SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 19/737 19. Wahlperiode 04.06.2018 Kleine Anfrage des Abgeordneten Stefan Weber (SPD) und Antwort der Landesregierung – Ministerium für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung Situation in den Strafvollzugsanstalten in Schleswig-Holstein Unter dem Titel „Gefängnisse vor dem Kollaps“ berichtete das Hamburger Abendblatt am 25.04.18 (S. 5) von Auswirkungen einer Überlastung der bundesdeutschen Justizvollzugsanstalten infolge von Überbelegung, Personalmangel und unzureichender Unterbringung der Gefangenen in veralteten Anstalten. Ebenso wird auf die immer problematischere Zusammensetzung der Gefangenenpopulation hingewiesen. Der Bund der Strafvollzugsbeamten spricht von kompletter Überlastung des Vollzuges. In dem Bericht wird unter anderem vom Handel mit Drogen und verbotenen Gegenständen sowie über Strukturen organisierter Kriminalität in den Justizvollzugsanstalten berichtet. 1. Welche Drogen (nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel, verschreibungspflichtige Medikamente ohne Verordnung und verbotene Substanzen) wurden in den Justizvollzugsanstalten (JVA) Itzehoe, Flensburg, Kiel, Lübeck und Kiel in den Jahren 2014 bis 2017 aufgefunden? Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Justizvollzugsanstalt, Art und Menge der Substanz. Antwort Die in den Vollzugsanstalten gefundenen Drogen sind der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen. Drucksache 19/737 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode 2 2014 2015 2016 2017 Flensburg - 5 x THC, Kleinstmengen, - 3 x Benzodiazepine - 5 x THC, Kleinstmengen, - 2 x Benzodiazepine , - 1 x Subutex - 3 x THC, Kleinstmengen, - 2 x Benzodiazepine , - 1 x Subutex - 3 x THC, Kleinstmengen, - 3 x Benzodiazepine , - 1 x Subutex Itzehoe - 2 x THC, Kleinstmengen* - 1 x unbekannte Substanz** - 3 x THC, Kleinstmengen - 1 x Subutex - 1 x unbekannte Substanz - 5 x THC, Kleinstmengen - 2 x Benzodiazepin - 5 x unbekannte Substanz - 1 x THC, Kleinstmengen - 1 x Subutex - 1 x unbekannte Substanz Kiel - 9 x THC, Kleinstmengen, - 1 x Subutex, - 1 x Rivtril, - 1 x Seroquel, - 1 x Atosil, - 1 x Amphetamin , - 1 x Ecstasy, - 4 x unbekannte Substanz 17 x THC, Kleinstmengen, - 1 x Kreatinin, - 1 x Amineurin, - 2 x Heroin, - 2 x Subutex, - 1 x Kräutermischung , - 1 x Seroquel, - 8 x unbekannte Substanz 6 x THC, Kleinstmengen, - 1 x Subutex, - 5 x unbekannte Substanz 8 x THC, Kleinstmengen - 5 x Kräutermischung , - 1 x Heroin, - 6 x unbekannte Substanz Lübeck - 7 x THC, Kleinstmengen bis 11g - 3 x kokainhaltige Substanz, - 1 x opiumhaltige Substanz, - 1 x Ecstasy, 10 Tabletten, - 1 amphetaminhaltige Substanz 9 x THC, Kleinstmengen bis 20g, - 4 x opiumhaltige Substanz, - 1 x Ecstasy, - 3 x amphetaminhaltige Substanz , - 2 x Subutex, insgesamt 10 Tabletten 9 x THC, Kleinstmengen bis 7g, - 1 x opiumhaltige Substanz, - 1 x Ecstasy, - 3 x amphetaminhaltige Substanz , - 1 x Subutex, 96 Tabletten, - 1 x Hydromorphon , 1 Kapsel 8 x THC, Kleinstmengen bis 29g, - 3 x kokainhaltige Substanz, 1 x opiumhaltige Substanz, - 4 x amphetaminhaltige Substanz , - 1 x Subutex, - 1 x Omnadren, 19 Ampullen, - 1 x Hydromorphon Neumünster - THC, insgesamt 523g, - Kokain, insgesamt 2g, - „Spice“, insgesamt 1g, - Heroin, insgesamt 1g - THC, insgesamt 55g, - „Spice“, insgesamt 7g, - THC, insgesamt 41g, - „Spice“, insgesamt 7g, - THC, insgesamt 162g, - „Spice“, insgesamt 12g, - Oxycodon- Retard, insgesamt 2 Stück Schleswig Keine Erhebung Keine Erhebung - 2 x THC, ca. 20g - 1 x THC, ca. 25g Jugendarrest - 1 x THC, Kleinstmenge - 1 x THC, Kleinstmenge - 4 x THC, Kleinstmenge - 1 x unbekannte Substanz - 1 x THC, Kleinstmenge * Als Kleinstmenge werden Drogen bis ca. 2g bezeichnet, die ungewogen mit einer Strafanzeige an die Polizei weitergeleitet werden. ** Aufgrund typischer Verpackungsweise werden unbekannte Substanzen mit einer Strafanzeige an die Polizei weitergeleitet. Aufgrund von Verlegungen und/oder Entlassungen ist es der anzeigenden Anstalt nicht bekannt, um welche Substanz es sich gehandelt hat. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode Drucksache 19/737 3 2. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um gegen die Verbreitung von Drogen innerhalb der Justizvollzugsanstalten Schleswig-Holsteins vorzugehen? Antwort Durch eine Vielzahl von Maßnahmen wird dem Einbringen, die Weitergabe innerhalb des Vollzuges und dem Konsum von Drogen entgegengetreten. Im Einzelnen: Die Außenmauer wie das Vorfeld werden durch Kameras überwacht, um Überwürfe schnellstmöglich aufzudecken. Zudem werden das Gelände und insbesondere die Freistundenhöfe der Justizvollzugsanstalten regelmäßig abgegangen, um nach verbotenen Gegenständen Ausschau zu halten, die evtl. über die Mauer geworfen wurden . Erhalten die Gefangenen Besuch, so werden die Inhaftierten vor und nach dem Besuch von den Bediensteten nach verbotenen Substanzen und Gegenständen durchsucht und zum Teil umgekleidet. Zudem werden die Besuche optisch überwacht. Taschen und Gegenstände der Besucher dürfen nicht mit in den Besuchsraum genommen werden. Lockerungsgeeignete Gefangene werden nach ihrer Rückkehr in die Justizvollzugsanstalten umgekleidet und deren Kleidung wird durchsucht sowie auf Manipulationen kontrolliert. In den Justizvollzugsanstalten des Landes Schleswig-Holstein revidieren die Abteilungsbediensteten die Haft- und Freizeiträume der Gefangenen regelmäßig und aus besonderem Anlass, um Drogen, die in den Vollzug gelangt sind, vor der weiteren Verbreitung sicherzustellen. Des Weiteren kontrollieren die Bediensteten der Arbeitsbetriebe täglich die Arbeitsbereiche der dort tätigen Gefangenen. Ferner werden die Gefangenen beim Zuführen und Abholen von der Arbeit durchsucht. Eingehende Briefe und Pakete werden im Beisein der Gefangenen geöffnet und nach verbotenen Gegenständen durchsucht wie auch durch eine Gepäckdurchleuchtungsanlage kontrolliert. Des Weiteren werden die Haftraumfenster zunehmend mit einer Feinvergitterung versehen, um eine Weitergabe von Drogen (sog. pendeln) zu verhindern. Gefangene, die in den Justizvollzugsanstalten substituiert werden oder andere verschreibungspflichtige Medikamente erhalten, müssen diese unter Aufsicht einnehmen . Anschließend wird der Mundraum visuell kontrolliert. Ferner müssen die Gefangenen unregelmäßige und unangekündigte Urinproben / Drogentests abgeben. Im Fall eines Drogenbesitzes oder -konsums wird dieses disziplinarisch geahndet. Präventive Informationsveranstaltungen für Gefangene werden in Zusammenarbeit mit der Suchtberatung und dem medizinischen Dienst in den Justizvollzugsanstalten angeboten, um über die schädliche Wirkung von Drogen aufzuklären. Drucksache 19/737 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode 4 Die schleswig-holsteinische Polizei und der Zoll unterstützen auf Anforderung den Justizvollzug, indem sie unregelmäßig Drogenspürhunde in den Justizvollzugsanstalten einsetzen. Darüber hinaus stehen Gefangenen die ambulant und stationär tätigen Suchtberatungsstellen und -kliniken zur Verfügung. Diese Stellen ergreifen keine direkten Maßnahmen gegen die Verbreitung von Drogen, unterstützen aber bei der Problembehebung durch die Suchtberatung und Behandlung von Gefangenen. Der Landesregierung liegen keine Zahlen vor, wie die Beratungs- und Behandlungsangebote genutzt werden. 3. Wurden Waffen in den einzelnen Justizvollzugsanstalten Schleswig-Holsteins aufgefunden , und wenn ja, welche Art von Waffen einschließlich Klingen wurden in den Jahren 2014 bis 2017 aufgefunden? Bitte aufschlüsseln nach Jahr und Justizvollzugsanstalt . Antwort Waffen wie Schuss-, Hieb- oder Stichwaffen wurden in dem genannten Zeitraum nicht sichergestellt. Die Anzahl der gefundenen Gegenstände, die missbräuchlich als Waffen eingesetzt werden könnten, sind der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen. 2014 2015 2016 2017 Flensburg Keine Manipulierter Einwegrasierer Metallstrebe Schraubendreher , Besenstiel Itzehoe Keine Rasierklingen, zum Messer umgebaut Angespitztes Metallstück Keine Kiel Keine Keine Keine Keine Lübeck * Neumünster Spielzeugpistole , angespitzte Gabel, spitzer Dorn 10cm lange Klinge eines Cutter-Messers, angespitzte Zahnbürste Messer, angespitzte Zahnbürste Glasscherbe, 8cm langer Metalldorn , angespitztes Brotmesser , Schweißdraht, 25cm lange Schere, 45cm langer angespitzter Holzstab , Reißnadeln , 30cm lange Metallstange Schleswig Angespitzte Zahnbürste Keine Keine Keine Jugendarrest Keine Keine Keine Keine * In der JVA Lübeck wurden in dem benannten Zeitraum umgebaute Gegenstände, die als Waffe eingesetzt werden können wie Stuhl- oder Tischbeine, abgebrochene Stiele, angespitzte Besteckteile oder Stichwerkzeuge aus Keramik, Glas oder Blech sichergestellt. Diese Funde wurden bisher nicht zentral dokumentiert, so dass eine Zuordnung für das jeweilige Jahr nicht möglich ist. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode Drucksache 19/737 5 4. Wurden Mobiltelefone in Justizvollzugsanstalten Schleswig-Holsteins sichergestellt ? Bitte aufschlüsseln nach Jahr und Justizvollzugsanstalt. Antwort Die Anzahl der sichergestellten Mobilfunde ist der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen . 2014 2015 2016 2017 Flensburg 6 12 2 4 Itzehoe 1 3 2 1 Kiel 2 8 12 7 Lübeck 14 14 14 12 Neumünster 118 71 42 67 Schleswig Keine Erhebung 1 1 3 Jugendarrest Keine Erhebung 1 1 0 Gesamt 141 110 74 94 5. Welche sonstigen unerlaubten Gegenstände wurden in den Jahren 2014 bis 2017 in den einzelnen Justizvollzugsanstalten Schleswig-Holsteins sichergestellt? Bitte aufschlüsseln nach Jahr und Justizvollzugsanstalt. Antwort Die Anzahl der unerlaubten Gegenstände ist der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen . 2014 2015 2016 2017 Flensburg USB-Stick, Pendel Smart-Watch, Rauchgerät, Pendel USB-Stick, Tätowiergerät, Rauchgerät, Pendel Tätowiergerät, Angesetzter, Metallnagelfeile, Rauchgerät Itzehoe Tauchsieder, Rauchgerät Tätowiergerät, Angesetzter Rauchgeräte, Kassiber Angesetzter Kiel * Lübeck ** Neumünster USB-Stick, Spritzen, Alkohol, Bargeld, 170 €, Rauchgeräte, Hefe Rauchgeräte, Drohne Bargeld, 150 € SIM-Karte Rauchgeräte, Bargeld, 130 € Rauchgeräte, Bargeld, 1.100 €, Hefe, SIM-Karte Schleswig Keine USB-Stick USB-Stick Keine Jugendarrest Keine Keine Keine Keine * Eine Statistik über sichergestellte unerlaubte Gegenstände wird in der JVA Kiel bisher nicht geführt. Drucksache 19/737 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode 6 ** In der JVA Lübeck erfolgt bisher keine zentrale, sondern eine personenbezogene Dokumentation von Funden in den Gefangenenpersonalakten. Eine Auswertung der Akten ist aufgrund der für die Beantwortung zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 6. Gibt es Hinweise oder Erkenntnisse über das Bestehen von Strukturen organisierter Kriminalität in den Justizvollzugsanstalten Schleswig-Holsteins, und wenn ja, welche sind dies und welche Maßnahmen werden dagegen unternommen. Antwort In der JVA Lübeck wie auch in den anderen Anstalten sind einzelne Gefangene wegen Straftaten im Bereich der organisierten Kriminalität inhaftiert. Hinweise auf Strukturen organisierter Kriminalität sind derzeit aber weder in der JVA Lübeck, noch in den anderen Justizvollzugsanstalten des Landes Schleswig-Holstein zu erkennen. Generell sind subkulturelle Betätigungen unter Gefangenen nie vollständig zu verhindern . Um diesem Problembereich entgegenzuwirken und daraus keine organisierte Kriminalität entstehen zu lassen, sind in den Anstalten Sicherheitsmaßnahmen verschiedener Art installiert, die detailliert nicht öffentlich dargestellt werden können. Auf Fehlverhalten Gefangener wird unmittelbar reagiert (z. B. durch räumliche Trennung der beteiligten Gefangenen), alle Verdachtsfälle von Straftaten in den Justizvollzugsanstalten werden angezeigt. Die strafrechtliche Bewertung obliegt den Staatsanwaltschaften. 7. Gibt es Hinweise oder Erkenntnisse über Aktivitäten von sog. „Outlaw Motorcycle Clubs“ in den Justizvollzugsanstalten in Schleswig-Holstein in den Jahren 2014 bis 2017 wie z.B. finanzielle oder logistische Unterstützung inhaftierter Mitglieder, Anwerben neuer Mitglieder oder Beteiligung der Clubs oder ihrer inhaftierten Mitglieder am Handel mit Drogen oder unerlaubter Gegenstände in den Anstalten sowie der Durchsetzung finanzieller Verpflichtungen aus illegalen Geschäften von Gefangenen oder ihren Angehörigen? Wenn ja, bitte nach Anstalten getrennt auflisten. Antwort Die Erfahrungen zeigen, dass sich Mitglieder von sogenannten „Outlaw Motorcycle Clubs“ im Vollzug während der Inhaftierung entsprechend den Regeln verhalten, nicht durch den Besitz von Drogen oder unerlaubter Gegenstände auffallen und auch nicht innerhalb der Anstalt versuchen, Mitglieder zu werben. Sie werden durch nicht inhaftierte Mitglieder im Rahmen des Erlaubten moralisch wie auch finanziell unterstützt. Erkenntnisse, dass sie an der Durchsetzung finanzieller Verpflichtungen aus illegalen Geschäften von Gefangenen oder Angehörigen beteiligt sind, liegen nicht vor. 8. Gibt es Hinweise oder Erkenntnisse über Aktivitäten islamistischer Organisationen in den Justizvollzugsanstalten in Schleswig-Holstein in den Jahren 2014 bis 2017 wie z.B. Anwerbeversuche unter Gefangenen, Verbreitung religiöser Schriften, Datenoder Tonträger, die der islamistischen oder salafistischen Szene zuzuordnen sind? Wenn ja, bitte nach Anstalten getrennt auflisten. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode Drucksache 19/737 7 Antwort Hinweise oder Erkenntnisse über Aktivitäten islamistischer Organisationen gibt es in keiner Justizvollzugseinrichtung des Landes. Einzelne Gefangene sind im Vollzug als radikal-islamistische Gefangene eingestuft und werden besonders beobachtet. Auf diesem Wege wurde in der JVA Lübeck bekannt , dass einzelne Gefangenen versuchen, andere Gefangene für ihre Anliegen zu gewinnen. Dieses konnte unterbunden werden. In dem besagten Zeitraum wurde in der JVA Neumünster ein Schreiben sichergestellt , dass eine Nähe zum IS-Staat erkennen ließ. Das Schreiben wurde nicht weitergeleitet .