11.11.2015 Drucksache 6/1286Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 24. November 2015 "Gender-Forschung" an Hochschulen in Thüringen Die Kleine Anfrage 493 vom 1. September 2015 hat folgenden Wortlaut: An Hochschulen und Fachhochschulen werden Veranstaltungen mit "Gender-Wissenschaftlern" durchgeführt , so zum Beispiel ein Vortrag mit Prof. Lann Hornscheidt in der Aktionswoche Gleichstellung an den Thüringer Hochschulen vom 8. bis 12. Juni 2015. Zum Teil sind Vorlesungen zum Thema "Gender" auch Bestandteil der regulär zu erbringenden Studienleistungen. Die "Gender-Wissenschaften" und deren finanzielle Unterstützung durch Steuermittel sind umstritten und bedürfen einer Evaluation. Ich frage die Landesregierung: 1. An welchen Hochschulen werden Vorlesungen zum Thema "Gender" angeboten (aufgeschlüsselt nach Fakultät und Studiengang für die vergangenen vier Semester)? 2. In welchen Studiengängen gehören Vorlesungen zum Thema "Gender" zu den regulär zu erbringenden Studienleistungen? 3. Wie viele Professoren (aufgeschlüsselt nach Geschlecht) an Thüringer Hochschulen beschäftigen sich mit dem Thema "Gender"? 4. Wie viele wissenschaftliche Mitarbeiter (aufgeschlüsselt nach Geschlecht) arbeiten an Lehrstühlen, die sich mit dem Thema "Gender" befassen? 5. Wie viele interdisziplinäre Veranstaltungen behandelten das Thema "Gender" (aufgeschlüsselt nach beteiligten Fachbereichen, für die vergangenen vier Semester)? Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 9. November 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: In den vergangenen vier Semestern wurden Vorlesungen zum Thema Gender angeboten an der: Universität Erfurt: - fakultätsübergreifend eine interdisziplinäre Ringvorlesung im Studium Fundamentale (Optionalbereich der Bachelorstudiengänge) und - an der Katholisch-Theologischen Fakultät eine Vorlesung für MA-Studierende der Fakultät. K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Muhsal (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1286 Friedrich-Schiller-Universität Jena: - an der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften, Institut für Soziologie (Fachbereich qualitative Methoden und Mikrosoziologie), im Studiengang Bachelor B.A. (Kernfach, Ergänzungsfach) Soziologie im Sommersemester 2015: "Geschlechtersoziologie - theoretische Konzepte und aktuelle Befunde", - an der Philosophischen Fakultät, Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften, im Bachelor- und im Masterstudiengang Volkskunde/Kulturgeschichte im Sommersemester 2015: "Kulturgeschichte der Sexualität I: Von Gilgamesch bis Casanova", - an der Philosophischen Fakultät, Historisches Institut, in den Studiengängen Bachelor B.A. (Kernfach, Ergänzungsfach) Geschichte, Lehramt Geschichte (Regelschule, Gymnasium) im Wintersemester 2914/2015: "Die Frauenbewegung in transnationaler Perspektive", - an der Philosophischen Fakultät, Institut für Slawistik und Kaukasusstudien, im Masterstudiengang Slawistik im Wintersemester 2914/2015: "Gender und Genderforschung II - Linguistische Aspekte" (Behandlung von "Gender" in lexikologisch-grammatikalischem Kontext). Fachhochschule Erfurt: als Bestandteil in Vorlesungen in der - Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften im Bachelorstudiengang Bildung und Erziehung von Kindern , - Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften im Bachelorstudiengang Pädagogik der Kindheit, - Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften im Bachelor- und im Masterstudiengang Soziale Arbeit. Ernst-Abbe-Hochschule Jena: im Fachbereich Sozialwesen: Im Bachelor- und im Masterstudiengang Soziale Arbeit finden sich Genderaspekte in jedem Seminar und jeder Veranstaltung, weil die Beschäftigung mit Geschlechterverhältnissen und den damit in Verbindung stehenden sozialen Ungleichheiten, Zuschreibungen, Normierungen, Benachteiligungen , Ausgrenzungen und Diskriminierungen sowie die Berücksichtigung unterschiedlicher Bedürfnisse und Bedarfe, die daraus resultieren können, eine wichtige Querschnittsaufgabe professioneller Sozialer Arbeit ist. Hochschule Nordhausen: Es werden keine Vorlesungen explizit zum Thema Gender angeboten. Veranstaltungen, die Theorien zum Aspekt Gender behandeln, werden im Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften angeboten im Bachelorstudiengang Gesundheits- und Sozialwissenschaften (Modul Heterogenität und Lebenswelten) und im Bachelorstudiengang Heilpädagogik/Inclusive Studies (Modul Diversity/Inclusion) sowie in beiden Studiengängen in dem frei wählbaren Vertiefungsgebiet Diversity. Auch die übrigen Hochschulen weisen keine Vorlesungen explizit zum Thema Gender aus. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass auch an anderen Hochschulen als denen, für die Angaben zu Vorlesungen/Veranstaltungen gemacht werden, das Thema Gender in Lehrveranstaltungen berührt wird. Das liegt darin begründet , dass es sich bei der Kategorie Gender um eine quer durch gesellschaftliche Fragestellungen und Problemlagen verlaufende und somit zentrale gesellschaftliche Strukturkategorie handelt. Deshalb werden in verschiedensten Lehr- und Forschungszusammenhängen genderspezifische Fragestellungen berücksichtigt. Zu 2.: Vorlesungen zum Thema Gender gehören zu den regulär zu erbringenden Studienleistungen an der: Fachhochschule Erfurt: als Bestandteil in Vorlesungen in der - Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften im Bachelorstudiengang Bildung und Erziehung von Kindern , - Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften im Bachelorstudiengang Pädagogik der Kindheit, - Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften im Bachelor- und im Masterstudiengang Soziale Arbeit. Ernst-Abbe-Hochschule Jena: im Fachbereich Sozialwesen im Bachelor- und im Masterstudiengang Soziale Arbeit als Aspekt in jedem Seminar und jeder Veranstaltung. Hochschule Nordhausen: im Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften im Bachelorstudiengang Gesundheits- und Sozialwissenschaften (Modul Heterogenität und Lebenswelten) und im Bachelorstudiengang Heilpädagogik/In- 3 Drucksache 6/1286Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode clusive Studies (Modul Diversity/Inclusion). Die genannten Pflichtmodule werden mit einer Modulprüfung abgeschlossen. Die Module in beiden Studiengängen im Vertiefungsgebiet Diversity können frei gewählt werden und als Studien- bzw. Prüfungsleistung in die Bachelor- oder Masterprüfung eingehen. An den anderen Hochschulen gehören Vorlesungen zum Thema Gender nicht zu den regulär zu erbringenden Studienleistungen (im Sinne von Pflichtmodulen). Es bestehen jedoch fast überall Möglichkeiten, im Wahlbereich (z. B. als Schlüsselqualifikation) entsprechende Studien- bzw. Prüfungsleistungen auch in die Bachelor- oder Masterprüfung einzubringen oder solche Veranstaltungen fakultativ zu belegen. Zu 3.: An den Thüringer Hochschulen beschäftigen sich mit dem Thema "Gender" ausweislich der Denomination ihrer Professur an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena: eine Professorin für "Gender und Diversity in der Sozialen Arbeit". Friedrich-Schiller-Universität Jena: eine Professorin am Historischen Institut, Lehrstuhl für Geschlechtergeschichte. Darüber hinaus beschäftigen sich dort explizit mit dem Thema "Gender": eine Professorin am Soziologischen Institut, Professur für Qualitative Methoden und Mikrosoziologie. Aufgabenbereich ist die qualitative Methodenausbildung der Studierenden. Forschungs- und Lehrschwerpunkte sind: a) Methoden der qualitativen Sozialforschung, b) Wandel der Geschlechterverhältnisse (insbesondere Männlichkeitsforschung, Ost-West-Vergleiche sowie postsozialistische gesellschaftliche Transformationsprozesse), c) Familiensoziologie (insbesondere kulturelle Dimensionen des Wandels) und eine Professorin am Institut für Erziehungswissenschaften, Lehrstuhl für Erwachsenenbildung. Forschungsund Lehrschwerpunkt sind Bildungsforschung und berufliche Weiterbildung. In diesem thematischen Kontext wird u.a. im Rahmen eines internationalen Forschungsverbundes ein Forschungsprojekt zur Thematik "Transforming European Women’s Entrepreneurship" durchgeführt (2015-2019). Hochschule Nordhausen: An der Hochschule Nordhausen beschäftigen sich im Rahmen der Durchführung der unter Frage 1 angegebenen Seminare eine Professorin und ein Professor mit der Thematik Gender. An den anderen Hochschulen befassen sich keine weiteren Professoren ausdrücklich mit Genderthemen. Unbeschadet dessen kann aber davon ausgegangen werden, dass sich Professorinnen und Professoren im Rahmen ihrer Forschung und Lehre auch mit genderbezogenen Aspekten auseinandersetzen (siehe unter Frage 1 "Strukturkategorie"). Dieses Wissenschaftsgebiet unterliegt - wie jedes andere - der Forschungsund Lehrfreiheit und wird nicht zentral erfasst. Zu 4.: Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Lehrstühlen, die sich mit dem Thema "Gender" befassen , arbeiten an der Friedrich-Schiller-Universität Jena: am Lehrstuhl für Geschlechtergeschichte - eine wissenschaftliche Mitarbeiterin, promoviert (Forschungsschwerpunkt: Frühe Neuzeit, darin: Materielle Kultur- und Konsumgeschichte, Bürgertum, Europäische Revolutionen, Geschlechtergeschichte, Buch- und Verlagsgeschichte), - eine wissenschaftliche Mitarbeiterin, nicht promoviert (Forschungsschwerpunkte: Biographieforschung, Unternehmensgeschichte, Mentalitätsgeschichte Weltkriege), - ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, nicht promoviert (Forschungsschwerpunkte: Religionsgeschichte, Pietismus , Thüringisch-Sächsische Landesgeschichte, Konversionsforschung). 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1286 bei der Professur für Qualitative Methoden und Mikrosoziologie: - eine wissenschaftliche Mitarbeiterin, nicht promoviert, - ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, nicht promoviert. am Lehrstuhl für Erwachsenenbildung: - zwei wissenschaftliche Mitarbeiterinnen, nicht promoviert (Forschungsschwerpunkte: Resilienz, Gesundheit , internationale Studierende). An den übrigen Hochschulen arbeiten keine wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Lehrstühlen , die sich mit dem Thema "Gender" befassen. Es gibt jedoch auch an anderen Hochschulen einige wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich in Forschung und Lehre u.a. mit Genderforschung befassen zumal die Kategorie "Gender" als grundlegende Strukturkategorie auch in den verschiedensten Forschungsprojekten mit herangezogen wird. Zu 5.: Interdisziplinäre Veranstaltungen, die das Thema "Gender" behandelten, fanden in den letzten vier Semestern statt an der: Fachhochschule Erfurt: - Gemeinsame Ringvorlesung der Fachhochschule Erfurt und der Universität Erfurt "Das Geschlecht der Wissenschaft" (Fakultät Gebäudetechnik und Informatik, Fachrichtung Angewandte Informatik) im Sommersemester 2014, - Seminar "Geschlechterverhältnisse in der Wissenschaft. Eine Einführung am Beispiel von Fachkulturen" (fakultätsübergreifendes Angebot der Basic School) im Wintersemester 2013/2014. Hochschule Schmalkalden: - ein Online-Modul "Gender und Diversity" wird in Zusammenarbeit mit dem "Thüringer Kompetenznetzwerk Gleichstellung der Thüringer Hochschulen (TKG)" seit dem Wintersemester 2014/2015 angeboten. Es kann im Rahmen der Schlüsselqualifikationen von den Studierenden aller Fakultäten belegt werden. Universität Erfurt: - fünf interdisziplinäre Lehrveranstaltungen zum Thema Gender im Studium Fundamentale (Optionalbereich der Bachelorstudiengänge). Beteiligt waren in vier Fällen die Erziehungswissenschaften/Mathematik sowie in einem Fall der Fachbereich Geschichtswissenschaften in Kooperation mit der Gleichstellungsbeauftragten . Bauhaus-Universität Weimar: als Weiterbildungsveranstaltungen und Abendveranstaltungen: - Gender Planning zwischen Anspruch und Wirklichkeit (Fakultät Architektur und Urbanistik und Gleichstellungsbüro ) im Sommersemester 2015, - Chancengerechte Exzellenzbewertungen in Berufungsverfahren im Wintersemester 2014/2015, - Mind the Gap - Genderbewusstes Schreiben in Lehre und Studium (Fakultät Medien und Gleichstellungsbüro ) im Wintersemester 2014/2015, - Genderbewusst Lehren (Gleichstellungsbüro) im Sommersemester 2014, - Diversity-Training im Sommersemester 2014. Friedrich-Schiller-Universität Jena: - Aktionstag am 8. Juni 2015 im Rahmen der Aktionswoche "Gleichstellung" der Thüringer Hochschulen (Fachbereiche Geschichte, Germanistik, Soziologie, Geschichte, Mathematik, Chemie, Wissenschaftsgeschichte , Lehramt) im Sommersemester 2015. Technische Universität Ilmenau: - Der Online-Kurs "Gender & Diversity im Berufs- und Privatleben" kann seit dem Wintersemester 2011/2012 jedes Semester im Studium generale als Wahlfach belegt werden; der Aufbaukurs "Gender & Diversity II" wird seit dem Wintersemester 2013 angeboten. In den letzten vier Semestern ergab dies vier Veranstaltungen pro Kurs. Tiefensee Minister