23.11.2015 Drucksache 6/1351Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 4. Dezember 2015 Weisungen von Ministerien zur Nichteinleitung und/oder Einstellung von Strafverfahren wegen Diebstahls gegen Asylbewerber? Die Kleine Anfrage 545 vom 23. September 2015 hat folgenden Wortlaut: Nach Informationen des Fragestellers soll es eine Weisung des Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz geben, mit der die Staatsanwälte im Freistaat Thüringen angewiesen worden seien, gegen Asylbewerber und Flüchtlinge (nachfolgend: Asylbewerber) mit Verdacht auf Diebstahl eingeleitete Ermittlungs - und/oder Strafverfahren grundsätzlich einzustellen. Ich frage die Landesregierung: 1.a) Wurden die Staatsanwälte im Freistaat Thüringen angewiesen, Strafverfahren mit Verdacht auf Diebstahl , die gegen Asylbewerber eingeleitet wurden, grundsätzlich einzustellen? b) Wurde die Polizei angewiesen, Diebstahlsanzeigen gegen Asylbewerber nicht aufzunehmen? 2. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass jede einzelne der beiden unter Frage 1 angefragten Weisungen gegen das Legalitätsprinzip und gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen würde? Wenn nein, warum nicht? 3. Wie steht die Landesregierung grundsätzlich zur Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte, insbesondere unter Berücksichtigung der Resolution 1685 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, mit der die Abschaffung der Möglichkeit der Justizminister, den Strafverfolgern in einzelnen Fällen Weisungen zu erteilen, gefordert wurde? 4. Wenn eine oder beide Fragen unter Frage 1 mit Ja beantwortet wurden: Wann wurde/n die entsprechende/n Weisung/en erlassen? Wie ist deren Wortlaut? 5. Wenn beide Fragen unter Frage 1 mit Nein beantwortet wurden: Wurden eine oder mehrere ähnliche Weisungen erlassen? Ist/sind solche Weisungen geplant? 6. In welchen Fällen haben das Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und das Ministerium für Inneres und Kommunales im Zeitraum Dezember 2014 bis zur Beantwortung dieser Anfrage Weisungen erlassen, die im Zusammenhang mit der Strafverfolgung von Asylbewerbern standen (bitte nach Inhalt und Datum aufschlüsseln)? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Brandner (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1351 Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 19. November 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1. a): nein Zu 1. b): nein Zu 2.: ja Zu 3.: Die rechtspolitische Diskussion über das Recht der Justizminister, im Einzelfall externe Weisungen zu erteilen , wird durch die Landesregierung mit aufgeschlossenem Interesse verfolgt. Dabei sind viele Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Solange die Staatsanwaltschaft trotz ihrer Eingliederung in die Justiz der Exekutive zugehörig ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. Februar 2001, 2 BvR 1444/00, Absatz Nummer 49), ist unter anderem zu gewährleisten, dass die Volksvertretung die ihr nach dem Gewaltenteilungsprinzip zukommende Kontrolle der ausführenden Gewalt wirksam ausüben kann. Ein Justizminister, der das Handeln der Staatsanwaltschaften im Einzelfall mangels Weisungsbefugnis nicht beeinflussen kann, vermag auch für deren Handeln gegenüber der Volksvertretung keine Verantwortung zu übernehmen. Es stellt sich damit die Frage, wer insoweit an die Stelle des Justizministers treten sollte und ob durch entsprechende Änderungen ein im Ergebnis besseres System hervorgebracht werden kann. Zu 4.: Da keine der beiden Fragen unter 1 mit "Ja" beantwortet wurde, ist eine Beantwortung nicht veranlasst. Zu 5.: nein Zu 6.: Mit Wirkung zum 1. Oktober 2015 wurde die Gemeinsame Richtlinie des Generalstaatsanwalts und des Präsidenten der Bundespolizeidirektion Pirna über die Vorlage von Ermittlungsvorgängen an die Staatsanwaltschaften des Freistaats Thüringen durch die Bundespolizei neu gefasst. Dabei wurden Erstverstöße der unerlaubten Einreise und des unerlaubten Aufenthalts nach § 95 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in die Liste der Offizialdelikte, die im vereinfachten Verfahren bearbeitet werden können, aufgenommen. Das vereinfachte Verfahren bei der polizeilichen Bearbeitung von Straftaten soll Arbeitskapazität der Strafverfolgungsbehörden für die Kriminalitätsbekämpfung freisetzen. Auf die im Ermittlungsverfahren erforderlichen Feststellungen wird dabei nicht verzichtet. In Einzelfällen kann eine über die Maßgaben der vereinfachten Bearbeitung hinausgehende umfassende Bearbeitung notwendig sein. Das vereinfachte Verfahren zeichnet sich insbesondere durch folgende Bearbeitungsweise aus: - Beschränkung von Niederschriften auf das Wesentliche, - schriftliche Anhörung des Beschuldigten anstelle einer persönlichen Vernehmung, - nur kurze Zeugenvernehmungen bei Geständnis des Beschuldigten, - keine Schlussberichte oder -vermerke. Die Generalstaatsanwälte der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen- Anhalt und Thüringen haben im Rahmen der Tagung der Generalstaatsanwälte Mittel- und Ostdeutschlands zudem Hinweise für die Prüfung eines Anfangsverdachts wegen illegaler Einreise bzw. des unerlaubten Aufenthalts nach § 95 Abs. 1, 5 AufenthG in Verbindung mit Artikel 31 Genfer Flüchtlingskonvention erarbeitet und abgestimmt. In Vertretung Dr. Albin Staatssekretärin