03.09.2015 Drucksache 6/1015Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 17. September 2015 Rechtsposition der Thüringer Landesregierung in der Flüchtlingspolitik Die Kleine Anfrage 404 vom 14. Juli 2015 hat folgenden Wortlaut: Die Regierungskoalition, bestehend aus den Parteien DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN , will seit ihrem Amtsantritt erklärtermaßen neue Akzente in der Flüchtlingspolitik setzen. So kritisierte der Chef der Thüringer Staatskanzlei, Prof. Dr. Hoff, am 10. Juli 2015 im Bundesrat unter anderem eine Unterteilung in "richtige" und "falsche", in "schutzwürdige" und "nicht schutzwürdige" Flüchtlinge. Auch Ministerpräsident Ramelow und andere Koalitionsvertreter haben sich nach Kenntnisstand des Fragestellers in der Vergangenheit ähnlich geäußert. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie definiert die Landesregierung das in der Rede des Chefs der Staatskanzlei benannte Menschenbild der Regierungskoalition und welche Folgerungen leiten sich daraus für die Thüringer Flüchtlingspolitik ab? 2. Welches Menschenbild unterstellt die Landesregierung all denen, die auf der Anwendung und Einhaltung geltenden Asylrechts in Deutschland und Thüringen bestehen? 3. Auf welche Gesetze und Verordnungen, in denen "eine Unterteilung in richtige und falsche, in schutzwürdige und nicht schutzwürdige Flüchtlinge" vorgenommen wird, bezieht sich die Landesregierung? 4. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass im deutschen Asylrecht unterschieden wird zwischen "richtigen und falschen" bzw. "schutzwürdigen und nicht schutzwürdigen" Flüchtlingen und wie begründet sich diese Auffassung? 5. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass wirtschaftliche Motive eine maßgebliche Rolle bei der Entscheidung vieler Flüchtlinge, die nach Deutschland und Thüringen kommen, spielen, insbesondere bei jenen, deren Asylanträge abgelehnt werden? 6. Sind die Ausführungen von Vertretern der Landesregierung dahin gehend zu verstehen, dass alle Flüchtlinge , die nach Thüringen kommen, Neubürger werden sollen und mit welchen Instrumenten soll dies unterstützt werden? 7. Plant die Landesregierung eine vollständige Übernahme der dabei anfallenden Integrationskosten auch für alle jene Flüchtlinge, deren Asylanträge abgelehnt wurden und die zur Ausreise aufgefordert sind? Wenn ja, auf welcher Grundlage; wenn nein, warum nicht? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Herrgott (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1015 8. Plant die Landesregierung auch im Winter 2015/2016 einen sogenannten "Winterabschiebestopp"? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 3. September 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Landesregierung hat sich, wie auch andere Landesregierungen vor ihr, nicht auf ein bestimmtes Menschenbild verständigt. Unabhängig davon, ob die einzelnen Mitglieder der Landesregierung einem humanistischen oder christlichen Menschenbild anhängen, bestimmen das Grundgesetz und die Verfassung des Freistaats Thüringen das politische Handeln der Landesregierung nicht nur in der Asyl- und Flüchtlingspolitik . Danach sind die zentralen Elemente des Menschseins – Freiheit, Gleichheit und Gemeinschaftsbezogenheit – unter dem verfassungsrechtlichen Ausgangspunkt der Garantie der jedem Menschen individuell innewohnenden Menschenwürde zum Ausgleich zu bringen. Zu 2.: Die Thüringer Landesregierung unterstellt Dritten kein bestimmtes Menschenbild. Zu 3.: Eine Unterteilung entsprechend der Fragestellung wird weder in Gesetzen noch Verordnungen vorgenommen. Zu 4.: Es wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Zu 5.: Die Motive, warum Flüchtlinge nach Deutschland, so auch nach Thüringen, kommen, sind vielfältig. Die wesentliche Ursache für eine Flucht ist die Suche nach Schutz vor den Verhältnissen im Heimatland. Es ist nicht auszuschließen, dass auch wirtschaftliche Gründe dazugehören. Zu 6.: Zunächst ist festzustellen, dass die Grundannahme der Frage nicht zutrifft. Ein Teil der in Deutschland aufgenommenen Flüchtlinge möchte nach Überwindung der Krisen, die sie zur Flucht bewegten, wieder in ihr Heimatland zurückkehren. Allerdings sieht die Landesregierung durchaus ein Bedürfnis für eine Neugestaltung des Zuwanderungsrechts und setzt sich daher auf Bundesebene dafür ein. Zu 7.: Eine Vielzahl von Flüchtlingen, deren Asylanträge abgelehnt wurden, kann aus den verschiedensten Gründen , wie etwa bei Vorliegen bestimmter Erkrankungen, nicht ausreisen. Integrationsmaßnahmen werden in diesen Fällen für zweckmäßig erachtet. So fördert das Land etwa auf der Grundlage der "Richtlinie zur Gewährung von Zuwendungen des Freistaats Thüringen für die Förderung der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund" Integrationsprojekte, die im Einzelfall auch Flüchtlingen, deren Asylanträge abgelehnt wurden, offenstehen können. Darüber hinaus werden sogenannte Erstorientierungskurse in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes für alle dort untergebrachten Flüchtlinge angeboten. Die Landesregierung beabsichtigt aber nicht, alle Integrationskosten für Flüchtlinge, deren Asylanträge abgelehnt wurden und die zur Ausreise aufgefordert sind, vollständig zu übernehmen. Zu 8.: Die Meinungsbildung der Thüringer Landesregierung, ob es auch im Winter 2015/2016 einen Winterabschiebestopp geben wird, ist noch nicht abgeschlossen. Lauinger Minister