06.11.2015 Drucksache 6/1266Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 18. November 2015 Armutsgefährdungsquote in Thüringen Die Kleine Anfrage 519 vom 10. September 2015 hat folgenden Wortlaut: In der Thüringer Allgemeinen wurde am 28. August 2015 über die Entwicklung der Armutsgefährdungsquote in Deutschland berichtet. Trotz guter Konjunktur lag diese nach wie vor bei 15,4 Prozent. Demnach sind Menschen von Armut bedroht, die mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens auskommen müssen . Das sind für einen Einpersonenhaushalt weniger als 917 Euro monatlich. Bei Alleinerziehenden liege die Armutsgefährdungsquote sogar bei 40 Prozent. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie hoch ist die Quote für Thüringen insgesamt und speziell bei Alleinerziehenden? 2. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus diesen Zahlen für Thüringen? 3. Plant die Landesregierung Maßnahmen, um von Armut bedrohte Alleinerziehende und damit deren Kinder zu unterstützen? Wenn ja, welche mit welcher finanziellen Entlastung bzw. welchen Maßnahmen für Alleinerziehende (außer dem angekündigten kostenfreien Kindergartenjahr)? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 6. November 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Armutsgefährdungsquote ist ein Indikator zur Messung relativer Einkommensarmut und wird - entsprechend dem EU-Standard - definiert als der Anteil der Personen, deren Äquivalenzeinkommen weniger als 60 Prozent des Medians der Äquivalenzeinkommen der Bevölkerung (in Privathaushalten) beträgt. Das Äquivalenzeinkommen ist ein auf der Basis des Haushaltsnettoeinkommens berechnetes bedarfsgewichtetes Pro-Kopf-Einkommen je Haushaltsmitglied. Die Betrachtung der Armutsgefährdungsquote Thüringens kann sowohl gemessen am Bundesmedian als auch gemessen am Landesmedian erfolgen. Grundlage der Berechnungen des Bundesmedians ist die Armutsgefährdungsschwelle des Bundes. Diese wird anhand des mittleren Einkommens (Median) im gesamten Bundesgebiet errechnet. Den Armutsgefährdungsquoten für Bund und Länder liegt somit eine einheitliche Armutsgefährdungsschwelle zugrunde. Allerdings werden bei dieser Betrachtung Unterschiede im Einkommensniveau zwischen den Bundesländern nicht beachtet. K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Lehmann (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1266 Gemessen am Bundesmedian betrug die Armutsgefährdungsquote Thüringens 2014 insgesamt 17,8 Prozent , beim Haushaltstyp "ein(e) Erwachsene(r) mit Kind(ern)" 48,9 Prozent. Grundlage der Berechnungen des Landesmedians sind die jeweiligen regionalen Armutsgefährdungsschwellen . Diese werden anhand des mittleren Einkommens (Median) des jeweiligen Bundeslandes errechnet. Dadurch wird den Unterschieden im Einkommensniveau zwischen den Bundesländern Rechnung getragen. Gemessen am Landesmedian betrug die Armutsgefährdungsquote Thüringens 2014 insgesamt 11,6 Prozent , beim Haushaltstyp "ein(e) Erwachsene(r) mit Kind(ern)" 30 Prozent. Diese Angaben sind den angefügten Tabellen der amtlichen Sozialberichterstattung durch die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder entnommen. Zu 2.: Die Beantwortung dieser Frage ergibt sich aus den Maßnahmen der Landesregierung, die in der Antwort zu Frage 3 aufgeführt sind. Zu 3.: Die Integration in den Arbeitsmarkt und in eine nachhaltige Beschäftigung ist ein wichtiger Baustein, um Armut entgegenzuwirken. Daher ist insbesondere die Unterstützung von Alleinerziehenden in den arbeitsmarktpolitischen Förderprogrammen des Freistaats Thüringen bereits seit Längerem verankert. Durch individuelle Betreuung soll erreicht werden, Beschäftigungsfähigkeit herzustellen bzw. zu erhalten und damit die Situation, u. a. von Alleinerziehenden, zu verbessern. Auch im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) arbeiten Bund, Länder, Bundesagentur für Arbeit, Kommunen und Jobcenter zielgerichtet daran, Hilfebedürftigkeit zu verringern, die Integration in Erwerbstätigkeit zu verbessern und langfristigen Leistungsbezug zu vermeiden. Dazu werden jährliche Zielvereinbarungen zwischen den Partnern abgeschlossen, deren Ergebnisse nachgehalten werden. Hierbei wird auf die Verbesserung der Integration von Alleinerziehenden in den Arbeitsmarkt besonderes Augenmerk gelegt. Hier wurden von den Jobcentern bislang erfolgreiche Integrationsergebnisse erzielt. Weiterhin gewährt der Freistaat Thüringen nach Maßgabe der Armutspräventionsrichtlinie Zuwendungen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und komplementären Landesmitteln an die Thüringer Landkreise und kreisfreien Städte. Ziel der Förderung ist es, die Kommunen dabei zu unterstützen, im Rahmen integrierter Sozialplanungsprozesse spezifische Armutspräventionsstrategien zu entwickeln und qualifiziert umzusetzen, um individuelle Armutslagen vor Ort einzudämmen. Zur Unterstützung und Koordinierung dieser Prozesse werden Planungskoordinatoren in den Kommunen eingesetzt. Im Zentrum der zu entwickelnden und umzusetzenden Strategien stehen insbesondere der Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit sowie die Bekämpfung von Ursachen und Folgen der Kinder- und Familienarmut. Die zu entwickelnden Konzepte und Strategien nehmen alle von Armut bedrohten Personengruppen in den Blick. Vor dem Hintergrund, dass Alleinerziehenden-Haushalte bezogen auf die unterschiedlichen Haushaltstypen am stärksten armutsgefährdet sind, hat die Gruppe der Alleinerziehenden bzw. der Einelternfamilien mit deren spezifischen Problemlagen dabei entsprechendes Gewicht. Bereits im Jahr 2009 wurde die "Thüringer Initiative zur Integration und Armutsbekämpfung mit Nachhaltigkeit " (TIZIAN) als ein wesentliches Instrument zur Bekämpfung der Kinderarmut ins Leben gerufen. In seiner dritten Förderphase von Januar 2013 bis Dezember 2014 wurde TIZIAN im August 2014 zum zweiten Mal evaluiert. Laut dieser Erhebung bildeten die alleinerziehenden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen aus Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II mit einer Quote von 62 Prozent die größere Gruppe der Teilnehmenden im Projekt. Aktuell befindet sich TIZIAN seit dem 1. Januar 2015 in seiner vierten Förderphase, die bis zum 31. Dezember 2017 andauern wird. Es bestehen 27 Projekte, wobei mindestens eines in jedem Landkreis bzw. jeder kreisfreien Stadt vorhanden ist. 725 Plätze, die nach den jeweiligen regionalen Erforderlichkeiten aufgeteilt wurden, stehen zur Verfügung. Die Arbeit der Integrationscoaches an den einzelnen Standorten zielt auf eine soziale Stabilisierung sowie schrittweise Wiederherstellung der Beschäftigungsfähigkeit der teilnehmenden Eltern ab, um so auch die Lebenssituation der Kinder positiv zu verändern. 3 Drucksache 6/1266Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Einen weiteren Eckpunkt der Förderung im Rahmen der Armutspräventionsrichtlinie bildet die Thüringer Initiative für Integration, Nachhaltigkeit, Kooperation und Aktivierung (ThINKA). Die Maßnahmen tragen zur Verbesserung der Lebensbedingungen in vom Strukturwandel besonders betroffenen Wohnquartieren bzw. Sozialräumen sowie zur sozialen und der beruflichen Integration benachteiligter Bevölkerungsgruppen bei. Ziel ist es, Hilfesuchende (u. a. Alleinerziehende) zu unterstützen, Chancen und Teilhabeansprüche zu wahren und zu verwirklichen, um einer Verfestigung individueller Benachteiligungen entgegenzuwirken. ThINKA spielt eine wichtige Rolle dabei, auch Alleinerziehenden Zugänge zu sozialen Netzwerken zu ermöglichen . Neben der einzelfallbezogenen Unterstützung in allen Lebenslagen initiieren bzw. unterstützen ThINKA-Projekte in Kooperation mit verschiedenen Akteuren spezielle Angebote wie beispielsweise Elterntreffs, Elternseminare und themenspezifische Informationsveranstaltungen. Wichtige Synergien ergeben sich hierfür besonders durch die Verknüpfung mit den übrigen arbeitsmarktpolitischen Programmen der Landesregierung. Werner Ministerin