29.09.2015 Drucksache 6/1136Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 9. Oktober 2015 Wer trägt die Kosten der Renaturierung einer Altdeponie in Gotha? Die Kleine Anfrage 455 vom 13. August 2015 hat folgenden Wortlaut: Die "Thüringer Allgemeine" berichtete am 11. und 14. Juli 2015 über ein Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts , dass die Stadt Gotha die Renaturierung einer stillgelegten Altdeponie am Ostrand der Stadt allein zu tragen hätte. Die Kosten werden auf 22 Millionen Euro beziffert. Zudem sei mit dem Urteil das Risiko verbunden, dass ein kulturlandschaftliches Modellprojekt "Themenpark Energie und Landschaft" im Rahmen der internationalen Bauausstellung, der Iba Thüringen, auf der Deponiefläche zu scheitern droht. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie alt ist, nach Kenntnis der Landesregierung, die genannte Deponie und wann wurde sie stillgelegt? 2. Wie ist der Stand der Rekultivierung? 3. Wer bildete gegebenenfalls zweckgebundene Rücklagen für die Rekultivierung? 4. Wer ist Eigentümer der Deponie bzw. Sanierungsverantwortlicher? 5. Ist in Thüringen eindeutig geregelt, wer die Pflicht der Kostentragung für die Renaturierung von Altdeponien besitzt? Wenn ja, wo? 6. Welche Rechtslage besteht im hier beschriebenen Fall? 7. Sieht die Landesregierung Möglichkeiten, die Stadt Gotha finanziell zu entlasten? Wenn ja, welche? 8. Welche Anforderungen an den Stand der Technik müssen bei der Rekultivierung erfüllt werden und auf welcher rechtlichen Grundlage? 9. Wann wurden auf dem Gelände der Deponie durch wen Bodenproben entnommen? 10. Falls die Überschreitung von Prüfwerten festgestellt wurde, um welche handelt es sich? 11. Gibt es, nach Kenntnis der Landesregierung, eindeutige Gutachten über Gefährdungspotenziale, die gegebenenfalls von der Deponie ausgehen könnten? Wenn ja, worin bestehen die wesentlichen Aussagen? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kummer (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1136 12. Welche Bedeutung misst die Landesregierung dem eingangs erwähnten Iba-Modellprojekt "Themenpark Energie und Landschaft" zu? 13. Wie könnte das Iba-Modellprojekt trotz des Rechtsstreits realisiert werden? Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 27. September 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Deponie ist noch nicht endgültig stillgelegt. Nach § 40 Abs. 3 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) stellt die zuständige Behörde erst nach Abschluss der Rekultivierungsmaßnahmen die endgültige Stilllegung einer Deponie fest. Der Ablagerungsbetrieb auf der Deponie Gotha-Ost begann etwa im Jahr 1974 und wurde zum 1. Januar 1995 eingestellt. Zu 2.: Die Rekultivierung der Deponie steht noch aus. Sie wurde mit Bescheid des Thüringer Landesverwaltungsamtes (TLVwA) vom 2. März 1998 angeordnet, aber aufgrund des bisherigen Rechtsstreites (siehe Antwort zu Frage 4) nicht umgesetzt. Zu 3.: Nach Kenntnis der Landesregierung wurden im Haushalt der Stadt Gotha bezüglich der Deponie Einnahmen (Deponiebenutzungsgebühren) verbucht. Des Weiteren erhielt die Stadt Gotha auf Grundlage des Vertrages vom 9. November 1990 ein Nutzungsentgelt von der Stadtwirtschaft Gotha GmbH. Inwieweit und in welchem Umfang die Stadt Gotha aus diesen Einnahmen Rücklagen für die Rekultivierung gebildet hat ist nicht bekannt. Zu 4.: Mit dem Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichtes (OVG) vom 10. Juli 2015 wurde bestätigt, dass die Stadt Gotha Inhaberin der Deponie und damit zur Rekultivierung und Nachsorge der Deponie verpflichtet ist. (Anm.: Der Begriff "Sanierungsverantwortlicher" stammt aus dem Bodenschutzrecht.) Zu 5.: Eine abschließende Kostenregelung zur Rekultivierung und Nachsorge einer Deponie ergibt sich zwingend aus dem Bundesrecht. Nach § 40 Abs. 2 KrWG hat die zuständige Behörde "den Inhaber der Deponie zu verpflichten, 1. auf seine Kosten das Gelände, das für eine Deponie … verwandt worden ist, zu rekultivieren, 2. auf seine Kosten alle sonstigen erforderlichen Vorkehrungen, einschließlich der Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen während der Nachsorgephase, zu treffen …" Zu 6.: Im Fall der Deponie Gotha-Ost hat das TLVwA als zuständige Behörde am 2. März 1998 eine Rekultivierungsanordnung auf Grundlage des damaligen § 36 Abs. 2 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/ AbfG) an die Stadt Gotha als Deponieinhaberin erlassen. Gegen diese hat die Stadt Gotha beim Verwaltungsgericht Weimar geklagt. Der Klage wurde stattgegeben. Im Berufungsverfahren am OVG Weimar wurde das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 13. Dezember 2006 abgeändert und die Klage abgewiesen (siehe Antwort zu Frage 4). Zu 7.: Für die Rekultivierung von Deponien stehen im Haushalt des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz keine Mittel zur Verfügung. Zu 8.: Für die Deponierekultivierung sind die Anforderungen der Deponieverordnung (Bundesrecht) einzuhalten. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Rekultivierungsanordnung (2. März 1998) war vor allem die Dritte Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Abfallgesetz (TA Siedlungsabfall) vom 14. Mai 1993 in Verbindung mit der Verwaltungsvorschrift über die geordnete Ablagerung von Siedlungsabfällen (Thüringer Deponiemerkblatt) vom 8. Juli 1994 der einschlägige Stand der Technik. Ergänzt wurde dieser Stand der Technik durch Vor- 3 Drucksache 6/1136Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode gaben der schutzgutbetroffenen Rechtsbereiche (Wasserrecht, Naturschutzrecht, Immissionsschutzrecht, Arbeitsschutz, Baurecht) sowie durch Richtlinien, Merkblätter, Empfehlungen, Zulassungen und Normen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA), der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), des Deutschen Institutes für Normung (DIN), der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik (GDA) sowie der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA). Zu 9.: Bodenproben wurden im Zusammenhang mit der "Gefährdungsabschätzung Boden, Bodenluft und Grundwasser der Deponie Gotha-Ost" im Jahr 1995 sowie bei der "Nachuntersuchung zur Deponie Gotha-Ost" im Jahr 1998 durch die Firma GKW Ingenieure entnommen. Gefährdungsabschätzungen für Deponien sind Bestandteil der gemäß § 40 Abs. 1 KrWG zu erstellenden Unterlagen, die weitere Aussagen über Art, Umfang und Betriebsweise ermöglichen sollen. Zu 10.: Die Deponie Gotha-Ost fällt in den Regelungsbereich des Abfallrechtes. Prüf- und/oder Maßnahmewerte existieren im Abfallrecht nicht. Das Abfallrecht baut auf dem Vorsorgeprinzip auf, dieses leitet dazu an, frühzeitig und vorausschauend zu handeln, um Belastungen der Umwelt zu vermeiden. Der nachgefragte Begriff Prüfwert ist ein Spezialausdruck aus dem Bodenschutzrecht. Prüfwerte sind vom Gesetzgeber vorgegebene Werte, bei deren Überschreitung eine Einzelfallbetrachtung zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeit und des Ausmaßes eines absehbaren Schadens zu erfolgen hat. Das Abfallrecht kennt keine Prüfwerte, daher ist hier eine allgemeine Gefährdungsabschätzung (siehe Frage 9) anzustellen. Zu 11.: In der Rekultivierungsanordnung vom 2. März 1998 wurden Maßnahmen nach dem Stand der Technik zur Vorsorge gegen Beeinträchtigungen der Schutzgüter im Sinne des § 10 Abs. 4 KrW-/AbfG angeordnet. Dabei wurde die Gefährdungsabschätzung aus dem Jahr 1995 zu Grunde gelegt. Es ist zu erwarten, dass sich der Deponiekörper durch den seit der Betriebseinstellung (1. Januar 1995) verstrichenen Zeitraum stabilisiert hat und sich auch das Gefährdungspotential im Deponiekörper verändert hat. Erfahrungen bei der Rekultivierung anderer Deponien lassen den Schluss zu, dass eine erneute, aktuelle Untersuchung und Bewertung der Deponie auch neue Erkenntnissen zum erforderlichen Rekultivierungsaufwand bringen wird, der im Vergleich zu den Maßnahmen aus der Anordnung vom 2. März 1998 geringer ausfallen kann. Zu 12.: Das Modellprojekt "Energie und Landschaft" ist wie weitere 15 Projektideen im Rahmen des IBA Projektaufrufs "StadtLand" als IBA Kandidat nominiert worden. Aufgabe der IBA ist es, die Vorhaben im Rahmen eines Qualifizierungsverfahrens zu innovativen und modellhaften Projekten zu entwickeln. Keines der nominierten Vorhaben hat bislang den Status eines IBA Projekts erreicht. Ziel des Modellprojekts "Energie und Landschaft" ist es, eine ehemalige Deponiefläche von 33 Hektar Größe am Stadtrand von Gotha zur Gewinnung von erneuerbaren Energien nutzbar zu machen. Das Modellprojekt will eine erlebbare Energieund Kulturlandschaft mit biologischer Vielfalt, ökologischer Landwirtschaft und neuen Ansätzen für regionale Wirtschaftskreisläufe schaffen. Als Modellprojekt soll das Vorhaben exemplarisch zeigen, "wie die Energiewende in ihrer Vielschichtigkeit inszeniert und innovative Land-, Forst- und Energiewirtschaft erlebbar gemacht werden kann". Das Projekt hat im Kontext der IBA Thüringen die gleiche Bedeutung wie die übrigen durch die IBA nominierten Kandidaten. Zu 13.: Voraussetzung für erfolgreiche Bauprojekte sind in jedem Fall eindeutig und abschließend geklärte Rechtsund Eigentumsfragen. Aus abfallrechtlicher Sicht bedarf es hierzu der endgültigen Stilllegung der Deponie. Siegesmund Ministerin