21.09.2015 Drucksache 6/1081Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 6. Oktober 2015 Haltung von Mastputen Die Kleine Anfrage 386 vom 10. Juli 2015 hat folgenden Wortlaut: Die Nachfrage nach Putenfleisch ist, auch aufgrund seines niedrigen Preises von etwa 62 Cent je 100 Gramm Brustfleisch, weiterhin mit etwa sechs Kilogramm pro Kopf und Jahr in Deutschland fast doppelt so hoch wie der Durchschnitt in der Europäischen Union. Im Jahr 2014 wurden 37 Millionen Puten in der Bundesrepublik Deutschland geschlachtet, das ist der Höchstwert in Europa. Über die Produktion und die Produktionsanlagen gibt es bislang keine Übersicht in Thüringen. Zudem ist die Haltung von Mastputen nicht in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung geregelt. Erhebungen in anderen Bundesländern ergaben nicht nur erhebliche Missstände bei der Tierhaltung, sondern auch eine erhöhte Verabreichung von Antibiotika bei der Fütterung. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche genehmigungspflichtigen (entsprechend § 4 Bundesimmissionsschutzgesetz) Tierhaltungsanlagen für Mastputen werden derzeit im Freistaat Thüringen betrieben (bitte tabellarische Darstellung mit Informationen zu Landkreis, Ort, Ortsteil, Betreiber, Anzahl der Tierplätze, Produktionsrichtung mit dazugehörigem Haltungsverfahren wie z.B. Boden-, Freiland-, Volierenhaltung)? 2. Welche Tierhaltungsanlagen für Mastputen im Freistaat Thüringen sind bereits genehmigt (entsprechend § 4 Bundesimmissionsschutzgesetz), werden jedoch noch nicht betrieben (bitte tabellarische Darstellung mit Informationen zu Landkreis, Ort, Ortsteil, Betreiber, Anzahl der Tierplätze, Produktionsrichtung mit dazugehörigem Haltungsverfahren wie z.B. Boden-, Freiland-, Volierenhaltung)? 3. Für welche Vorhaben zum Bau von Tierhaltungsanlagen wurde aktuell ein Genehmigungsantrag (entsprechend § 4 Bundesimmissionsschutzgesetz) im Freistaat Thüringen gestellt? 4. Wie hoch waren die Tierbestände bei Mastputen in den jeweiligen Landkreisen Thüringens in den letzten zehn Jahren (bitte in absoluten Zahlen auflisten und differenziert nach konventioneller und ökologischer Haltung)? 5. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über die Haltungsbedingungen bei Mastputen, gab es in der Vergangenheit tiergesundheitliche Probleme zu verzeichnen? Wenn ja, welche bei welchen Anlagebetreibern ? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Dr. Scheringer-Wright (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1081 6. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über den Antibiotikaeinsatz in der Putenmast in Thüringen? Wie schätzt die Landesregierung die Situation ein? Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 17. September 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die gewünschten Daten zu den Tierhaltungsanlagen sind in der Anlage 1 aufgelistet. Sie stellen den derzeitigen aktuellen Anlagenbestand in Thüringen dar. Die Daten wurden mit Hilfe des Länderinformationssystems Anlagen (LIS-A) ermittelt. Bei Truthühnern wird im Anhang 1 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) nicht nach den Produktionsrichtungen Mast oder Aufzucht wie bei anderen Tierarten unterschieden. Sie werden allgemein als Truthühnermastplätze bezeichnet. Relevant ist die Anzahl der Tierplätze, nach der sich dann die Art des Genehmigungsverfahrens richtet. Bei den in Anlage 1 aufgelisteten Tierplätzen handelt es sich um die jeweils zugelassenen maximalen Kapazitäten , die nicht in jedem Fall ausgeschöpft werden müssen. Zu 2.: Siehe Antwort zu Frage 1 und Anlage 1. Zu 3.: Derzeit liegen im Thüringer Landesverwaltungsamt keine Anträge zur Genehmigung von Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Truthühnern vor. Zu 4.: Die in der Anlage 2 dargestellte statistische Erfassung erfolgte unabhängig von den Genehmigungsdaten nach Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), wie sie in Anlage 1 dargestellt sind. Hier findet keine Unterscheidung zwischen immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen (ab 15.000 Tierplätze) und Anlagen, die nach dem Baurecht (< 15.000 Tierplätze) zugelassen sind, statt. Diese Tabelle erfasst den Zeitraum von 2011 bis 2014. Zahlen für andere Zeiträume liegen nicht vor. Zu 5.: Für die Haltung von Mastputen gelten derzeit die Vorschriften des Tierschutzgesetzes sowie die allgemeinen Vorschriften der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Spezifische Anforderungen wie z. B. bei der Masthühnerhaltung existieren für die Putenhaltung nicht. Im Oktober 2013 wurden von den Vertretern der Tierschutzüberwachungsbehörden der Länder sowie den Interessenvertretern der Putenmäster die "Bundeseinheitliche Eckwerte für eine freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Mastputen" unterzeichnet. Die fortlaufende Bewertung der betriebsspezifischen Tiergesundheitsdaten durch den Tierhalter im Rahmen eines freiwilligen Gesundheitskontrollprogramms, in welches die am Schlachthof erhobenen tierschutzrelevanten Befunde integriert werden, bildet hierbei den zentralen Ansatz. Die Besatzdichten auf Grund der in den Eckwerten getroffenen Vereinbarung belaufen sich je nutzbarer Fläche für Putenhennen derzeit auf max. 52 Kilogramm pro Quadratmeter (ca. 4 Tiere/Quadratmeter) und für Putenhähne auf max. 58 Kilogramm pro Quadratmeter (ca. 2,6 Tiere/Quadratmeter). Aufgrund der fehlenden Verbindlichkeit und mangelnden Sanktionsmöglichkeiten entfalten die Eckwerte nicht die für den Vollzug der tierschutzrechtlichen Anforderungen notwendige Rechtsverbindlichkeit und haben sich nach fast zwei Jahren in der Praxis nicht bewährt. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die systemimmanenten bekannten Haltungsprobleme, diese umfassen die Bereiche der Fußballengesundheit, der Darmgesundheit sowie die gesundheitlichen Schäden am Skelettsystem, bei entsprechenden Managementfehlern zu tiergesundheitlichen Problemen führen müssen . Thüringer Putenhaltungsbetriebe mit einer besonderen Häufigkeit von Tiergesundheitsproblemen können nicht benannt werden. Zu 6.: Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat in seinem Jahresbericht 2013 für verschiedene landwirtschaftliche Nutztierarten die durchschnittliche Anzahl Tage mit Antibiotikagabe je Tier in Bezug auf 100 Tage Lebensdauer angegeben. Für Mastputen wurden in dieser Studie durchschnittlich 22 Tage Antibiotikabehandlung pro 100 Haltungstage ermittelt. 3 Drucksache 6/1081Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Die in der Mastputenhaltung weltweit eingesetzte Genetik wird von zwei großen Zuchtorganisationen absolut dominiert. Aufgrund der jahrelang erfolgten extremen Ausrichtung der Zucht auf Muskelzuwachs, Futterverwertung und hohe Tageszunahmen erreichen heute Mastputenhähne in einer Lebenszeit von ca. 20 Wochen ein Schlachtlebendgewicht von 20 Kilogramm und mehr. Diese Hochleistungszüchtung ist die Hauptursache dafür, dass in der konventionellen Putenmast regelmäßig Antibiotikagaben zur Behandlung von z. B. Darm- und Gelenkserkrankungen notwendig sind. Im Rahmen der Datenauswertung der staatlichen Antibiotikadatenbank, in der die von den Tierhaltern gemeldeten Antibiotikaverbrauchsdaten bundesweit gegenübergestellt werden, spiegelt sich der vom BfR beobachtete Trend wider. Die Betriebe, die aufgrund ihrer erhöhten Verbrauchswerte auffällig geworden sind, dazu gehören auch Betriebe in Thüringen, müssen ein betriebliches Antibiotikaminimierungskonzept den Behörden jährlich bis zum 31. Juli vorlegen. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob solche Antibiotikaminimierungskonzepte geeignet sind, den derzeitigen Antibiotikaeinsatz in der Putenhaltung nachhaltig zu senken. Die Antibiotikaverbrauchsdaten der Thüringer Betriebe, die zur Meldung in die staatliche Antibiotikadatenbank verpflichtet sind, dürfen aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht veröffentlicht werden. Siegesmund Ministerin Anlagen*) *) Hinweis: Auf den Abdruck der Anlagen wurde verzichtet. Ein Exemplar mit Anlagen erhielten jeweils die Fraktionen und die Landtagsbibliothek. Des Weiteren können sie im Abgeordneteninformationssystem unter der oben genannten Drucksachennummer sowie im Internet unter der Adresse: www.parldok.thueringen.de eingesehen werden.