14.09.2015 Drucksache 6/1067Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 30. September 2015 Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Thüringen I Die Kleine Anfrage 409 vom 22. Juli 2015 hat folgenden Wortlaut: Immer mehr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kommen nach Thüringen. Zum Jahreswechsel waren es 53, für 2016 hat die Landesregierung angekündigt, über 500 aufzunehmen.1 Im nächsten Jahr wird voraussichtlich im Rahmen des Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher ein bundesweiter Verteilungsschlüssel (Königsteiner Schüssel) eingeführt, wodurch die Zahl an unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Thüringen steigen wird.2 Viele dieser Flüchtlinge stammen aus Bürgerkriegsländern wie Afghanistan, Syrien, Somalia und sind traumatisiert.3 Aus diesen Gründen werden vom Land und den Kommunen enorme finanzielle und organisatorische Anstrengungen erforderlich sein, um für eine Unterbringung, Versorgung und Betreuung zu sorgen, die dem Ziel des Kindeswohls gemäß der VN-Kinderrechtskonvention entspricht.4 Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele minderjährige unbegleitete Flüchtlinge kamen in den Jahren 2010 bis 2014 nach Thüringen (bitte nach Jahresscheiben und Herkunftsländern aufschlüsseln und bitte auch angeben wie viele minderjährige unbegleitete Flüchtlinge im jeweiligen Jahr als "staatenlos" galten)? 2. Wie verteilen sich derzeit die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge auf die Kommunen in Thüringen (bitte nach Landkreisen und kreisfreien Städten aufschlüsseln)? 3. Wie beurteilt die Landesregierung die Möglichkeit einer gerechten Lastenverteilung zwischen den Kommunen (Jugendämtern) vor dem Hintergrund der voraussichtlich ab dem 1. Januar 2016 geltenden Bundesgesetzgebung (Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher) wonach die Landesstelle, die über die Verteilung entscheidet, ein geeignetes Jugendamt auswählen soll?5 4. Wie viele Jugendämter sind nach Meinung der Landesregierung derzeit für die lnobhutnahme und Anschlusshilfe in Thüringen geeignet? 5. Wie setzen sich die Kosten für die Unterbringung und Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge zusammen (ausgegangen wird von 38 Millionen Euro für 2016 [Angaben der Landesregierung] oder 76.000 Euro pro unbegleitetem minderjährigem Flüchtling pro Jahr [bei 500 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, Angaben der Landesregierung]6; bitte nach den folgenden Ausgabeposten aufschlüsseln und die jeweils prognostizierte Summe pro Posten angeben: K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Möller (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1067 • Schaffung von Clearingplätzen in Aufnahmeeinrichtungen [Jugendämtern]; • Schaffung von Plätzen in Nachfolgeeinrichtungen der Erziehungshilfe; • Personalkosten Fachkräfte; • Fortbildungsmaßnahmen für Fachkräfte der Jugendhilfe; • Vernetzung der Akteure [wie Jugendamt, Gesundheitsamt, Ausländerbehörde, Familiengericht, Schule , Sprachmittler, Anbieter von Deutsch- und Integrationskursen, Anbieter von therapeutischen Maßnahmen ]? 6. In wie vielen Fällen konnte in den Jahren 2010 bis 2014 die Identität mitsamt dem Alter von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen eindeutig geklärt werden (bitte nach Jahresscheiben aufschlüsseln)? 7. In wie vielen Fällen konnte in den Jahren 2010 bis 2014 die Identität mitsamt dem Alter von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen nicht eindeutig geklärt werden (bitte nach Jahresscheiben aufschlüsseln)? 8. In wie vielen Fällen in den Jahren 2010 bis 2014 wurde bei der Klärung des Alters festgestellt, dass der unbegleitete minderjährige Flüchtling in Wirklichkeit volljährig ist? Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 11. September 2015 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Um die Fragen des Abgeordneten Möller beantworten zu können, wurden die 23 Jugendämter der kreisfreien Städte und Landkreise in Thüringen gebeten, zu den Fragen 1, 6, 7 und 8 Stellung zu nehmen. 15 Jugendämter haben sich geäußert. Die Antworten zu diesen Fragen geben ausschließlich die Stellungnahmen dieser Jugendämter wieder. Zu 1.: 2010: 1 x Somalia, 1 x Syrien 2011: 1 x Afghanistan, 1 x Kosovo, 1 x Marokko, 1 x Somalia, 1 x ohne Identitätsklärung, 1 x ohne Angabe des Herkunftslandes 2012: 4 x Afghanistan, 1 x Kosovo, 1 x Marokko, 1 x Türkei 2013: 3 x Afghanistan,1 x Indien, 7 x Syrien, 1 x Kosovo, 1 x Marokko, 1 x Palästina, 2 x ungeklärt 2014: 2 x Afghanistan, 1 x Algerien, 2 x Eritrea, 1 x Indien, 2 x Marokko, 1 x Mazedonien, 2 x Iran, 1 x Somalia , 12 x Syrien Zu 2.: Die folgenden Zahlen sind zurückzuführen auf eine Abfrage des Landesjugendamtes bei den Trägern der betriebserlaubnispflichtigen Einrichtungen der stationären Jugendhilfe in Thüringen zum Stichtag 1. Juli 2015. Da die Stadt Suhl zum damaligen Zeitpunkt in ihrem Stadtgebiet keine entsprechende Einrichtung hatte, ist die Zahl "0" einzufügen. Landratsamt Altenburg: 1 Landratsamt Eichsfeld: 0 Landratsamt Gotha: 8 Landratsamt Greiz: 2 Landratsamt Hildburghausen: 1 Landratsamt Ilm-Kreis: 0 Landratsamt Kyffhäuserkreis: 0 Landratsamt Nordhausen: 1 Landratsamt Saale-Holzland-Kreis: 11 Landratsamt Saale-Orla-Kreis: 3 Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt: 4 Landratsamt Schmalkalden-Meiningen: 5 Landratsamt Sömmerda: 2 Landratsamt Sonneberg: 0 Landratsamt Unstrut-Hainich-Kreis: 0 Landratsamt Wartburgkreis: 0 Landratsamt Weimarer Land: 0 3 Drucksache 6/1067Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Stadtverwaltung Eisenach: 2 Stadtverwaltung Erfurt: 27 Stadtverwaltung Gera: 2 Stadtverwaltung Jena: 4 Stadtverwaltung Suhl: 0 (siehe oben) Stadtverwaltung Weimar: 4 Zu 3.: Es ist derzeit angedacht, die Verteilung der unbegleiteten ausländischen Kinder und Jugendlichen auf die kreisfreien Städte und Landkreise in Thüringen auf der Basis der Vierten Verordnung zur Änderung der Thüringer Flüchtlingsverteilungsverordnung vom 2. Dezember 2014 vorzunehmen. Zu 4.: Grundsätzlich erscheinen nach Meinung der Landesregierung alle 23 Jugendämter für die Inobhutnahme und Anschlusshilfe geeignet. Zu 5.: Einzelne Aussagen über Kostenplanungen für den Doppelhaushalt 2016/2017 sind derzeit nicht möglich, insbesondere auch vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung der Flüchtlingszahlen sowie aufgrund des laufenden Gesetzgebungsverfahrens. Zu 6.: Im Jahr 2010 betraf dies einen Fall, in den darauffolgenden Jahren 3, 1, 9 und 17 Fälle. Zu 7.: Im Jahr 2010 betraf dies einen Fall, in den darauffolgenden Jahren 2, 2, 3 und 8 Fälle. Zu 8.: In den Jahren 2010 bis 2014 wurde bei der Klärung des Alters in fünf Fällen festgestellt, dass der unbegleitete minderjährige Flüchtling volljährig ist. In Vertretung Ohler Staatssekretärin Endnote: 1 Vgl. Ch. Thiele: "38 Millionen Euro für Flüchtlingskinder", in: Thüringische Landeszeitung, 17. Juni 2015, Seite 1. 2 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: "Junge Flüchtlinge in Deutschland. Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher. Daten & Fakten - Ziele - Regelungen - Umsetzung", Stand: 10. April 2015, Seite 10, URL: http://www.b-umf.de/images/Eckpunkte _Gesetz_Umverteilung_10042015.pdf; E. Kellermann: "Ramelow: Minderjährige Flüchtlinge nach Rohr", in: Freies Wort Suhl, 18. Juni 2015, Seite 1. 3 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, a.a.O., Seite 2. 4 Vgl. Ebd., Seite 7. 5 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, a.a.O., Seite 10. 6 Vgl. Ch. Thiele, a.a.O.