SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 19/769 19. Wahlperiode 13.06.2018 Kleine Anfrage des Abgeordneten Lars Harms (SSW) und Antwort der Landesregierung - Der Ministerpräsident Schleswig-Holsteins Engagement im Rahmen des Bund-Länder-Programms des BMZ zur Bekämpfung von Fluchtursachen 1. Welche Projekte in welchen Ländern wurden in den Jahren 2014, 2015, 2016 und 2017 aus den Mitteln der Haushaltsstelle 07 06 684 05 gefördert und welche sollen in 2018 gefördert werden? Vorbemerkung der Landesregierung: Die Haushaltsstelle 07 06 684 05 („Zuwendungen des Landes Schleswig- Holstein im Rahmen des Bund-Länder-Programms des BMZ zur Bekämpfung der Fluchtursachen in den Herkunftsländern sowie der Krisenbewältigung und -prävention im Zusammenhang mit der Asyl- und Flüchtlingspolitik“) wurde erst mit dem Haushalt 2016 eingerichtet. Antwort: In den Jahren 2016 und 2017 wurde jeweils ein in mehrere Module unterteiltes Projekt gefördert, das gemeinsam vom Land Schleswig-Holstein, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit - Regionalbüro Hamburg (GIZ), der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) und dem European Centre for Minority Issues (ECMI) umgesetzt wurde. Das Bundesministe- Drucksache 19/769 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode 2 rium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat die GIZ mit der Projektausführung beauftragt. Antrag und Abwicklung lief über das GIZ-Regionalbüro Hamburg. Für die Umsetzung vor Ort wurde das GIZ- Regionalbüro in Mazedonien hinzugezogen, das Träger des Projekts „Social Rights for Vulnerable Groups“ war. In diesem Projekt ging es darum, in ausgewählten Gemeinden im Westbalkan eine gleichberechtigte Teilhabe von besonders verletzlichen Gruppen, wie den Roma, an sozialen Rechten zu gewährleisten . Eine wesentliche Bedingung des Bund-Länder-Programms war es, die neuen Kooperationsprojekte an bereits bestehende Projekte vor Ort anzubinden. Für die Projektteile im Kosovo hat das ECMI-Büro in Pristina die Vorbereitung mehrerer Workshops übernommen. 2016 begann das Projekt „Förderung des Zugangs von Roma zu kommunalen Dienstleistungen im Westbalkan“ mit zwei Workshops zum Thema „Einführung in die Minderheitenpolitik Schleswig-Holsteins“, die in Mazedonien für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Mazedonien und dem Kosovo (11./12.07.) und in Belgrad für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Serbien und Bosnien und Herzegowina (14./15.07) stattfanden. Im Vorfeld hatte das ECMI eine Abfrage bei den Akteurinnen und Akteuren vor Ort durchgeführt, um ein passgenaues Training zu konzipieren. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren entweder in der Kommunalverwaltung für Minderheitenfragen zuständig, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter oder Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen , die mit Roma vor Ort arbeiten. In den Workshops wurden die inhaltlichen Schwerpunkte für eine Studienreise nach Schleswig-Holstein im Herbst des Jahres festgelegt. Im zweiten Modul, einer einwöchigen Studienreise in das deutsch-dänische Grenzland (30.10. - 04.11.), stand der Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der nationalen Minderheiten in der Region, mit Politik, Parlament und Verwaltung im Mittelpunkt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten ihre Fragen aus den Workshops vertiefen und weiter an den Projektideen arbeiten. Das dritte Modul fand im Dezember 2016 in Skopje statt. Ziel dieses Moduls war die Entwicklung von konkreten Projektskizzen zur Anpassung und Implementierung ihrer Erfahrungen aus Schleswig-Holstein in ihren Kommunen. Diese Projekte wurden dann im folgenden Jahr mit Unterstützung der GIZ, der FUEN, des ECMI und der Staatskanzlei umgesetzt. Anhand der im Workshop im Dezember 2016 erarbeiteten Projektideen wur- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode Drucksache 19/769 3 den zu Beginn des fortgesetzten Projekts 2017 von den Projektbeteiligten in Deutschland und im Westbalkan Teilprojekte ausgewählt. So wurden im Laufe des Projekts folgende Teilprojekte umgesetzt: Teilnahme ausgewählter Partnerorganisationen am FUEN-Kongress 2017 im rumänischen Cluj-Napoka Einführung des Amtes eines Minderheitenbeauftragten („Minority Commisioner 's Office“) in Bijeljina (Bosnien und Herzegowina) Einführung eines Forums für Sozialen Dialog und Kooperation („Forum for Social Dialogue and Cooperation“) in Tetovo (Mazedonien) Unterstützung bei der Implementierung eines Aktionsplans auf kommunaler Ebene in zwei Kommunen im Kosovo Studienreise nach Schleswig-Holstein (25. - 29.09.2017) Informationsblätter für Roma und weitere Minderheiten zu fünf unterschiedlichen Themen Handbuch mit den Strukturen, Institutionen und Einrichtungen Schleswig- Holsteins im Bereich Minderheiten und Minderheitenpolitik sowie den Umsetzungsbeispielen aus den Projekten 2016/17 Abschlusskonferenz in Skopje (01.02.2018) Für das Jahr 2018 wird derzeit geprüft, ob ein Projekt zur Verbesserung des Austausches zu Angeboten nachhaltiger (Re)Integrationsangebote für Rückkehrerinnen in den Westbalkan umgesetzt werden kann. 2. Welche Summen wurden für die einzelnen unter Frage 1 erfragten Projekte seitens des Landes aufgewandt und welche Bundesförderung oder Förderung Dritter haben diese Landesmittel ausgelöst? Antwort: Im Rahmen des Bund-Länder-Programms „Neue Formate der technischen Zusammenarbeit“ des BMZ wurden im Haushaltsjahr 2016 von Seiten des Landes 100 T€ (plus 8 T€ Personalkosten als sog. „In-Kind-Leistung“) aufgewendet . Der Anteil des BMZ betrug 109 T€. Im Haushaltsjahr 2017 belief sich die Bundesförderung auf 134 T€. Der Landesanteil blieb bei 100 T€ (plus Personalkosten). Für das Jahr 2018 sind erneut 100 T€ im Landeshaushalt für Projekte im Rahmen der Bekämpfung von Fluchtursachen eingestellt. Es ist keine Kofinanzierung durch den Bund vorgesehen. Aufgrund der nach wie vor andauernden vorläufigen Haushaltsführung auf der Bundesebene soll in diesem Drucksache 19/769 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode 4 Jahr, wie in Antwort 1 beschrieben, ein kleineres Projekt zur „Nachhaltigen Rückkehr und Reintegration in den Herkunftsländern“ realisiert werden. Insbesondere berührt dies Angehörige der Minderheit der Roma. 3. Welche Organisationen und Behörden in den Bestimmungsländern und welche zivilgesellschaftlichen Organisationen aus Schleswig-Holstein waren an den einzelnen Projekten beteiligt? Antwort: Aus den teilnehmenden Staaten des Westbalkans haben an den einzelnen Projektmodulen Vertreterinnen und Vertreter folgender Behörden und zivilgesellschaftlicher Organisationen teilgenommen: aus Bosnien und Herzegowina die Sozialzentren der Kommunen Tuzla und Bijeljina, die Stadt Bijeljina und die Kommune Tuzla sowie die Roma-Nichtregierungsorganisationen “Zemlja djece u BiH” aus Tuzla und „Otaharin“ aus Bijeljina aus Kosovo die Büros für Minderheiten und Rückkehrer aus den Kommunen Prizren und Ferizaj, die Roma-Nichtregierungsorganisationen „Durmish Asllano'' und “Gezimi Yn Rinor” sowie das Büro der Caritas Kosovo aus Mazedonien die Sozialbehörden der Kommunen Tetovo, Kumanovo und Štip sowie die Roma-Nichtregierungsorganisationen „Drom“ aus Kumanovo , „Defence of Children’s Rights“ aus Skopje, „Association for human rights and protection of Roma“ aus Štip und „Sonce“ aus Tetovo aus Serbien die Bildungsbehörde der Kommune Obrenovac, das Sozialzentrum der Kommune Niş sowie die Roma-Nichtregierungsorganisationen „Rom“ aus Obrenovac und SRH Srbija aus Belgrad aus Albanien die Sozialbehörden der Kommunen Librazhd und Elbasan In Schleswig-Holstein waren als feste Projektpartner während der zwei Jahre die FUEN und das ECMI beteiligt. Im Rahmen der beiden Studienreisen im Oktober/ November 2016 und September/ Oktober 2017 waren darüber hinaus folgende zivilgesellschaftliche Organisationen aus Schleswig-Holstein be- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode Drucksache 19/769 5 teiligt: Sydslesvig Forening (SSF) Dansk Skoleforening for Sydlesvig Sydslesvigs danske Ungdomsforeninger (SdU) Jaruplund Højskole Sydlesvigsk Vælgerforening (SSW) Frasche Rädj/ Friesenrat - Sektion Nord e.V. Friisk Foriining Rökefloose e.V. Nordfriisk Instituut/ Nordfriesisches Institut e.V. Verband deutscher Sinti und Roma - Landesverband Schleswig-Holstein Diakonisches Werk Schleswig-Holstein DialogForumNorden Jugend Europäischer Volksgruppen (JEV) Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN) JungeSPitzen 4. Welche Ergebnisse wurden im Rahmen der einzelnen Projekte erzielt? Antwort: An den Modulen des Projekts 2016 haben insgesamt 22 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus acht Kommunen in Serbien, Kosovo, Mazedonien und Bosnien und Herzegowina teilgenommen. In mehreren Workshops sowie einer Studienreise wurden „Good-practice-Beispiele“ aus der schleswig-holsteinischen Minderheitenpolitik diskutiert und Projektideen entwickelt, um diese Beispiele in den Kommunen der teilnehmenden Staaten umzusetzen. Vor allem die Funktion der / des Minderheitenbeauftragten beim Ministerpräsidenten , das DialogForumNorden als zivilgesellschaftlicher Zusammenschluss von minderheitenpolitisch- und grenzüberschreitend arbeitenden Akteuren, das Projekt der Bildungsberaterinnen und -berater für Kinder und Jugendliche der deutschen Sinti und Roma und die Idee eines „Hauses der Minderheiten“ haben diese Phase des Projekts inspiriert. Verschiedene Nichtregierungsorganisationen zeigten darüber hinaus großes Interesse an einem regionalen und europäischen Austausch mit Minderheiten in Europa über das Netzwerk der FUEN. 2017 wurden verschiedene der entwickelten Projektideen umgesetzt: So wurde in der bosnischen Stadt Bijeljina das Büro eines Beauftragten für Drucksache 19/769 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode 6 Minderheiten beim Bürgermeister eingerichtet. In einem Workshop in Flensburg mit der zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Bürgermeister der Stadt Bijeljina („Abteilung für Gesundheit, soziale Sicherung, nationale Minderheiten, Rückkehrer und Displaced Persons“) wurden die Aufgabenbeschreibung , die Struktur und die Arbeitsweise des Beauftragten erarbeitet. Dieser Workshop wurde von der Staatskanzlei geleitet. Am 17. November 2017 wurde das Büro mit einer Veranstaltung in Bijeljina offiziell eröffnet. Schon in den ersten Monaten der Arbeit des Minderheitenbeauftragten und seines Büros konnten mehrere Projekte angestoßen und Maßnahmen vor Ort umgesetzt werden. Im Nachgang zur Eröffnung des Büros hat sich die Stadt Banja Luka /Bosnien und Herzegowina an die Staatskanzlei gewandt, um ein ähnliches Projekt anzuregen. Die Anfrage wurde an das GIZ-Regionalbüro Skopje (verantwortlich für die Staaten des Westbalkans) weitergeleitet. In der mazedonischen Kommune Tetovo wurde ein Dialogforum für soziale Angelegenheiten gegründet. Gemeinsam mit den Organisationen vor Ort wurden die Struktur und die Aufgaben des Forums erarbeitet. Am 1. Dezember 2017 fand ein erstes Treffen mit dem Sekretär der Bürgermeisterin der Stadt Tetovo statt. Hier wurden gemeinsam mit der GIZ, ECMI und der NGO „Sonce mögliche Kooperationsformen zwischen der Stadt Tetovo und den beteiligten Organisationen diskutiert. Am 13. Dezember 2017 fand die Unterzeichnung des Memorandum of Understanding zwischen der Stadt Tetovo, „Sonce“ und der GIZ statt. In den Kommunen Prizren und Ferizaj im Kosovo wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der kommunalen Behörden in Monitoringverfahren für den „Nationalen Aktionsplan zur Integration der Roma und Ashkali“ geschult, der von der Zentralregierung in Pristina verabschiedet worden ist. Am 6. Juni 2017 fand der Kick-off-workshop in Ferizaj (Kosovo) statt. Hier nahmen neben der GIZ Vertreter*innen von FUEN, ECMI sowie Vertreterinnen und Vertreter von Kommunen und Organisationen im Kosovo teil. Ziel war es, die Unterstützungsmaßnahmen des Projekts bei der Implementierung des Nationalen Aktionsplans für Roma und Askhali Gemeinschaften auf kommunaler Ebene zu definieren. Es folgten zwei Workshops vom 10.-13. Oktober 2017 in Prizren und Ferizaj mit Vertreterinnen und Vertretern von ECMI und der Staatskanzlei Schleswig-Holstein. Zwei abschließende Workshops fanden am 30. und 31. Januar 2018 statt. Auf Wunsch der Partner fanden diese Workshops zum Thema „Advocacy Planing for Civil Society Representatives“ statt. Drei Roma-Organisationen konnten ihrem 2016 im Projekt geäußerten Wunsch nachkommen und sich über eine FUEN-Mitgliedschaft über die unmit- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode Drucksache 19/769 7 telbare Region hinaus in Europa vernetzen. Gemeinsam mit den Partnern aus dem Westbalkan wurden vier Themen bestimmt , zu denen einseitige Informationsblätter in Comicform erstellt wurden. Ziel dieser Informationsblätter ist es, Angehörigen von Minderheiten Informationen zur Verfügung zu stellen, für die das Lesen von Informationen eine Hürde darstellt. Zu folgenden Themen wurden Infosheets erstellt: Minority Commissioner (Bijeljina), Vorschulische Bildung (Serbien), Aufgaben von Bildungsberater *innen (Kosovo) und Frühe Ehen - Informationen für Mädchen (Mazedonien ). Die Informationsblätter wurden bei der Abschlusskonferenz als Poster an die Teilnehmerinnen und Teilnehmern zur Verbreitung in ihren Regionen verteilt. Außerdem wurde ein Handbuch herausgegeben, dass die Strukturen der Minderheitenpolitik in Schleswig-Holstein in komprimierter Form darstellt („Handbook on Minority Institutions in Schleswig-Holstein - Transfer of models to the Western Balkans“). Das Handbuch wurde auf der Abschlusskonferenz und darüber hinaus verteilt und soll weitere Kommunen im Westbalkan für die Thematik sensibilisieren und Ideen und Kooperationsmöglichkeiten aufzeigen. In der Abschlusskonferenz wurden die Ergebnisse des Gesamtprojekts präsentiert und die erfolgreichen Implementierungen vor Ort an Multiplikatoren aus den fünf Ländern weitergegeben. Eingeladen waren Vertreterinnen und Vertreter von Städten und Gemeinden sowie Nichtregierungsorganisationen, die nicht im Projekt involviert waren, sowie Vertreterinnen und Vertreter des mazedonischen Bildungsministeriums und internationaler Institutionen, die in der Region aktiv sind (OSZE, Europarat, deutsche Botschaft in Skopje). Es haben 70 Personen an der Konferenz teilgenommen. Neben der Vorstellung des minderheitenpolitischen Modells Schleswig-Holsteins wurden die Ergebnisse des Projekts vorgestellt und diskutiert. Der zweite Teil der Konferenz beschäftigte sich mit der Frage nach den Erfolgsfaktoren für einen Wissenstransfer . Im Nachgang zum Projekt haben verschiedene Städte, Institutionen und Nichtregierungsorganisationen Interesse an einer Fortsetzung und Ausweitung des Austausches und der Zusammenarbeit bekundet. Diese Möglichkeiten werden gegenwärtig geprüft. Schleswig-Holstein schärft mit seinem Engagement in der internationalen Zusammenarbeit sein minderheitenpolitisches Profil und macht sein Alleinstellungsmerkmal als eine der minderheitenpolitischen Modellregionen in Europa stärker sichtbar.