01.10.2015 Drucksache 6/1149Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 14. Oktober 2015 Landesbürgschaften als Instrument der Wirtschaftsförderung - Nachgefragt Die Kleine Anfrage 458 vom 19. August 2015 hat folgenden Wortlaut: In der Antwort auf die Kleine Anfrage 332 des Abgeordneten Kowalleck (CDU) in Drucksache 6/885 wurde seitens der Landesregierung angegeben, dass ca. ein Prozent der Landesbürgschaften Unternehmen im Gesundheitswesen unterstützt haben. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche konkreten Bereiche/Branchen partizipieren von den Landesbürgschaften im Gesundheitswesen? 2. Können Unternehmen, die dem Bereich Sozialwesen zuzuordnen sind, Landesbürgschaften beantragen und wenn nicht, welche Gründe sprechen dagegen? 3. Können vor dem Hintergrund der großen Herausforderungen im Bereich der Betreuung von unbegleiteten Minderjährigen Flüchtlingen Unternehmen der Sozialwirtschaft auf eine Landesbürgschaft zur Absicherung ihrer Kredite zurückgreifen, und wenn nicht, warum nicht? 4. Welche Alternativen bietet die Landesregierung den Unternehmen der Sozialwirtschaft zur Absicherung ihrer Kredite an? 5. Für welche konkreten Wirtschaftszweige, gemäß der "Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008", sind die 400 Millionen Euro zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft im Haushaltsgesetz 2015 vorgesehen (bitte nach Klassifikation auflisten)? 6. Für welche konkreten Wirtschaftszweige gemäß der "Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008" sind die verbleibenden 135 Millionen Euro im Haushaltsgesetz 2015 vorgesehen (bitte nach Klassifikation auflisten)? 7. Welchen Stellenwert, in Bezug auf das Wirtschaftsvolumen, misst die Landesregierung der Sozialwirtschaft in Thüringen bei? 8. Welche Programme der Landesregierung gibt es, um den sozialen Wirtschaftszweig in Zukunft im Bereich von Investitions-, Betriebsmittel- und Avalkrediten abzusichern bzw. zu unterstützen? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Krumpe (fraktionslos) und A n t w o r t des Thüringer Finanzministeriums 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1149 Das Thüringer Finanzministerium hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 30. September 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: In der "Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008" ist das Gesundheitswesen im Abschnitt Q, Abteilung 86 aufgeführt. Hierzu gehören die Krankenhäuser, Arzt- und Zahnarztpraxen sowie die sonstigen Tätigkeiten im Gesundheitswesen (z. B. Hebammen, Physiotherapeuten, Psychotherapeuten). Diese Branchen können an Landesbürgschaften partizipieren, sofern die Antrag stellenden Unternehmen die Voraussetzungen des Thüringer Haushaltsgesetzes (ThürHhG), der Landeshaushaltsordnung und der Bürgschaftsrichtlinien erfüllen. Zu 2.: In der "Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008" ist das Sozialwesen ebenfalls im Abschnitt Q und dort in den Abteilungen 87 und 88 aufgeführt. Hierzu gehören insbesondere Alten- und Pflegeheime, Ambulante soziale Dienste, Kinderbetreuung und sonstige Tätigkeiten im Sozialwesen. Unternehmen aus dem Bereich Sozialwesen können an Landesbürgschaften partizipieren, sofern sie die Voraussetzungen des Thüringer Haushaltsgesetzes, der Landeshaushaltsordnung und der Bürgschaftsrichtlinien erfüllen. Zu 3.: Wie bereits in der Antwort zu Frage 2 dargestellt wurde, können grundsätzlich auch Unternehmen, die im Bereich Sozialwesen tätig sind, Landesbürgschaften beantragen. Voraussetzung für die Bürgschaftsgewährung ist insbesondere die Verfügbarkeit einer Gewährleistungsermächtigung im Thüringer Haushaltsgesetz . Weiterhin muss das Geschäftsmodell des Antragstellers die Rückzahlung des abgesicherten Kredites erwarten lassen, das heißt es darf nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Inanspruchnahme des Landes aus der Bürgschaft zu rechnen sein. Schließlich dürfen keine anderweitigen Vorschriften (z. B. der Bürgschaftsrichtlinien oder des europäischen Beihilferechts) der Bürgschaftsübernahme entgegenstehen. Für Unternehmen der Sozialwirtschaft kommen - abhängig davon, ob sie unternehmerisch/gewerblich oder gemeinnützig organisiert sind - insbesondere die Gewährleistungsrahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 ThürHhG 2015 (Förderung der gewerblichen Wirtschaft bzw. Förderung von Organisationen und Einrichtungen der Sozialwirtschaft) in Betracht. Zu 4.: Wie in den Antworten auf die Fragen 2 und 3 ausgeführt wurde, können auch Unternehmen, die im Bereich des Sozialwesens tätig sind, durch Bürgschaften des Landes gefördert werden. Hierzu stehen verschiedene Gewährleistungsrahmen zur Verfügung. Insofern bedarf es keiner alternativen Angebote. Zu 5.: Der Gewährleistungsrahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 ThürHhG 2015 ermächtigt das Thüringer Finazministerium zur Übernahme von Gewährleistungen zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft und der freien Berufe . Innerhalb dieser Definition ist eine Branchenbeschränkung nicht vorgesehen. Es werden keine Gewährleistungskontingente für einzelne Branchen vorab reserviert. Abgrenzungen können sich durch die Definition der übrigen Gewährleistungsrahmen (z. B. Förderung von Unternehmen der land- und forstwirtschaftlichen Produktion gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 ThürHhG 2015) ergeben. Zu 6.: Wie bereits in den vorangegangenen Antworten ausgeführt, wird die Anwendung der Gewährleistungsrahmen des § 13 Abs. 1 ThürHhG 2015 nicht nach der "Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008" unterschieden , sondern nach der Definition der Gewährleistungsrahmen im Haushaltsgesetz. So sind z. B. Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft von den Unternehmen der land- und forstwirtschaftlichen Produktion oder von sozialen bzw. gemeinnützigen Einrichtungen abzugrenzen. Die "Klassifikation der Wirtschaftszweige" dient hier allenfalls als Hilfestellung bei Abgrenzungsschwierigkeiten. Für die Anwendung der Gewährleistungsrahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 5 ThürHhG 2015 besteht wiederum kein Branchenbezug. Die Frage kann deshalb hilfsweise nur mit der Definition der Gewährleistungsrahmen gemäß Haushaltsgesetz beantwortet werden. Danach ist das Thüringer Finazministerium ermächtigt, Gewährleistungen zu übernehmen 1. zur Förderung des Wohnungs- und Städtebaus 70 Millionen Euro 2. zur Förderung von Unternehmen der land- und forstwirtschaftlichen Produktion 5 Millionen Euro 3. zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft und der freien Berufe 400 Millionen Euro 3 Drucksache 6/1149Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode 4. zur Förderung von Organisationen und Einrichtungen der Sozialwirtschaft, insbesondere zur Förderung der Gesundheit, der Rehabilitation, der Sozialhilfe, der Jugendhilfe und der Familien sowie zur Förderung von Einrichtungen des Sports, der Wissenschaft und Forschung sowie der Kultur und Kunst in gemeinnütziger Trägerschaft, an denen das Land ein erhebliches Interesse hat 10 Millionen Euro 5. zur Kreditabsicherung bei Gesellschaften, die sich in mehrheitlicher Landesbeteiligung befinden 50 Millionen Euro Zu 7.: Die Fragestellung wurde im Sozialwirtschaftsbericht 2011 vom damaligen Wirtschaftsministerium und dem Sozialministerium in Zusammenarbeit mit der Universität Jena genauer untersucht. Die Sozialwirtschaft wurde definiert als alle Einrichtungen, die Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen erbringen, mit Ausnahme von Arztpraxen, Apotheken, Krankenhäusern, Rettungsdiensten und Reha- und Vorsorgeeinrichtungen; also im Wesentlichen die Altenpflege, die Kinder- und Jugendhilfe und die Behindertenhilfe. Die Landesregierung schätzt die Sozialwirtschaft als einen sehr wichtigen Wirtschaftsfaktor in Thüringen ein. Die Sozialwirtschaft generiert in Thüringen eine direkte Bruttowertschöpfung von rund zwei Milliarden Euro. Das entspricht ca. 4,7 Prozent der Bruttowertschöpfung Thüringens (2010, Sozialwirtschaftsbericht, November 2011). Darüber hinaus sind die regionalökonomischen und indirekten Beschäftigungs- und Ausstrahlungseffekte in andere Wirtschaftssektoren zu berücksichtigen. Nach den Berechnungen des Sozialwirtschaftsberichts im Jahr 2011 gehen ca. 79 Prozent der bezogenen Dienstleistungen, 77 Prozent der entstandenen Sachkosten und 68 Prozent der getätigten Investitionen an regionale Anbieter. Die Sozialwirtschaft gilt als Wachstumsbranche, die jedoch vor dem Hintergrund des demographischen Wandels allerdings große Herausforderungen bewältigen muss. Zu 8.: Abgesehen von der Bürgschaftsförderung können aus folgenden von der Thüringer Aufbaubank verwalteten Darlehensprogrammen Investitions- und Betriebsmittelkredite gewährt werden: - GuW Plus bzw. nunmehr GuW Thüringen, - Thüringen-Invest, - Thüringen-Kapital. Auch aus dem Programm "Thüringen-Dynamik" könnten für die nach der Klassifizierung des Bundesamts für Statistik bestehende Branchengruppe "Erziehung und Unterricht" Darlehen ausgereicht werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die dort genannten Kindergärten und Schulen sich nicht mehrheitlich in der Trägerschaft der öffentlichen Hand befinden. Taubert Ministerin