oder ausschließlich eine örtliche Fahndung erfolgen oder beides kombiniert werden; hierüber entscheidet die Staatsanwaltschaft nach pflichtgemäßem Ermessen. • Bei Erzwingungshaftbefehlen erfolgt ausschließlich eine örtliche Fahndung, die von der Staatsanwaltschaft veranlasst wird. 5. Wie viele Beamte sind in der Landespolizei mit der Personenfahndung direkt betraut? (Bitte nach Polizeidirektionen und LKA aufschlüsseln.) Antwort: LKA • Koordinierungsstelle Fahndung – die Aufgabe wird in wechselnden Zeitanteilen durch drei Mitarbeiter/ -innen als Querschnittsaufgabe wahrgenommen. • Zielfahndung – 3 Planstellen Die Zielfahndung ist eine gezielte, besonders intensive, operative Fahndung nach einzelnen ausgewählten zur Festnahme gesuchten Straftätern, die meist auch der Vorrangfahndung unterliegen und besonders gefährlich sind. Polizeidirektionen • Bezirksfahndungskommandos (BFK) bei den Bezirkskriminalinspektionen (BKI) Die BFK sind die für den Wohnsitz zuständigen Organisationseinheiten, für gezielte Fahndung nach Personen. Diese fahnden in eigener Zuständigkeit bei Haftbefehlen u.a. gem. §§ 112 ff, 126a, 453c StPO. Hierfür sind landesweit 12 Planstellen vorgesehen. • Örtliche Polizeidienststellen Eine konkrete Angabe der für die Personenfahndung eingesetzten/ vorgesehenen Beamten auf den örtlichen Polizeidienststellen ist nicht möglich. Dort eingehende Haftbefehle werden von den diensthabenden Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten im Rahmen des täglichen Einzeldienstes abgearbeitet. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode Drucksache 19/469 5 6. Wird seitens der Landesregierung der Personalansatz für die Personenfahndung in der Landespolizei für ausreichend erachtet und wie wird die Bewertung begründet? Antwort: Ja, der Personaleinsatz wird für ausreichend erachtet. Es besteht aus Sicht der Landesregierung kein strukturelles Vollstreckungsdefizit.