27.01.2015 Drucksache 6/113Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 5. Februar 2015 Giftmülleinlagerungen in Sondershausen Die Kleine Anfrage 61 vom 8. Dezember 2014 hat folgenden Wortlaut: Elf Jahre nach Schließung der einzigen Deponie Frankreichs für hochgiftige Industrieabfälle infolge eines Brandunglücks wurde Ende November 2014 mit dem Abtransport des dort gelagerten Sondermülls nach Thüringen begonnen. Endlagerstätte ist das ehemalige Kalibergwerk Sondershausen, wo am 25. November 2014 der erste Transport mit Rückständen aus Verbrennungsanlagen und Klärschlamm, die mit giftigen Schwermetallen belastet sind, eingetroffen ist. Bis 2020 sollen rund 9.000 Tonnen quecksilber- und arsenhaltiger Müll in die Untertagedeponie Sondershausen gebracht werden. Nach Angaben der Sondershäuser Betreibergesellschaft ist die o. g. Deponie auf die Einlagerung giftiger Industrieabfälle spezialisiert. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bzw. in welchen Tiefen erfolgt die Lagerung des Giftmülls und wie sicher sind die eingelagerten Materialien z. B. vor Auslaufen, Korrosion, Grundwasser, Grubensturz usw.? 2. Wie und in welchen Abständen erfolgt durch wen die Kontrolle des Lagermaterials? 3. Für welchen Zeitraum soll die Einlagerung erfolgen und was geschieht nach Ablauf dieser Dauer mit dem Müll? 4. Durch welche Fakten kann die oben angesprochene Spezialisierung der Sondershäuser Betreibergesellschaft auf Giftmülleinlagerung näher spezifiziert werden? 5. Inwieweit spielten pekuniäre Gründe eine Rolle, den französischen Giftmüll in Sondershausen einzulagern und inwieweit ist die Landesregierung darüber informiert, dass in absehbarer Zeit auch in anderen stillgelegten Bergwerken Thüringens ausländischer Giftmüll zwischen- oder endgelagert werden soll (sogenannter "Mülltourismus")? 6. Welche Probleme mit der Dekontamination würden auftreten, wenn die Wiederaufnahme des Salzabbaus um Sondershausen in Zukunft doch wieder relevant würde? 7. Sind mit der Einlagerung von Giftmüll aus Frankreich bzw. anderen Ländern der Erhalt bzw. die Schaffung von Arbeitsplätzen im Kyffhäuserkreis verbunden bzw. profitiert die Stadt Sondershausen oder der Kyffhäuserkreis finanziell von der Übernahme dieser Abfälle? 8. Könnte mit der Einlagerung des Giftmülls eine Beeinträchtigung des Tourismus einhergehen? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Holbe (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/113 Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 23. Januar 2015 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die Thüringer Allgemeine berichtete in ihrer Ausgabe vom 3. Dezember 2014 über 4.000 Tonnen "Giftmüll" aus der ehemaligen Untertagedeponie Stocamine in Frankreich, die derzeit in der Untertagedeponie Sondershausen eingelagert werden. Die Begriffe "Giftmüll" oder auch "Sondermüll" sind im deutschen Abfallrecht nicht definiert. Bei den genannten Abfällen handelt es sich um gefährliche Abfälle im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes . Solche Abfälle können in einer planfestgestellten Untertagedeponie (UTD) abgelagert werden, wie sie in einem Teil des Grubengebäudes des ehemaligen Kalibergwerkes Sondershausen eingerichtet wurde. Zu 1.: Das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) vom 24. Februar 2012 (BGBl. I S. 212), das zuletzt durch § 44 Abs. 4 des Gesetzes vom 22. Mai 2013 (BGBl. I S. 1324) geändert worden ist, verpflichtet in § 15 Erzeuger oder Besitzer von Abfällen, die nicht verwertet werden, diese zu beseitigen. Die Abfälle sind so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird. Dazu dürfen Abfälle nur in den dafür zugelassenen Anlagen beseitigt werden. Zur Genehmigung der Errichtung von Deponien schreibt das Kreislaufwirtschaftsgesetz ein Planfeststellungsverfahren vor. Ein solches Verfahren wurde, unter dem seinerzeit geltenden Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, ab dem Jahr 2003 für die UTD Sondershausen durchgeführt und am 5. August 2005 mit Bescheid (Planfeststellungsbeschluss) Nr. 699/2005 des Thüringer Landesbergamtes (TLBA) abgeschlossen. Die näheren Genehmigungsvoraussetzungen für Abfalldeponien sind in der Deponieverordnung (DepV) vom 27. April 2009 (BGBl. I S. 900), die zuletzt durch Artikel 7 der Verordnung vom 2. Mai 2013 (BGBl. I S. 973) geändert worden ist, geregelt. Untertagedeponien als Deponien der Klasse IV dürfen gemäß § 3 DepV nur im Salzgestein errichtet werden. Bei der Standortwahl für eine Untertagedeponie ist zu berücksichtigen , dass die Abfälle dauerhaft von der Biosphäre ferngehalten werden und die Ablagerung so erfolgen kann, dass keine Nachsorgemaßnahmen erforderlich sind. Die Deponieverordnung verlangt, dass das Salzgestein gegenüber Flüssigkeiten und Gasen dicht ist und eine ausreichende räumliche Ausdehnung besitzt. Außerdem muss das Salz durch sein Konvergenzverhalten die Abfälle allmählich umschließen und am Ende des Verformungsprozesses vollständig einschließen . Hierbei macht man sich die Tatsache zu Nutze, dass Hohlräume im Salzgestein infolge des Gebirgsdruckes und der Plastizität des Salzes sich langsam wieder schließen. Der Nachweis der Eignung des Gebirges für die Einrichtung einer UTD muss vom Deponiebetreiber durch eine standortbezogene Sicherheitsbeurteilung erbracht werden. Wesentlicher Teil dieser Beurteilung ist der Langzeitsicherheitsnachweis. Im Rahmen des Langzeitsicherheitsnachweises wird vor allem die langfristige Wirksamkeit und Integrität der Salzbarriere beurteilt. Neben der Mächtigkeit und Beschaffenheit der Salzlagerstätte sowie vorhandenen Durchörterungen durch Grubenbaue, Schächte und Bohrungen sind dabei auch die geplanten Maßnahmen zu berücksichtigen, mit welchen nach Beendigung der Ablagerung ein Zutritt von Grundwasser in die Lagerstätte verhindert werden soll. Mit dem Langzeitsicherheitsnachweis ist schließlich darzustellen und zu beschreiben, auf welche Weise durch ein standortbezogenes Mehrbarrierensystem der dauerhafte Abschluss der abgelagerten Abfälle von der Biosphäre gewährleistet wird. Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens hat die Betreiberin der UTD, die Glückauf Sondershausen Entwicklungs - und Sicherungsgesellschaft mbH (GSES), eine solche standortbezogene Sicherheitsbeurteilung nebst Langzeitsicherheitsnachweis erbracht. Demzufolge ist davon auszugehen, dass es zu keinem Grundwasserzutritt in die UTD kommen wird und weiter, dass die Ablagerungshohlräume während ihrer Nutzung hinreichend standsicher sind. Nach Beendigung der Ablagerung wird die natürliche Konvergenz die dann noch vorhandenen Hohlräume allmählich schließen und dadurch die abgelagerten gefährlichen Abfälle dauerhaft von der Biosphäre fernhalten. Das aktuell betriebene Deponiefeld der UTD Sondershausen liegt in einer Teufe von etwa 600 Meter. 3 Drucksache 6/113Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Die Abfälle werden in für den Straßentransport zugelassenen, verschlossenen Transportbehältern (Fässer, Big-Bags) angeliefert und in das Deponiefeld verbracht. Dort werden die mit den Abfällen gefüllten Behälter in ehemalige, für die Ablagerung gesondert hergerichtete Abbaukammern eingestapelt. Nach abgeschlossener Befüllung einer solchen Kammer wird der Zugang mit Salz vollständig gegenüber dem übrigen Teil des Deponiefeldes verschlossen. Zu 2.: Überwachungsbehörde für die UTD ist gemäß § 24 Abs. 5 Thüringer Abfallgesetz (ThürAbfG) das TLBA. Für die Überwachung gemäß Nachweisverordnung (NachwV) und, bei grenzüberschreitender Verbringung, gemäß EG-Abfallverbringungsverordnung ist das TLVwA zuständig. Das Überwachungs- und Kontrollregime für die UTD ist, wie bei anderen Deponien auch, mehrstufig aufgebaut . Zunächst besteht für den Abfallerzeuger die Pflicht, vor der Deponierung die grundlegenden Charakteristika der zu deponierenden Abfälle dem Deponiebetreiber mitzuteilen. Dieser hat dann zu prüfen, ob die Annahmekriterien eingehalten werden. Eine Überprüfung der Zulässigkeit der Deponierung für einen konkreten gefährlichen Abfall erfolgt im Rahmen des Entsorgungsnachweisverfahrens gemäß Nachweisverordnung und im Rahmen des Notifizierungsverfahrens gemäß EG-Abfallverbringungsverordnung. Im Weiteren hat der Deponiebetreiber vor der ersten Annahme eines Abfalls die Schlüsselparameter (Hauptidentitätsmerkmale ) für die Kontrolluntersuchungen festzulegen. Bei positiver Bewertung werden die Abfälle beim Erzeuger chargenweise beprobt und auf Übereinstimmung mit den Schlüsselparametern überprüft. Bei jeder Abfallanlieferung muss der Deponiebetreiber unverzüglich eine Annahmekontrolle durchführen. Die Beprobung der Abfälle erfolgt durch den Deponiebetreiber ebenfalls chargenweise. Zudem besteht seitens des Deponiebetreibers die Pflicht, die zuständige Behörde unverzüglich über angelieferte, zur Ablagerung auf der Deponie nicht zugelassene Abfälle zu informieren. Die Annahme und die Verbringung der Abfälle in den untertägigen Ablagerungsbereich sind nachweispflichtig. Zum Betreiben einer Deponie gehören umfangreiche Informations- und Dokumentationspflichten. Hierzu zählen u. a. eine Betriebsordnung, ein Betriebshandbuch sowie ein sogenanntes Abfallkataster. Damit ist die Rückverfolgbarkeit jedes abgelagerten Abfalls möglich. Zusätzlich wird die Abfalldeponierung gutachterlich begleitet. Dies betrifft einerseits die Untersuchung des Stoffbestandes der Abfälle sowie ihre Eignung zur untertägigen Ablagerung und andererseits die Bewertung der Ablagerungsbedingungen, hier im Wesentlichen die Standsicherheit der Grubenbaue. Die behördliche Überwachung wurde mit dem Gesetz zur Umsetzung der europäischen Richtlinie für Industrieemissionen im Jahr 2013 neu geregelt. Demnach haben für alle genehmigungspflichtigen Deponien die zuständigen Behörden in ihrem Zuständigkeitsbereich, so das TLBA für die UTD Sondershausen, Überwachungspläne und Überwachungsprogramme aufzustellen, regelmäßig zu überprüfen und ggf. zu aktualisieren. Bezüglich der zeitlichen Kontrollfristen ist gesetzlich geregelt, dass der Abstand zwischen zwei Vor-Ort-Besichtigungen für die UTD als Deponie der Klasse IV einen Zeitraum von einem Jahr nicht überschreiten darf. Das TLBA führt mehrmals im Jahr, mindestens jedoch zweimal, untertägige Kontrollen der UTD durch. Dabei werden insbesondere der Zustand der Grubenbaue als auch der Zustand der Abfallbehältnisse (Fässer , Big-Bags), soweit zugänglich, sowie die Nachweisführung kontrolliert. Zu 3.: Wie in der Antwort zu Frage 1 erläutert, verbleiben die gefährlichen Abfälle dauerhaft im Deponiefeld. Das Prinzip einer Untertagedeponie sieht vor, gefährliche Abfälle dadurch dauerhaft von der Biosphäre fernzuhalten , dass sie vollständig im Salzgestein eingeschlossen werden. Zu 4.: Die UTD Sondershausen ist eines von mehreren Geschäftsfeldern des Unternehmens GSES. Jedoch ist die UTD, als Deponie der Klasse IV, mit o. g. Planfeststellungsbeschluss speziell für die Annahme und Ablagerung gefährlicher Abfälle genehmigt worden. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/113 Zu 5.: Finanzielle Gesichtspunkte haben bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Deponierung - allein dies unterliegt der Beurteilung des Staates - keine Rolle zu spielen. Nach § 44 KrWG müssen die vom Betreiber für die Ablagerung von Abfällen in Rechnung zu stellenden privatrechtlichen Entgelte alle Kosten für die Errichtung und den Betrieb der Deponie abdecken. In Thüringen werden Abfälle, die zu einem Teil auch aus dem Ausland stammen, in den Bergwerken Sondershausen , Bleicherode, Sollstedt und Unterbreizbach verwertet sowie in der UTD Sondershausen beseitigt . Diese Abfallentsorgungsanlagen sind für die Verwertung bzw. Beseitigung zugelassen und im Landesabfallwirtschaftsplan ausgewiesen. Die dort entsorgten Mengen an gefährlichen Abfällen sind den jährlich veröffentlichten Abfallbilanzen des Freistaats Thüringen zu entnehmen. Zu 6.: Das Prinzip der UTD beruht darauf, dass die Abfälle durch ein ausreichend mächtiges Salzpaket dauerhaft eingeschlossen werden. Damit ist eine Salzgewinnung im unmittelbaren Umfeld der Deponiefelder ausgeschlossen . Deshalb erfolgt derzeit die Gewinnung von Steinsalz im Bergwerk Sondershausen in einem Abstand von mehreren Kilometern zum aktuell betriebenen Deponiefeld. Eine Kontamination des im Gewinnungsbereich anstehenden Steinsalzes durch die entsorgten Abfälle ist definitiv ausgeschlossen, da eine Migration der Abfälle bzw. Gefahrstoffe durch das die Abfälle umgebende Salz nicht möglich ist. Zu 7.: Da das Kreislaufwirtschaftsgesetz den Deponiebetreiber zu kostendeckenden Gebühren verpflichtet (siehe Antwort zu Frage 5), leistet die Beseitigung von Abfällen aus Frankreich bzw. aus anderen Ländern in der UTD Sondershausen einen Deckungsbeitrag für das Unternehmen und damit auch einen Beitrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen. Die Stadt Sondershausen profitiert davon durch Steuerzahlungen des Unternehmens . Dem Kyffhäuserkreis kommen diese Steuerzahlungen indirekt über die Kreisumlage zugute. Zu 8.: Hinweise über Beeinträchtigungen des Tourismus in der Region Sondershausen infolge des Betriebs der UTD Sondershausen liegen der Landesregierung nicht vor. Das Besucherbergwerk in Sondershausen befindet sich im unmittelbaren Umfeld des Schachtes "Glückauf I" des Bergwerkes Sondershausen, die UTD hingegen in der Nähe des Schachtes "Glückauf V". Die beiden Schächte sind mehrere Kilometer voneinander entfernt. Dies schließt einen Kontakt von Besuchern des Besucherbergwerkes mit den in der UTD abgelagerten Abfällen mit hinreichender Sicherheit aus. Siegesmund Ministerin