23.12.2015 Drucksache 6/1553Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 15. Januar 2016 Prekäre Arbeitsverhältnisse in Thüringen Die Kleine Anfrage 639 vom 5. November 2015 hat folgenden Wortlaut: Monatlich veröffentlicht die Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit neue Arbeitsmarktzahlen. Trotz der insgesamt positiven Entwicklung aus dem Arbeitsmarkt zeigte die Veröffentlichung aus dem Monat August auf, dass in Thüringen der Anteil der Menschen, die durch einen Nebenjob Geld dazu verdienen, in den letzten zehn Jahren um 60 Prozent gestiegen ist. Derzeit haben ungefähr vier Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Thüringen einen zusätzlichen Job. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie hat sich der Anteil der Personen, die neben einer Vollzeitbeschäftigung einer weiteren bezahlten Nebentätigkeit nachgehen, im Unstrut-Hainich-Kreis seit dem Jahr 2009 entwickelt (bitte einzeln nach Jahren auflisten)? 2. Wie hat sich der Anteil der Personen, die neben einer Teilzeitbeschäftigung einer weiteren bezahlten Nebentätigkeit nachgehen, im Unstrut-Hainich-Kreis seit dem Jahr 2009 entwickelt (bitte einzeln nach Jahren auflisten)? 3. Wie hat sich der Frauenanteil an den Voll- und Teilbeschäftigten mit einer bezahlten Nebentätigkeit seit dem Jahr 2009 in Thüringen entwickelt (bitte einzeln nach Jahren und Beschäftigungsart auflisten)? 4. Wie hat sich der Altersdurchschnitt bei den Voll- und Teilbeschäftigten mit einer bezahlten Nebentätigkeit seit dem Jahr 2009 entwickelt (bitte für Thüringen und für den Unstrut-Hainich-Kreis getrennt sowie nach Altersgruppen auflisten)? 5. Welche Maßnahmen will die Landesregierung ergreifen, um der Entwicklung hin zu einer zusätzlich bezahlten Nebentätigkeit zur Sicherung des Lebensunterhalts entgegenzuwirken? Wenn keine Maßnahmen geplant sind, warum nicht? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 22. Dezember 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1. und 2.: Frage 1 und Frage 2 werden aufgrund des sachlichen Zusammenhangs wie folgt gemeinsam beantwortet: Die Bundesagentur für Arbeit kann keine Angaben zur Arbeitszeit treffen und damit keine Unterscheidung zwischen Voll- und Teilzeit vornehmen. K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Lehmann (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1553 Die gewünschten Daten zu den Mehrfachbeschäftigten im Unstrut-Hainich-Kreis können der nachfolgenden Tabelle 1 entnommen werden. Tabelle 1: Mehrfachbeschäftigte am Wohnort** nach Art der Beschäftigungsverhältnisse für den Unstrut-Hainich-Kreis* (Quelle: Bundesagentur für Arbeit) Jahr Stichtag 30.06. Mehrfachbeschäftigte Insgesamt davon (Spalte 1) sv-pflichtige Mehrfachbeschäftigte darunter (Spalte 2) nur gB mit mindestens einer weiteren gB mit mindestens einem weiteren sv-pflichtigen Beschäftigungsverhältnis *** mit mindestens einer zusätzlichen gB*** 1 2 3 4 5 2009 1.617 1.392 210 1.202 225 2010 1.703 1.461 172 1.302 242 2011 1.807 1.549 205 1.353 258 2012 1.951 1.662 220 1.461 289 2013 1.955 1.681 203 1.502 274 2014 2.057 1.785 209 1.601 272 * Datenstand: Oktober 2015. ** Wohnort: alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in der betreffenden Region wohnen, unabhängig vom Arbeitsort. *** Diese Teilmengen haben eine Überschneidungsmenge: SvB mit mindestens SvB und gleichzeitig mindestens einer zusätzlichen gB (geringfügigen Beschäftigung). Zu 3. und 4.: Frage 3 und Frage 4 werden aufgrund des sachlichen Zusammenhangs wie folgt gemeinsam beantwortet: Die Bundesagentur für Arbeit kann keine Angaben zur Arbeitszeit treffen und damit keine Unterscheidung zwischen Voll- und Teilzeit vornehmen. Die Mehrfachbeschäftigten differenziert nach Geschlecht und Alter für den Unstrut-Hainich-Kreis können der Tabelle 2 bzw. für Thüringen der Tabelle 3 entnommen werden. Bitte beachten Sie auch die am Ende der Tabelle 3 eingefügten methodischen Hinweise. Tabelle 2: Mehrfachbeschäftigte am Wohnort** nach ausgewählten Personenmerkmalen für den Unstrut-Hainich-Kreis* (Quelle: Bundesagentur für Arbeit) Jahr Mehrfachbeschäftigte Insgesamt davon (Spalte 1) nach Geschlecht davon (Spalte 1) nach Altersgruppen Frauen Männer unter 25 Jahre 25 bis unter 55 Jahre 55 bis unter 65 Jahre 65 Jahre und älter 1 2 3 4 5 6 7 2009 1.617 987 630 238 1.119 225 35 2010 1.703 1.060 643 185 1.210 277 31 2011 1.807 1.107 700 166 1.288 323 30 2012 1.951 1.203 748 181 1.360 379 31 2013 1.955 1.192 763 189 1.342 388 36 2014 2.057 1.284 773 177 1.422 415 43 * Datenstand: Oktober 2015. ** Wohnort: alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in der betreffenden Region wohnen, unabhängig vom Arbeitsort. 3 Drucksache 6/1553Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Tabelle 3: Mehrfachbeschäftigte am Wohnort** nach ausgewählten Personenmerkmalen für Thüringen* (Quelle: Bundesagentur für Arbeit) Jahr Mehrfachbeschäftigte Insgesamt davon (Spalte 1) nach Geschlecht davon (Spalte 1) nach Altersgruppen Frauen Männer unter 25 Jahre 25 bis unter 55 Jahre 55 bis unter 65 Jahre 65 Jahre und älter 1 2 3 4 5 6 7 2009 37.696 23.063 14.633 5.429 25.808 5.512 947 2010 38.640 23.477 15.163 4.909 26.891 5.900 940 2011 40.484 24.502 15.982 4.426 28.268 6.846 944 2012 42.372 25.579 16.793 4.386 29.316 7.670 1.000 2013 43.997 26.412 17.585 4.345 30.230 8.244 1.178 2014 45.431 27.510 17.921 3.944 31.209 8.911 1.367 * Datenstand: Oktober 2015. ** Wohnort: alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in der betreffenden Region wohnen, unabhängig vom Arbeitsort. Methodische Hinweise - Sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigte (Quelle: Bundesagentur für Arbeit) Grundlage der Statistik bildet das Meldeverfahren zur Sozialversicherung, in das alle Arbeitnehmer (einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten) einbezogen sind, die der Kranken- oder Rentenversicherungspflicht oder Versicherungspflicht nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) unterliegen. uf Basis der Meldungen zur Sozialversicherung durch die Betriebe wird vierteljährlich (stichtagsbezogen) mit sechs Monaten Wartezeit der Bestand an sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigten ermittelt. Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte umfassen alle Arbeitnehmer, die kranken-, renten-, pflegeversicherungspflichtig und/oder beitragspflichtig nach dem Recht der Arbeitsförderung sind oder für die Beitragsanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung zu zahlen sind. Dazu gehören insbesondere auch Auszubildende, Altersteilzeitbeschäftigte, Praktikanten, Werkstudenten und Personen, die aus einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur Ableistung von gesetzlichen Dienstpflichten (z. B. Wehrübung) einberufen werden. Nicht zu den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zählen dagegen Beamte, Selbstständige, mithelfende Familienangehörige, Berufs- und Zeitsoldaten, sowie Wehr- und Zivildienstleistende (siehe o. g. Ausnahme). Zu den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen zählen Arbeitsverhältnisse mit einem niedrigen Lohn (geringfügig entlohnte Beschäftigung) oder mit einer kurzen Dauer (kurzfristige Beschäftigung). Beide werden auch als "Minijob" bezeichnet. Eine geringfügig entlohnte Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV liegt vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung (§ 14 SGB IV) regelmäßig im Monat die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreitet. Die Geringfügigkeitsgrenze beträgt bis einschließlich zum 31. Dezember 2012 400 Euro und ab dem 1. Januar 2013 450 Euro. Regelmäßig bedeutet, dass, wenn die Grenze von 450 Euro nur gelegentlich und nicht vorhersehbar überschritten wird, trotzdem eine geringfügig entlohnte Beschäftigung vorliegt. Eine Berichterstattung der ausschließlich geringfügig entlohnten Beschäftigten erfolgt seit dem Stichtag 30. Juni 1999, geringfügig entlohnte Beschäftigte im Nebenjob können ab dem Stichtag 30. Juni 2003 ausgewertet werden. Eine kurzfristige Beschäftigung liegt nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV vor, wenn die Beschäftigung für eine Zeitdauer ausgeübt wird, die im Laufe eines Kalenderjahres, oder auch kalenderjahrüberschreitend, auf nicht mehr als zwei Monate oder insgesamt 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich (z. B. durch einen auf längstens ein Jahr befristeten Rahmenarbeitsvertrag) begrenzt ist. Auswertungen zu kurzfristig Beschäftigten können ab dem 1. Quartal 2004 vorgenommen werden. Eine weitere Unterteilung der Daten über kurzfristig Beschäftigte in ausschließlich und im Nebenjob kurzfristig Beschäftigte ist aus Geheimhaltungsgründen nicht sinnvoll, da die Fallzahlen relativ gering sind. Werden von einer Person mehrere geringfügige Beschäftigungen ausgeübt, gelten folgende Regeln: 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1553 1. Eine geringfügig entlohnte Beschäftigung ist neben einer kurzfristigen Beschäftigung erlaubt. 2. Bei der gleichzeitigen Ausübung von mehreren geringfügig entlohnten Beschäftigungen darf die Summe der Entlohnungen die Geringfügigkeitsgrenze von 450 Euro nicht überschreiten. 3. Bei der Ausübung von mehreren kurzfristigen Beschäftigungen darf die Grenze von zwei Monaten oder 50 Arbeitstagen, innerhalb des vorgegebenen Zeitraumes, nicht überschritten werden. Neben einer nicht geringfügigen versicherungspflichtigen (Haupt-)Beschäftigung ist die Ausübung einer geringfügigen (Neben -)Beschäftigung zulässig. Für den Fall, dass ein Arbeitnehmer neben einer nicht geringfügigen versicherungspflichtigen Beschäftigung bei anderen Arbeitgebern geringfügig entlohnte Beschäftigungen ausübt, gilt für die Bereiche der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, dass geringfügig entlohnte Beschäftigungen - mit Ausnahme einer geringfügig entlohnten Beschäftigung - mit einer nicht geringfügigen versicherungspflichtigen Beschäftigung zusammenzurechnen sind. Vergleiche Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen (Geringfügigkeits-Richtlinien) vom 20. Dezember 2012. Mehrfachbeschäftigte, die gleichzeitig zwei oder mehr geringfügigen Beschäftigungen nachgehen, werden nur nach den Merkmalen der zuletzt aufgenommenen Beschäftigung ausgewiesen. Die erhobenen Daten unterliegen grundsätzlich der Geheimhaltung nach § 16 Bundesstatistikgesetz. Eine Übermittlung von Einzelangaben ist daher ausgeschlossen. Aus diesem Grund werden Zahlenwerte unter drei und Daten, aus denen sich rechnerisch eine Differenz ermitteln lässt, mit * anonymisiert. Gleiches gilt, wenn in einer Region oder in einem Wirtschaftszweig weniger als drei Betriebe ansässig sind oder einer der Betriebe einen so hohen Beschäftigtenanteil auf sich vereint, dass die Beschäftigtenzahl praktisch eine Einzelangabe über diesen Betrieb darstellt (Dominanzfall). Hierbei gilt: Bei drei bis neun Betrieben, die hinter einer Beschäftigtenzahl stehen, darf keiner der Betriebe 50 oder mehr Prozent der Beschäftigten auf sich vereinen. Bei zehn oder mehr Betrieben dürfen auf keinen Betrieb 85 oder mehr Prozent der Beschäftigten entfallen. Weiterführende Informationen zur Statistik der sozialversicherungspflichtigen und geringfügigen Beschäftigung finden Sie unter: http://statistik.arbeitsagentur.de/cae/servlet/contentblob/4412/publicationFile/858/Qualitaetsbericht-Statistik -Beschaeftigung.pdf Zu 5.: Die Landesregierung unterstützt mit den Sozialpartnern vereinbarte Regelungen zum Thema "Gute Arbeit. Faire und auskömmliche Löhne" sind in diesem Zusammenhang ein besonders wichtiges Merkmal Guter Arbeit. Die Thüringer Landesregierung hat sich daher in der Vergangenheit für einen flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn stark gemacht. Durch die Einführung eines bundeseinheitlichen flächendeckenden Mindestlohns profitieren seit dem 1. Januar 2015 ca. 200.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Thüringen von einem höheren Lohn. Um für die Akzeptanz des Mindestlohns zu werben, wurden vom Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie bereits zwei Mindestlohngipfel abgehalten. Erhebungen im Rahmen des "IAB Betriebspanel. Länderbericht Thüringen" bestätigen, dass in tarifgebundenen Betrieben die Entlohnung deutlich höher als in nicht tarifgebundenen Betrieben ist. Daher setzt sich die Landesregierung für eine Erhöhung der Tarifbindung ein. Eine Verbesserung der Tarifbindung in Thüringen wird auch von dem Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie erhofft, das im letzten Jahr in Kraft getreten ist. Auch die Wirtschaftsförderung der Landes wurde in den letzten Jahren mit Sozialkriterien Guter Arbeit und mit dem Blick auf die Gewinnung von Fachkräften mit dem Ziel verbunden, die Attraktivität geförderter Arbeitsplätze zu erhöhen. So haben beispielsweise Leiharbeitsquoten, ein Jahresmindestentgelt bzw. ein Lohnsteigerungskriterium Eingang in die Richtlinie zur Gewährung von Zuschüssen an Unternehmen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" gefunden. In Vertretung Feierabend Staatssekretärin