28.12.2015 Drucksache 6/1558Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 18. Januar 2016 Nachbescheidung von Abwasserbeiträgen durch den Stadtentwässerungsbetrieb Nordhausen Die Kleine Anfrage 643 vom 6. November 2015 hat folgenden Wortlaut: Der Stadtentwässerungsbetrieb Nordhausen beabsichtigt bereits bestandskräftige Abwasserbeitragsbescheide aus dem Jahr 2013 nachträglich zu ändern und noch weitere Abwasserbeiträge zu erheben. Der Stadtentwässerungsbetrieb beruft sich dabei auf ein Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 20. November 2014 (Az.: 4 KO 283/13). Gegenstand dieser Gerichtsentscheidung ist die Ermittlung der tatsächlich bebauten beziehungsweise baulich genutzten Fläche bei den sogenannten übergroßen Grundstücken , die unter die Regelungen der Privilegierung fallen (das heißt, bei diesen Grundstücken sind Grundstücksteile abwasserbeitragsfrei). Die Privilegierung der übergroßen Flächen ist in § 5 Satz 2 Nr. 3 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungsatzung der Stadt Nordhausen geregelt. Die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungsatzung der Stadt Nordhausen unterliegt der Rechtsaufsicht des Landes. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche sogenannten Privilegierungstatbestände bei der Festsetzung und Erhebung der Abwasserbeiträge enthält die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungsatzung der Stadt Nordhausen? 2. Welche Auswirkungen hat das zitierte Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts auf diese Satzungsregelungen ? 3. Inwieweit ist die Stadt Nordhausen verpflichtet, die Satzungsregelungen zur Privilegierung bei der Abwasserbeitragsberechnung infolge des zitierten Urteils des Thüringer Oberverwaltungsgerichts anzupassen und welches Ermessen hat die Stadt dabei? Wann ist diese Satzungsanpassung wie erfolgt? 4. Unter welchen Voraussetzungen kann beziehungsweise muss die Stadt in Umsetzung des zitierten Urteils des Thüringer Oberverwaltungsgerichts bei den privilegierten übergroßen Grundstücken eine Nacherhebung von Abwasserbeiträgen vornehmen? Liegen diese Voraussetzungen vor? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kuschel (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1558 5. Welchen Einfluss auf die Nacherhebung von Abwasserbeiträgen hat dabei die Tatsache, dass die bereits erlassenen Abwasserbeitragsbescheide be standskräftig sind? 6. Welche Rechtswirkung entsteht aus der Tatsache, dass im Ur sprungsbescheid kein Verweis auf die Option der Nachbescheidung enthalten ist? 7. Welche gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Anpassungen sind aus Sicht der Landesregierung infolge des zitierten Urteils des Thüringer Oberverwaltungsgerichts geboten und wie wird diese Auffassung begründet? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 23. Dezember 2015 (Eingang: 28. Dezember 2015) wie folgt beantwortet: Zu 1.: Nach Mitteilung der zuständigen unteren Rechtsaufsichtsbehörde enthält § 5 Satz 2 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS-EWS) der Stadt Nordhausen folgende Privilegierungstatbestände : "… Abweichend von Satz 1 entsteht die Beitragspflicht 1. für unbebaute Grundstücke, sobald und soweit das Grundstück bebaut und tatsächlichen angeschlossen wird. 2. für bebaute Grundstücke in Höhe der Differenz, die sich aus tatsächlicher und zulässiger Bebauung ergibt , erst, soweit und sobald die tatsächliche Bebauung erweitert wird, 3. für bebaute Grundstücke nicht, soweit und solange das Grundstück die durchschnittliche Grundstücksfläche im Verteilungsgebiet der Einrichtung der Stadt Nordhausen um mehr als 30 vom Hundert (Grenzwert ) übersteigt. … Ziffer 3 gilt nicht für die tatsächlich bebaute Fläche." Zu 2.: Das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 20. November 2014 - 4 KO 283/13 - hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Regelungen in § 5 Satz 2 ff. BGS-EWS der Stadt Nordhausen. Das Thüringer Oberverwaltungsgericht legt vielmehr in seinem Urteil den Begriff der "tatsächlich bebauten Fläche" im Sinne von § 7 Abs. 7 Satz 5 Thüringer Kommunalabgabengesetz (ThürKAG) aus, der auch in der o. g. Satzungsregelung der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Stadt Nordhausen enthalten ist. Nach Auffassung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts handelt es sich bei der im Sinne des § 7 Abs. 7 Satz 5 ThürKAG geregelten tatsächlich bebauten Fläche "…um die gesamte zu baulichen Zwecken ausgenutzte Fläche eines übergroßen Grundstückes". Zu 3.: Eine Änderung der Privilegierungsregelungen in § 5 Satz 2 BGS-EWS der Stadt Nordhausen ist aufgrund des genannten Urteils des Thüringer Oberverwaltungsgerichts nicht erforderlich. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Zu 4.: Die Stadt Nordhausen ist nach Mitteilung der zuständigen unteren Rechtsaufsichtsbehörde berechtigt und unter Einhaltung des Einnahmebeschaffungsgebotes bzw. des Grundsatzes der Beitragsgerechtigkeit auch verpflichtet, in Auslegung des o. g. Urteils des Thüringer Oberverwaltungsgerichts bei einer geringen Anzahl von sogenannten "übergroßen Grundstücken" eine Beitragsnachveranlagung durchzuführen, weil der einmalig zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht entstandene Beitrag für die betroffenen Grundstücke noch nicht in voller Höhe ausgeschöpft wurde. Bei den betroffenen Grundstücken hat die Stadt Nordhausen festgestellt, dass unter Berücksichtigung des genannten Urteils des Thüringer Oberverwaltungsgerichts in den ursprünglichen Beitragsbescheiden jeweils eine zu geringe beitragspflichtige Fläche angesetzt und der Beitrag zu niedrig festgesetzt wurde. 3 Drucksache 6/1558Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 5.: Keinen; nach der obergerichtlichen Rechtsprechung in Thüringen ist eine Nacherhebung bis zur Höhe der Beitragsschuld regelmäßig zulässig, wenn ein erster Beitragsbescheid die entstandene sachliche Beitragspflicht in der Höhe nicht ausschöpft. Die Bestandskraft des ursprünglichen Beitragsbescheides steht einer solchen Nachveranlagung nicht entgegen. Nach Mitteilung der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde ist in den wenigen Einzelfällen, in denen die Stadt Nordhausen eine Nachveranlagung durchführt, noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Zu 6.: Keine - im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Zu 7.: Aus dem Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 20. November 2014 - 4 KO 283/13 - lässt sich ein Bedarf zur gesetzlichen oder verordnungsrechtlichen Änderung der Privilegierungsregelungen des § 7 Abs. 7 Satz 2 und 3 ThürKAG nicht ableiten. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Dr. Poppenhäger Minister