SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 19/ 913 19. Wahlperiode 10.09.2018 Kleine Anfrage des Abgeordneten Bernd Heinemann (SPD) und Antwort der Landesregierung – Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren Maßnahmen zur Erhaltung bzw. Verbesserung der medizinischen Versorgung Vorbemerkung der Landesregierung: Die Sicherung und Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung im vor allem ländlich geprägten Schleswig-Holstein ist schon seit Jahren von der Erkenntnis geprägt, dass dazu Aufbau und Weiterentwicklung der sektorenübergreifenden Versorgung entscheidend ist. Angesichts der demografischen Entwicklung – die natürlich auch Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Psychotherapeutinnen und – therapeuten sowie alle übrigen Gesundheitsfachberufe betrifft – ist es heute noch drängender als vor Jahren, die Möglichkeiten der sektorenübergreifenden Versorgung besser als bisher zu nutzen. Allerdings erschwert der derzeitige bundesgesetzliche Rahmen die dynamische Entwicklung landesspezifischer Projekte, weshalb die Landesregierung intensiv daran arbeitet, hier mehr Spielraum für regionale Akteure zu schaffen. Auf eine Differenzierung zwischen Maßnahmen zur Sicherung der Gesundheitsversorgung allgemein und zur Weiterentwicklung der sektorenübergreifenden Versorgung wird daher verzichtet. 1. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung ggf. zusammen mit weiteren Akteuren in den letzten fünf Jahren veranlasst, um die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum sowie in Brennpunktstadtteilen zu sichern und zu verbessern? Antwort: Die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum wird seit Jahren von allen Akteuren im Gesundheitswesen in Schleswig-Holstein als Daueraufgabe erkannt und wahrgenommen. Statt einer umfassenden Auflistung wird daher für den ambulanten Bereich auf den Bericht der Landesregierung „Ärztliche Versorgung im Drucksache 19/ 913 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode 2 ländlichen Raum“ (Umdruck 18 /3317) verwiesen, der das Ergebnis der Beratungen des gemeinsamen Landesgremiums gem. § 90 a SGB V darstellt. Die im Bericht dargestellten Aktivitäten werden fortgeführt. Ergänzend als konkrete Beispiele: HALLIGeMED: Die medizinische Versorgung auf den Halligen wird zu einem großen Teil durch die dort beschäftigten Krankenpfleger (Halligpfleger) sichergestellt . Diese können, dank der neuen telemedizinischen Anbindung durch HALLIGeMED, unter Anleitung eines beratenden Facharztes auf dem Festland , ggf auch im UKSH, die gezielte Befragung der Patienten im Hinblick auf die Beschwerden und die Vorgeschichte vornehmen bzw. bestimmte körperliche Untersuchungen durchführen. Das im März 2018 durch Übergabe des Förderbescheides des Landes formal gestartete Projekt wird über drei Jahre laufen, die Kosten von insgesamt 750 T Euro teilen sich das Sozialministerium (450 T Euro) und das Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration (300 T Euro). Aktuell wurde die Markterkundung beendet. Sie diente einer Kosten- und Leistungsabschätzung des Marktes, sodass die Auftragsvergabe detaillierter beschrieben werden konnte. Als nächstes sollen konkrete Auftragsnehmer gezielt zu einer Angebotserstellung aufgefordert werden. Integriertes Versorgungszentrum (IVZ) Brunsbüttel: Ziel des IVZ ist es, die Notfallversorgung sowie die Grund- und Regelversorgung der Region rund um die Uhr an allen Tagen des Jahres aufrechtzuerhalten und zu fördern. Neben dem bestehenden medizinischen Versorgungsangebot entsteht eine neue interdisziplinäre Notaufnahme, die mit einer Intermediate Care Station für Patienten ergänzt wird. Zudem wird die Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein integriert. Die Baumaßnahmen für das IVZ wurden von Land und Kommunen allein in 2016 mit 9,4 Mio. Euro gefördert. Durch das Projekt IVZ wird die Existenz des relativ kleinen Krankenhauses in einer neuen Struktur durch mehr Wirtschaftlichkeit und mittels neuer Wege bei der Versorgung der Patienten gesichert sowie der Wunsch aller Beteiligten im Gesundheitswesen nach Verzahnung eingelöst. Die Problematik der ärztlichen Versorgung in Brennpunktstadtteilen stellt im überwiegend ländlich geprägten Schleswig-Holstein kein eigenes Problem dar, sondern wird bei festgestellten Versorgungsproblemen im Sinne von Einzelfalllösungen in der Regel über den sog. „Sonderbedarf“ durch die Selbstverwaltung bearbeitet. Dadurch können auch in für weitere Zulassungen gesperrten Planungsbereichen vom Zulassungsausschuss zusätzliche Ärzte durch sog. „Sonderbedarfszulassungen“ zugelassen werden. Ob sich dann Ärzte finden lassen, ist letztlich auch ein Ergebnis der im Bericht (Umdruck 18 /3317) geschilderten Gesamtbemühungen. Die Landesregierung hat beschlossen, den gesamten Versorgungsbedarf im Gesundheits - und Pflegebereich (unter Berücksichtigung der bestehenden ambulanten, stationären und sektorenübergreifenden Versorgungsangebote) in Schleswig- Holstein zu prüfen. Die besondere Situation im ländlichen Raum sowie von Inseln und Halligen soll dabei besonders berücksichtigt werden. Die Bestandsaufnahme der Versorgungssituation wurde mit dem Kreis Ostholstein begonnen. Im Februar 2018 wurde daher das IGES Institut beauftragt, ein Gutachten zu Aspekten der medizinischen Versorgung für den Kreis Ostholstein zu erstellen. Das Gutachten sollte eine Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode Drucksache 19/ 913 3 detaillierte Darstellung der akut-stationären Krankenhausversorgung für die Bevölkerung des Kreises Ostholstein sowie eine Darstellung der ambulanten Versorgung mit den wesentlichen fachärztlichen Angeboten beinhalten. Über die Strukturanalyse hinaus sollten im Gutachten Empfehlungen zur zukünftigen Struktur der akutstationären Versorgung gemacht werden. Die Ergebnisse des Gutachtens werden im Rahmen einer Gesundheitskonferenz am 18. September 2018 in Eutin vorgestellt. 2. Welche Maßnahmen sind aktuell in der Planung, um die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum und in Brennpunktstadtteilen weiter zu stabilisieren und nachhaltig voran zu bringen? Antwort: Zur Verbesserung der Lenkung der Patientinnen und Patienten auf die für das konkrete Gesundheitsproblem angemessene Versorgungsebene sowie zur Entlastung der Notaufnahmen der Krankenhäuser hat die Landesregierung im März 2018 eine Bundesratsinitiative eingebracht, durch die die rechtliche Möglichkeit geschaffen werden soll, die bisher nur außerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten geöffneten Anlaufpraxen des ärztlichen Bereitschaftsdienstes 24/7/365 als „Portalpraxen“ zu betreiben. Entsprechend dem Koalitionsvertrag wurde durch die Landesregierung ein Versorgungssicherungsfonds errichtet. Er soll vor allem sektorenübergreifende Maßnahmen für den niedergelassenen Bereich unterstützen. Für 2018 stehen 2 Mio. Euro zur Verfügung, 2019 3,5 Mio. Euro, ab 2020 sollen jährlich 5 Mio. Euro zur Verfügung gestellt werden. Die für die Umsetzung von konkreten Maßnahmen erforderliche Richtlinie befindet sich gerade in der Abstimmung. Da mit den Methoden der Telemedizin dazu beigetragen werden kann, die Erreichbarkeit ärztlicher Versorgung zu erhalten oder zu verbessern, sollen mit dem Versorgungssicherungsfonds auch mobile, technische sowie digitale Lösungen gefördert werden können, wie z. B das Projekt „Telemedizin im ländlichen Raum“: hier wird über Videotelefonie der Augenarzt mit dem Hausarzt verbunden, bei dem der Patient sitzt, und die nichtärztliche Praxisassistentin (NäPa) besucht mit dem „Telematik-Rucksack“ Patienten zuhause, um die wichtigsten Vitaldaten wie beispielsweise EKG, Gewicht und Blutdruck zu erheben . Schleswig- Holstein hat sich auf der Gesundheitsministerkonferenz dafür eingesetzt , insbesondere ärztliche Grundleistungen wie Versicherten- und Grundpauschale, Konsiliarpauschale, hausärztliche Vorhaltepauschale sowie die Pauschalen für die fachärztliche Grundversorgung von der geltenden Budgetierung, die 1993 insbesondere auf der Grundlage eines Überangebots an Ärztinnen und Ärzten eingeführt worden war, freizustellen. Die durch diesen Einstieg in die Entbudgetierung wieder möglichen sichereren und kalkulierbaren Erlöse aus der ambulanten ärztlichen Tätigkeit für GKV-Versicherte wären ein wesentlicher Beitrag, die Niederlassung zu fördern und so vor allem die aktuell schon stark gefährdete haus- und fachärztliche Grundversorgung insbesondere in den Flächenländern zu sichern. Zwar war dieser Vorstoß auf der Gesundheitsministerkonferenz nicht erfolgreich, jedoch wird dieses Instrument jetzt immerhin wieder diskutiert und ist mithin keineswegs „vom Tisch“. Gemeinsam mit Nordrhein –Westfalen konnte auf der Gesundheitsministerkonferenz ein einstimmiger Beschluss zur Stärkung der - gerade in Schleswig- Drucksache 19/ 913 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 19. Wahlperiode 4 Holstein weit verbreiteten und sehr aktiven – Praxisnetze erreicht werden. Dieser Beschluss wurde bereits in den Entwurf des Terminservice- und Versorgungsstärkungsgesetzes (TSVG) übernommen. Anerkannte Praxisnetze sollen danach bei Unterversorgung die Möglichkeit erhalten, MVZ zu gründen. Allerdings wurde im bisherigen Gesetzgebungsverfahren von Schleswig- Holstein beanstandet, dass Unterversorgung nach der jetzigen Planung bereits eingetreten sein muss, was den rechtszeitigen Erhalt von Versorgungsstrukturen durch Praxisnetze sehr erschweren würde. 3. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um die teilweise einschränkenden Sektorengrenzen in der Gesundheitsversorgung im Sinne einer umfassenden fachund hausärztlichen Optimierung der Versorgung zu überwinden? Antwort: Da die Stabilisierung und Entwicklung der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum und in Brennpunktstadtteilen vor allem durch Maßnahmen zur Überwindung der Sektoren betrieben wird und werden muss, wird auf die Antworten zu Frage 2 verwiesen. 4. Welche Maßnahmen wurden durch die Zuschüsse für Investitionen zum Ausbau der sektorenübergreifenden medizinischen Versorgung in Höhe von 3,3 Mio. Euro im Jahr 2018 finanziert? Welche Maßnahmen sollen 2019 finanziert werden? Antwort: Das Land Schleswig-Holstein stellt beginnend mit dem Haushaltsjahr 2018 aus dem Sondervermögen „InfrastrukturModernisierungsProgramm für unser Land Schleswig- Holstein (IMPULS 2030)“ Haushaltsmittel für Investitionen zum Ausbau der sektorenübergreifenden medizinischen Versorgung bereit. Schwerpunkt der Förderung ist die sektorenübergreifende ambulante Notfallversorgung, aber auch andere Maßnahmen der sektorenübergreifenden Versorgung wie z. B. im Bereich der Psychiatrie und Psychosomatik. Bevor diese Zuschüsse an Krankenhausträger ausgezahlt werden können, musste zunächst eine entsprechende Förderrichtlinie erstellt werden. Der Entwurf der Richtlinie für Investitionen zum Ausbau der sektorenübergreifenden medizinischen Versorgung liegt zurzeit dem Landesrechnungshof zur Anhörung vor. Dem MSGJFS liegen bereits mehrere Anträge vor, die aber erst nach dem Erlass der Richtlinie beschieden werden können.