29.10.2015 Drucksache 6/1245Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 10. November 2015 Struktur und Organisation der Lebensmittelüberwachungsämter Die Kleine Anfrage 512 vom 8. September 2015 hat folgenden Wortlaut: Im Jahr 2002 kam es zu einer "Kommunalisierung" der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter, die nach Auffassung des Fragestellers wohl umstritten war. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Kommunalisierung der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter ? 2. Wie schätzt die Landesregierung das Zusammenwirken der Behörden auf kommunaler Ebene, auf der die Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter nun angesiedelt sind, mit denen auf der Landesebene ein? 3. Hält die Landesregierung an der derzeitigen Struktur der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter in Thüringen fest oder gibt es Überlegungen diese Struktur zu ändern? Falls Änderungsüberlegungen bestehen: Wie sollen die Änderungen aussehen? 4. Ist aus Sicht der Landesregierung die Handlungsfähigkeit der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter auch in kreisgrenzenübergreifenden Krisenfällen (wie zum Beispiel Tierseuchen) gegeben? 5. Gibt es aus Sicht der Landesregierung Notwendigkeiten oder Überlegungen, die personelle und technische Ausstattung der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter und/oder der Veterinär- und Lebensmittelbereiche im Landesamt für Verbraucherschutz zu verändern? Wenn ja, wie? 6. Sind der Landesregierung Fälle bekannt, in denen es zu Einflussnahmen von kommunalen Spitzen, wie Landräten oder (Ober-) Bürgermeistern, auf Entscheidungen der Ämter kam? Wenn ja, was war jeweils Gegenstand der Einflussnahmen? 7. Wie schätzt die Landesregierung die dienstliche Abhängigkeit der Mitarbeiter in den Ämtern von den kommunalen Spitzen ein? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Brandner (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1245 Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 29. Oktober 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Aus Sicht der Landesregierung war die Kommunalisierung der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter im Jahr 2002 eine notwendige Maßnahme. Zum 1. Juli 1997 waren bereits die anderen bei den Landratsämtern als staatliche Aufgaben wahrgenommenen Aufgaben kommunalisiert worden mit Ausnahme des Bereichs der staatlichen Aufsicht über die kreisangehörigen Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften und Zweckverbände. Durch die Übertragung von staatlichen Aufgaben in den übertragenen Wirkungskreis wurde die Stellung des Landrats, insbesondere seine Gesamtverantwortlichkeit als allgemeine Verwaltungsbehörde im Landkreis gestärkt. Das hatte sich nach Auffassung der Landesregierung bewährt. Der Bereich der Veterinär- und Lebensmittelüberwachung sollte daher ebenfalls kommunalisiert werden. Darüber hinaus ergab sich ein Handlungsbedarf aus der zum damaligen Zeitpunkt bestehenden tatsächlichen Rechtslage . Nach den Fachgesetzen des Landes nahmen die kreisfreien Städte die Aufgaben im vorgenannten Bereich bereits im übertragenen Wirkungskreis wahr. Mit der Kommunalisierung wurde die Aufgabenwahrnehmung durch die Landkreise und kreisfreien Städte harmonisiert und einheitlich dem übertragenen Wirkungskreis zugeordnet. Durch die Einbindung der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter in die Organisationsstruktur der Landkreise und kreisfreien Städte konnten starke Synergieeffekte bei der Wahrnehmung der hoheitlichen Aufgaben in den Bereichen Tierseuchen-, Lebensmittel-, Fleischhygiene-, Tierschutz-, Tierkörperbeseitigungs - und Tierarzneimittelrecht erzielt werden. Mit der Übertragung von Aufgaben auf den Gebieten des Veterinärwesens und der Lebensmittelüberwachung an die Landkreise und kreisfreien Städte ist es gelungen, in Thüringen eine leistungsstarke Veterinärverwaltung unter Aufrechterhaltung des im Jahre 2002 vorhandenen Personalbestandes sicherzustellen. Zu 2.: Das Zusammenwirken der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsbehörden mit anderen Ämtern der Landkreise und kreisfreien Städte kann von der Landesregierung nur eingeschränkt beurteilt werden. Für den Bereich Tierseuchenbekämpfung gibt es Beispiele sehr guten Zusammenwirkens z. B. der Veterinär - und Lebensmittelüberwachungsämter mit den unteren Katastrophenschutz-, Jagd-, Naturschutz- und Ordnungsbehörden. Vergleichbares gilt für die Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern und den Gewerbeämtern auf dem Gebiet der Lebensmittelüberwachung. Das Zusammenwirken der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter mit der zuständigen oberen Landesbehörde, dem Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz (TLV), sowie dem Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie als oberste Landesbehörde wird als sehr gut bewertet. Um ein einheitliches Verwaltungshandeln der Landkreise und kreisfreien Städte auf dem Gebiet des Veterinärwesens und der Lebensmittelüberwachung zu gewährleisten, finden u. a. regelmäßige Dienstberatungen und Fortbildungen statt. Zu 3.: Die Landesregierung hält an der mit dem Thüringer Gesetz zur Übertragung von Aufgaben auf dem Gebiet des Veterinärwesens und der Lebensmittelüberwachung sowie zur Änderung veterinär- und lebensmittelrechtlicher Vorschriften vom 1. März 2002 (GVBl. S. 161) beschlossenen Struktur fest. Zu 4.: Die Landesregierung geht davon aus, dass auch in Krisenfällen die Handlungsfähigkeit der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter gegeben ist und diese die ihnen übertragenen Aufgaben sachgerecht wahrnehmen. Mit dem Thüringer Gesetz zur Übertragung von Aufgaben auf dem Gebiet des Veterinärwesens und der Lebensmittelüberwachung sowie zur Änderung veterinär- und lebensmittelrechtlicher Vorschriften wurden u. a. Regelungen geschaffen, welche die Handlungsfähigkeit der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter auch in kreisübergreifenden Krisenfällen gewährleisten. Im Falle des Ausbruchs einer gefährlichen Tierseuche werden sowohl auf kommunaler Ebene (Landkreis) als auch auf zentraler Ebene unverzüglich Krisenzentren aktiviert, um den Seuchenausbruch schnell und effektiv zu bekämpfen. Auf kommunaler Ebene erfolgt dies in aller Regel mit Unterstützung der unteren Behörden für Brand- und Katstrophenschutz unter Nutzung der Strukturen und Kräfte des Katastrophenschutzes . Vom Krisenzentrum des Landes werden die Maßnahmen unterstützt und koordiniert, sofern mehrere Landkreise betroffen sind. Wenn Art und Umfang einer Seuchengefahr dies erfordern, können im Tierseu- 3 Drucksache 6/1245Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode chenfall von den Landesbehörden Aufgaben wahrgenommen werden. Sie können außerdem in Notsituationen zur Gefahrenabwehr im Benehmen mit der zuständigen kommunalen Gebietskörperschaft die Abordnung von Fachpersonal aus einem Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt zugunsten des von der Tierseuche betroffenen Landkreises anordnen. Auch in sonstigen kreisübergreifenden Krisenfällen, z. B. im Bereich der Lebensmittelsicherheit, bestehen verbindliche Regelungen zur kreisübergreifenden Aufgabenerfüllung. Die Koordinierung liegt in derartigen Fällen beim TLV, das nach § 1 Abs. 2 Satz 2 des Thüringer Lebensmittelüberwachungsgesetzes (ThürLMÜbG ) die Fachaufsicht über die unteren Lebensmittelüberwachungsbehörden ausübt. In Notsituationen kann - vergleichbar wie im Tierseuchenfall - zur Gefahrenabwehr im Benehmen mit der zuständigen kommunalen Gebietskörperschaft durch die obere und oberste Landesbehörde die Abordnung von Fachpersonal aus einem Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt zu dem betroffenen Landkreis bzw. zu der betroffenen kreisfreien Stadt oder zu den Landesbehörden angeordnet werden (§ 1 Abs. 5 ThürLMÜbG). Zu 5.: Die personelle und technische Ausstattung der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter liegt in der Verantwortung der Landkreise und kreisfreien Städte, die ihrerseits hinsichtlich der Aufgabenerfüllung der Fachaufsicht durch das TLV unterliegen. Nach Auffassung der Landesregierung sind die Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter der Landkreise und kreisfreien Städte sowohl von der personellen als auch von der materiellen Ausstattung her grundsätzlich in der Lage, die ihnen übertragenen Aufgaben auf den Gebieten Tiergesundheit, Tierseuchenschutz , Tierschutz, Tierarzneimittelanwendung und Lebensmittelsicherheit ordnungsgemäß wahrzunehmen. Die technische Ausstattung des TLV wird fortlaufend ergänzt und verbessert. Das TLV ist bei der Erfüllung seiner Aufgaben auf eine ausreichende und dem aktuellen wissenschaftlichen Stand entsprechende gerätetechnische Ausstattung angewiesen. Die Analysetechnik der Untersuchungsabteilungen (Lebensmittelund Veterinäruntersuchung) muss geprüften Qualitätsstandards entsprechen, was eine der Voraussetzung für die erfolgreiche Akkreditierung des TLV durch die Deutsche Akkreditierungsstelle darstellt. Die dafür erforderlichen Mittel werden jährlich im Haushalt des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie zur Verfügung gestellt. Zur Erhöhung der Wirksamkeit der Veterinär- und Lebensmittelüberwachung wurde im Jahr 2014 für den Bereich Lebensmittelüberwachung die "Kontrolleinheit Lebensmittelsicherheit" beim TLV errichtet. Struktur, Aufgaben und Arbeitsweise der Kontrolleinheit sind durch Änderung der Thüringer Verwaltungsvorschrift zur Durchführung der amtlichen Lebensmittelüberwachung in Thüringen vom 27. August 2014 (ThürStAnz Nr. 37/2014 S. 1143) verbindlich festgelegt worden. Zur weiteren Stärkung des TLV als Kontroll- und Fachaufsichtsbehörde wird derzeit die Errichtung einer "Zentralen Kontrolleinheit Veterinärüberwachung" vorbereitet, die auf den Gebieten Tiergesundheit, Tierschutz und Tierarzneimittelanwendung tätig werden soll. Zu 6.: Der Landesregierung sind keine derartigen Fälle bekannt. Soweit vom zuständigen Ministerium Dienstaufsichtsbeschwerden und Petitionen bearbeitet werden, die das Verwaltungshandeln der Landratsämter und kreisfreien Städte betreffen, hatten diese in keinem Fall eine Einflussnahme der zuständigen kommunalen Wahlbeamten auf Entscheidungen der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter zum Inhalt. Zu 7.: Oberbürgermeister und Landräte sind nach den einschlägigen kommunalrechtlichen Bestimmungen Vorgesetzte , Dienstvorgesetzte und oberste Dienstbehörde der in den Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämtern tätigen Bediensteten. Aufgaben und Befugnisse der Vorgesetzten, Dienstvorgesetzten und der obersten Dienstbehörde ergeben sich aus allgemeinen beamtenrechtlichen Regelungen, tarifrechtlichen Bestimmungen oder von den Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämtern anzuwendenden Spezialgesetzen . Insoweit vermag die Landesregierung hinsichtlich des Verhältnisses der Mitarbeiter in den Veterinär - und Lebensmittelüberwachungsämtern zu ihren Vorgesetzten, Dienstvorgesetzten und der obersten Dienstbehörde keine Unterschiede zu Bediensteten anderer Zuständigkeitsbereiche zu erkennen. Werner Ministerin