17.11.2015 Drucksache 6/1307Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 30. November 2015 Finanzierungsnot der Thüringer Bergwacht durch unklare gesetzliche Regelungen Die Kleine Anfrage 553 vom 24. September 2015 hat folgenden Wortlaut: Die ausschließlich ehrenamtlichen Einsatzkräfte der 30 Thüringer Bergwachten absolvierten im vergangenen Jahr 658 Einsatzfälle und Hilfeleistungen, bei denen 100 Patienten zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus transportiert werden mussten. Die Stellung der Bergwacht als Teil des Hilfeleistungssystems und ihre finanzielle Unterstützung sind jedoch nicht sichergestellt. Die Aufgabenbereiche der Bergwacht fallen jeweils in einen anderen Zuständigkeitsbereich: Zum einen ist sie als Bergrettungszug im Rahmen des Thüringer Katastrophenschutzgesetzes Bestandteil des kreislichen Katastrophenschutzes (Zuständigkeit und Finanzierung durch Land). Als Bergrettung im Rahmen des Thüringer Landesrettungsdienstplans beziehungsweise des Thüringer Rettungsdienstgesetzes ist die Bergwacht Bestandteil des bodengebundenen Rettungsdiensts (Vorhaltung und Finanzierung durch Rettungsdienstzweckverband ). Durch unklare gesetzliche Regelungen fehlen klare Vorgaben über Standorte, Fahrzeuge und Ausrüstung. Dringend benötigte Investitionen in die technische Ausrüstung und die Unterkünfte können nicht erfolgen. Außerdem existiert bei den gesetzlichen Krankenkassen keine einheitliche Regelung zur Abrechnung von Rettungseinsätzen der Bergwacht anhand der tatsächlich entstandenen Aufwendungen. Bei Rettungseinsätzen der Bergwacht in anderen Bundesländern erstatten die Krankenkassen bis zu 650 Euro je Patient. In Thüringen gibt es wegen unklarer gesetzlicher Regelungen nur etwas über 50 Euro je Einsatz. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die derzeitige Situation der Bergwacht in Thüringen? 2. Mit welchen Maßnahmen unterstützt die Landesregierung die über 800 Ehrenamtlichen der Bergwacht? Sieht sie die Notwendigkeit einer weiteren Unterstützung? 3. Wie sollen Rettungseinsätze der Bergwacht bei den gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden? a) Soll die Abrechnung auf Grundlage eines Kosten-Leistungs-Nachweis speziell für die Bergrettung (analog Thüringer Verordnung über Kosten-Leistungs-Nachweise im Rettungsdienst) erfolgen (bitte begründen)? b) Soll die Abrechnung einer Bergrettungsleistung über den Kostenträger (Krankenkassen) anhand einer Verordnung zur Krankenbeförderung ("Transportschein") erfolgen (bitte begründen)? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Meißner (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1307 4. Plant die Landesregierung die Erarbeitung a) einer Bergrettungsbedarfsplanung (analog der Bedarfsplanung für Rettungsdienst, Feuerwehr) anhand einer Gefahrenanalyse? b) einer Kosten-Leistungsrechnung Bergrettung gemäß Bedarfsplanung in einem Kosten-Leistungs- Nachweis, um tatsächliche Aufwendung zur Vorhaltung zu ermitteln? 5. Wird sich die Landesregierung künftig vermehrt für die Umsetzung des Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetzes und für die dringend benötigten Investitionen in technische Ausrüstung und Unterkünfte einsetzen? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 16. November 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Bergwachten in Thüringen leisten im Rahmen des bodengebundenen Rettungsdienstes einen sehr wichtigen Beitrag zur Suche und Rettung von in Not geratenen Personen aus unwegsame Gelände. Hierzu gehört insbesondere die medizinische Erstversorgung von verunfallten Wanderern, Kletterern oder Radfahrern im Sommer bzw. von Skifahrern im Winter sowie deren Transport bis zur Übernahme durch den hauptamtlich organisierten Rettungsdienst. Zugleich wird das spezielle technische Hilfeleistungspotential der Bergwacht auch für die Abwehr anderer Gefahren, wie etwa für die Befreiung hilfsbedürftiger Personen aus unterirdischen Hohlräumen, sowie für etwaige Katastrophenfälle vorgehalten. Die Mindestanforderungen an die personelle und technische Ausstattung für den Katastrophenschutz sind in § 28 Abs. 3 Nr. 11 Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetz (ThürBKG) in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 7 Thüringer Katastrophenschutzverordnung geregelt. Danach haben die Landkreise und kreisfreien Städte als untere Katastrophenschutzbehörden dafür zu sorgen , dass landesweit ein Katastrophenschutz-Bergrettungszug, bestehend aus insgesamt 14 Fahrzeugen mit 47 Helfern, aufgestellt wird. Wegen des besonderen Einsatzzwecks sind der Zugtrupp und die sechs Bergrettungsgruppen als Teileinheiten des Bergrettungszuges insbesondere in den Höhenlagen des Thüringer Waldes stationiert. Nach Angaben des Landesverwaltungsamtes soll die Beschaffung der fehlenden Gerätewagen Bergrettung , Anhänger und Kleingeländefahrzeuge (Quads) im Sinne der oben genannten Anforderungen sukzessive erfolgen. Zu 2.: Grundsätzlich tragen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 ThürBKG die privaten Hilfsorganisationen die Kosten, die ihnen durch ihre Mitwirkung in der Allgemeinen Hilfe und im Katastrophenschutz entstehen, selbst. Nach § 47 Abs. 1 Satz 2 ThürBKG erstatten jedoch die kommunalen Aufgabenträger den privaten Hilfsorganisationen auf Antrag die Kosten, die diesen bei von ihnen angeordneten oder genehmigten Einsätzen, Übungen und sonstigen Veranstaltungen entstanden sind oder entstehen. Die Höhe der Entschädigungsleistungen für die Helfer richtet sich dabei nach den Regelungen für die ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen . Auch im Übrigen sind die Helfer den ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 14 ThürBKG rechtlich gleichgestellt. Darüber hinaus gleicht das Land seit dem Systemwechsel im Katastrophenschutz vom eigenen zum übertragenen Wirkungskreis die den Landkreisen und kreisfreien Städten für die Erfüllung der Aufgaben des Katastrophenschutz -Bergrettungszuges entstehende Mehrbelastung aus. Zudem unterstützt das Land seit vielen Jahren die Ausstattung der Bergwacht durch Förderungen. In den Jahren 2008 bis 2014 wurden auf der Grundlage des § 47 Abs. 2 ThürBKG Zuschüsse in Höhe von insgesamt 184.383,27 Euro für die Anschaffung von Ausrüstungen, Sicherungssystemen und Sanitätsmaterial gewährt. 3 Drucksache 6/1307Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Diese finanziellen Leistungen sind auch weiterhin notwendig, um das ehrenamtliche Engagement zu würdigen und die Einsatzbereitschaft der Bergwacht abzusichern. Zu 3. und 4.: Die Bedarfsplanung für die rettungsdienstlichen Einsätze der Bergwacht sowie die Modalitäten der Einsatzabrechnung obliegen aus den folgenden Gründen nicht der Landesregierung, sondern der kommunalen Ebene. Die Aufgabe der bedarfsgerechten und flächendeckenden Sicherstellung des bodengebundenen Rettungsdienstes einschließlich der Bergrettung ist nach § 5 Abs. 1 Thüringer Rettungsdienstgesetz (ThürRettG) den Landkreisen, kreisfreien Städten bzw. Rettungsdienstzweckverbänden zur Erfüllung im eigenen Wirkungskreis zugewiesen. Nach § 12 Abs. 1 ThürRettG obliegt die konkrete Planung des Gesamtbedarfs für den jeweiligen Rettungsdienstbereich dem kommunalen Aufgabenträger, der sich nach § 6 Abs. 1 ThürRettG zur Aufgabendurchführung Dritter, wie insbesondere der privaten Hilfsorganisationen, bedienen kann. Zur Refinanzierung der vom Aufgabenträger nach § 18 Abs. 1 ThürRettG zu tragenden Kosten sind nach § 18 Abs. 2 Satz 1, § 20 Abs. 1 Satz 1 ThürRettG für die Leistungen des Rettungsdienstes kostendeckende Benutzungsentgelte mit den Kostenträgern (Träger der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung) und ihren Verbänden zu vereinbaren. Dabei ist zu beachten, dass nach § 20 Abs. 2 Satz 4 ThürRettG bei der Kalkulation der Benutzungsentgelte die o. g. Zuwendungen des Landes kostenmindernd zu berücksichtigen sind. Zu 5.: Es wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. Dr. Poppenhäger Minister