21.12.2015 Drucksache 6/1546Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 14. Januar 2016 Aufnahme von Flüchtlingskindern in Thüringer Kindergärten Die Kleine Anfrage 649 vom 6. November 2015 hat folgenden Wortlaut: In einem Beitrag in der Ostthüringer Zeitung vom 6. November 2015 heißt es, dass Thüringen für die Auf nahme von Flüchtlingskindern Ausnahmen bei gesetzlich vorgesehenen Mindeststandards in den Einrich tungen zulässt. Nach Angaben von Bildungsministerin Dr. Birgit Klaubert würden Anträge auf solche Ausnah meregelungen wie auch auf Kapazitätserweiterungen zügig und in enger Abstimmung mit den Einrichtungen und Trägern bearbeitet. Ich frage die Landesregierung: 1. Inwieweit kann der Platzbedarf in Kindergärten für Kinder in Thüringen erfüllt werden? 2. Wie groß ist in Thüringen der Bedarf an Kindergartenplätzen für Flüchtlingskinder? 3. Welche Probleme gibt es bei der Schaffung von Kindergartenplätzen für Flüchtlingskinder? 4. Welche Kosten entstehen für die Kommunen und das Land aufgrund der Aufnahme von Flüchtlingskin dern in Thüringer Kindergärten? 5. Welche Ausnahmen werden von der Landesregierung bei gesetzlich vorgesehenen Mindeststandards zugelassen? 6. Welche Einrichtungen und Träger sind von den Ausnahmeregelungen und Kapazitätserweiterungen betroffen? 7. Welche Angebote der Sprachförderung gibt es in den Thüringer Kindergärten? Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 17. Dezember 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Zum 1. März 2015 gab es in Thüringen 99.102 Betreuungsplätze, die von 89.565 Kindern belegt wurden. Insbesondere in den kreisfreien Städten kann es allerdings im Einzelfall zu Kapazitätsengpässen kommen. K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kowalleck (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1546 Zu 2.: Das Thüringer Landesverwaltungsamt teilte mit, dass in Thüringen im Jahr 2015 mit rund 2.400 "Flücht lingskindern" im Alter von 1 bis 6,5 Jahren gerechnet werden könnte (ohne UMA). Eine genaue Alterszu sammensetzung ist allerdings nicht bekannt. Wie sich die Zugangszahlen und die Inanspruchnahme tatsächlich entwickeln, kann derzeit nicht einge schätzt werden. Zu 3.: Auf die Antworten zu den Fragen 5 und 6 wird verwiesen. Zu 4.: Eine belastbare Kostenprognose ist nicht möglich. Siehe auch Antwort zu Frage 2. Zu 5.: Die Mindeststandards bei der Kindertagesbetreuung sollen zunächst grundsätzlich unberührt bleiben, um eine qualitativ hochwertige Betreuung aller, also auch der Flüchtlingskinder zu gewährleisten. Dies betrifft vor allem die Betreuungsstandards (Personalschlüssel), wo ein Abweichen gerade im Hinblick auf den ver mutlich bestehenden Bedarf der Flüchtlingskinder an einer intensiveren Betreuung nicht angezeigt ist. Es muss davon ausgegangen werden, dass diese Kinder durch Krieg und Flucht teilweise sehr belastende Er fahrungen haben, die bis hin zu einer Traumatisierung gehen. Daher benötigen sie eher mehr als weniger Betreuung. Um bei einem Zuzug von Flüchtlingen bauliche und räumliche Engpässe im Bereich der Kindertagesbe treuung zu überbrücken, die kurzfristig nicht beseitigt werden können, können Ausnahmegenehmigungen im Hinblick auf die Flächenanforderungen des Thüringer Kindertageseinrichtungsgesetzes erteilt werden. Dies ist insoweit legitim, als vergleichbare Ausnahmen im Rahmen des Bestandsschutzes für Einrichtun gen aus der Zeit vor Inkrafttreten der jetzigen Fassung des Thüringer Kindertageseinrichtungsgesetzes be stehen. Allerdings werden derartige Ausnahmegenehmigungen ausschließlich zum Zweck der Betreuung von Flüchtlingskindern und angemessen befristet erteilt, um keine dauerhafte Umgehung der Mindeststan dards zu ermöglichen. Als Obergrenze kann ein Wert von fünf Prozent bezogen auf die in der Betriebser laubnis festgelegte Rahmenkapazität, angesetzt werden. Zu 6.: Ausnahmegenehmigungen (vgl. Antwort zu Frage 5) werden auf Antrag des betroffenen Trägers erteilt, wenn dieser den Bedarf glaubhaft macht. Das kann im Einzelfall geschehen oder per Allgemeinverfügung für den Bereich einer Gemeinde, wenn für diese ein erhöhter Bedarf bekannt ist. Voraussetzung ist auch im letztgenannten Fall, dass ein Antrag auch als Sammelantrag mit den Unterschriften der Vertreter aller be troffenen Träger vorliegt. Zu 7.: Thüringen verfolgt in den Kindertageseinrichtungen die Strategie alltagsintegrierter sprachlicher Bildung. Da runter wird eine umfassende systematische Unterstützung und Begleitung der natürlichen Sprachentwick lung aller Kinder in allen Altersstufen verstanden, die über die gesamte Verweildauer der Kinder in der Kin dertageseinrichtung das Handeln der pädagogischen Fachkräfte während der alltäglichen pädagogischen Arbeit bestimmt. Individueller Mehrbedarf kann durch additive Sprachfördermaßnahmen gedeckt werden. Die Diagnostik und Förderung erfolgt nicht in den Kindertageseinrichtungen, sondern wird durch ausgebil dete Fachkräfte anderer Dienste geleistet. Von 2011 bis 2015 beteiligte sich Thüringen flächendeckend am Bundesprogramm "Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration". Mit dem Programm förderte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bundesweit SchwerpunktKitas. In Thüringen wurden 95 halbe Fachkraftstellen für Sprachex pertinnen und Sprachexperten an Kitas gefördert (Stand: 31. Dezember 2014). Das Bundesprogramm trug dazu bei, allen Kindern unabhängig von Herkunft und sozialen Rahmenbedingungen frühe Chancen auf Bildung und Teilhabe zu gewährleisten. In SchwerpunktKitas wurde das sprachliche Bildungsangebot ins besondere für Kinder unter drei Jahren, Kinder aus bildungsfernen Familien und aus Familien mit Migrati onshintergrund verbessert. Aufgabe der Fachkräfte in den SchwerpunktKitas war es, eine alltagsintegrierte sprachliche Bildung und Begleitung der Kinder in der Konzeption der Einrichtung zu verankern. Die Schwer punktKitas wurden mit zusätzlichen Ressourcen für eine alltagsintegrierte sprachliche Bildung ausgestat tet. Die KitaTeams wurden durch zusätzliche Fachkräfte, die Sprachexpertinnen und Sprachexperten, bei ihrer Arbeit unterstützt. Dadurch sind in Thüringen flächendeckend vertiefte Kompetenzen zur sprachlichen 3 Drucksache 6/1546Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Förderung mit den oben genannten Zielen vorhanden. Diese stehen auch aktuell für die Arbeit der Einrich tungen mit den Kindern aus Flüchtlingsfamilien zur Verfügung. Thüringen wird auch an dem Folgeprogramm des Bundes "SprachKitas weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist" (2016 bis 2019) teilnehmen. Derzeit läuft das Antragsverfahren für 88 Kindertageseinrichtungen und acht zusätzliche halbe Fachberaterstellen. Die Auswahl der Einrichtungen erfolgte durch die jeweils zu ständigen Jugendämter unter dem Gesichtspunkt des Bedarfs an alltagsintegrierter sprachlicher Bildung, zum Beispiel auch aufgrund sozialräumlicher Belastung oder der Lage der Einrichtung im Einzugsgebiet einer Flüchtlingsunterkunft. Vor Ort haben sich in den Kindertageseinrichtungen weitere Projekte und Ansätze herausgebildet, die ge eignet sind, Kinder aus Flüchtlingsfamilien zu unterstützen und sprachlich zu fördern. Dr. Klaubert Ministerin