10.11.2015 Drucksache 6/1277Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 18. November 2015 Geisterfahrer in Thüringen Die Kleine Anfrage 542 vom 21. September 2015 hat folgenden Wortlaut: Medienberichten ist regelmäßig zu entnehmen, dass sogenannte Geisterfahrer immer wieder Polizeieinsätze aber auch Verkehrsunfälle verursachen. Zuletzt prüfte das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft (vergleiche Thüringer Allgemeine vom 12. August 2015) alle Auffahrten zu Thüringer Autobahnen und kam zu dem Schluss, dass es prinzipiell keine baulichen Veränderungen geben müsste. Zusätzliche Arbeiten an Markierung und Beschilderung würden aber dennoch durchgeführt, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Polizeieinsätze gab es in Bezug auf Geisterfahrer in den Jahren 2013 bis 2015 und wie bewertet die Landesregierung die Entwicklung? 2. Mit welchem Ergebnis wurden die Einsätze jeweils abgeschlossen (zum Beispiel Warnungen/Medieninformationen , veranlasste Fahrbahnsperrungen, Anhalten des Falschfahrers usw.)? 3. Wie viele Verkehrsunfälle verursachten Geisterfahrer auf Thüringer Straßen in den Jahren 2013 bis 2015 (bitte einzeln nach Jahren und Straßenkategorien auflisten) und wie bewertet die Landesregierung die Entwicklung? 4. Welche Personen- und Sachschäden sind nach Kenntnis der Landesregierung bei diesen Unfällen entstanden? 5. Wie bewertet die Landesregierung bei der Prävention von Falschfahrten die Zusammenarbeit mit anderen involvierten Behörden und Unternehmen (zum Beispiel Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Bundesanstalt für Straßenwesen, private Autobahnbetreiber)? 6. Wann sollen die oben beschriebenen Markierungsarbeiten abgeschlossen sein? 7. Wie bewertet die Landesregierung den möglichen Einsatz zusätzlicher Einrichtungen (zum Beispiel Warntafeln , Krallen, Blinklichter), um Falschfahrten zu verhindern und wie begründet sie Ihre Einschätzung? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Walk (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1277 Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 9. November 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Thüringer Polizei führte 58 Einsätze im Jahr 2013, 60 Einsätze 2014 und bis September 2015 25 Einsätze nach Meldungen im Zusammenhang mit Falschfahrern durch. Streckenbezogene Schwerpunkte konnten dabei nicht verifiziert werden. Im Verhältnis zur Gesamtzahl an Fahrzeugbewegungen sowie zur Verkehrsunfallgesamtlage stellen Falschfahrer kein Schwerpunktphänomen dar, jedoch sind damit erhebliche Gefahrenpotentiale für höchstpersönliche Rechtsgüter verbunden. Vor dem Hintergrund erheblicher Gefahrenpotentiale gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern bedürfen Falschfahrer sensibler Betrachtungen, insbesondere hinsichtlich Vermeidungstaktiken bzw. -strategien. Zu 2.: Zunächst werden bei jeder Falschfahrermeldung unverzüglich Verkehrswarnmeldungen veranlasst und Polizeikräfte zum Einsatz gebracht. Im Bereich von Tunnelanlagen wird zudem durch Schließung der Portale beider Fahrtrichtungen die weitere Einfahrt von Fahrzeugen verhindert. Zum Schutz der Verkehrsteilnehmer in Straßentunneln erfolgt die Sperrung des/der linken Fahrtstreifen und es erfolgen Durchsagen via Lautsprecheranlage , respektive Radiofrequenz. Bei Einsatzlagen ohne Verkehrsunfall wurden in den in der Antwort auf Frage 1 genannten Jahren in 19 Fällen Falschfahrer auf frischer Tat angehalten. In 114 Fällen erfolgte dabei keine unmittelbare Feststellung eines Falschfahrers. In zehn Fällen kam es zu Verkehrsunfällen (siehe Frage 3). Zu 3.: Im Jahr 2013 ereigneten sich zwei Verkehrsunfälle im Zusammenhang mit Falschfahrten, davon je einer auf einer Bundesautobahn und einer Bundesfernstraße. Im Jahr 2014 ereigneten sich sechs Verkehrsunfälle im Zusammenhang mit Falschfahrten, davon fünf auf Bundesautobahnen und einer auf einer Bundesfernstraße . Bis September 2015 ereigneten sich zwei Verkehrsunfälle im Zusammenhang mit Falschfahrten auf Bundesautobahnen. Die Anzahl von Verkehrsunfällen auf Grund von Falschfahrten bewegt sich auf insgesamt niedrigem Niveau. Unfälle aufgrund von Falschfahrern sind in der Regel folgenschwer und beeinträchtigen das Sicherheitsgefühl erheblich, insbesondere wegen der Betroffenheit Unschuldiger. Die Ursachen für Falschfahrten können Orientierungsprobleme, rauschbedingte Fahrfehler oder vorsätzliche Eigen- bzw. Fremdgefährdungspotenziale (Mutproben, Selbsttötungsabsichten) sein. Zu 4.: Nach Kenntnis der Landesregierung sind bei diesen Verkehrsunfällen neun Personen leicht, vier Personen schwer und ein Mensch tödlich verunglückt. Nach polizeilichen Schätzungen entstanden Sachschäden in Höhe von ca. 90.000 Euro. Zu 5.: Die Problematik "Falschfahrer" wurde durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS)/Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur (BMVI) und die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) seit 2013 in Zusammenarbeit mit den Ländern intensiv bearbeitet und abgestimmt. Hierzu gab es unter anderem auch eine Arbeitsgemeinschaft "Infrastruktur" zum Thema "Falschfahrer". Auf dieser Ebene wurden die Untersuchungsmodalitäten (Checklisten) zur Bewertung und Einschätzung des baulichen und sicherheitstechnischen Standards der Anschlussstellen und PWC-Anlagen (Parkplätze mit WC) erarbeitet . Diese Prüfungen wurden von den Ländern bundesweit für alle Anschlussstellen und PWC-Anlagen in Deutschland durchgeführt. Im Februar 2014 kam es zu einer abschließenden Sitzung, in der die Länder die Verfahrensweise und Ergebnisse darstellten. Die Landesregierung bewertet die Zusammenarbeit als gut. Nach Abstimmung mit der Straßenverkehrsbehörde erfolgte das Aufstellen eines Programms zur Veränderung der Regelmarkierung in den Anschlussstellen (doppelte Sperrlinie und Richtungspfeile). Dieses Programm läuft in Thüringen im Zeitraum von 2014 bis 2016. Im Rahmen der Sitzungen erfolgte auch die 3 Drucksache 6/1277Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Diskussion hinsichtlich einer Anbringung von Falschfahrerwarntafeln sowie von telematischen Erfassungsmaßnahmen . Abschließende Ergebnisse liegen noch nicht vor. Zu 6.: Die Markierungsarbeiten auf den Rampen der Anschlussstellen (doppelte Sperrlinie und Richtungspfeile) sollen im Jahr 2016 abgeschlossen werden. Die Gestaltung von Anschlussstellen im Zuge des nachgeordneten Netzes (Markierung auf den nachgeordneten Straßen) erfolgt mittelfristig im Zusammenhang mit Maßnahmen im Bereich der Deckenerhaltung oder bei Erneuerung der Gesamtmarkierung. Zu 7.: Zusätzliche Einrichtungen wie Warntafeln, Krallen, Blinklichter etc. werden im Ergebnis der Beratungen in der Arbeitsgemeinschaft "Infrastruktur" in der Effizienz als nicht gewinnbringend angesehen. Warntafeln: - Laut Studie der BASt und des Pilotprojektes der Straßenbauverwaltung Bayern werden keine vertiefenden sicherheitstechnischen Wirkungen erzielt. - Die Warntafel ist kein Verkehrszeichen entsprechend der Straßenverkehrsordnung. Krallen: - Probleme hinsichtlich der Unterhaltung sowie mit dem hohen Wartungsaufwand - mechanische Anfälligkeit - besonders in der Winterperiode Probleme hinsichtlich der Wirksamkeit und der Behinderungen im Winterdienst Blinklichter: - keine tiefe sicherheitstechnische Wirkung, eher anziehender Effekt (zusätzliche Erläuterungen wären erforderlich) Telematische Maßnahmen: - hoher technischer Aufwand und noch kein ausgereiftes System vorhanden - die Pilotprojekte zeigen hohe Anfälligkeiten (besonders witterungsbedingt) und - die Übertragungssysteme der Warnungen sind noch nicht gelöst Für Thüringen befindet sich derzeit die Erfassung von Falschfahrten mittels Anzeige über lnduktionsschleifen an den Tunnelportalen (z. B. Rennsteigtunnel) in Erprobung. Dieses System führt zu kürzeren Reaktionszeiten hinsichtlich der Tunnelsperrungen und Fahrstreifenregulierungen. Ein komplettes Verhindern von Falschfahrten ist jedoch auch hier nicht möglich. Dr. Poppenhäger Minster