29.12.2015 Drucksache 6/1562Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 18. Januar 2016 Tragischer Verkehrsunfall wegen Eisglätte Die Kleine Anfrage 650 vom 6. November 2015 hat folgenden Wortlaut: Pressemitteilungen zufolge ist es am Dienstagnachmittag des 3. November 2015 gegen 15.10 Uhr auf der Landesstraße L1148 zwischen Steinheid und Steinach zu einem schweren Verkehrsunfall mit Todesfolge gekommen. Ursache soll Eisglätte gewesen sein. Ein durch die Rettungskräfte vor Ort angefordertes Win terdienstfahrzeug stand nach Informationen des Fragestellers erst nach Stunden zur Verfügung. Ich frage die Landesregierung: 1. Ist der Landesregierung die genaue Unfallursache bekannt? 2. Wen trifft die Winterdienstpflicht auf der betroffenen Straße? 3. War an diesem Nachmittag ein Winterdienstfahrzeug im Einsatz? Wenn nein, warum nicht? 4. Welche rechtlichen/vertraglichen Regelungen bestehen bezüglich des Winterdienstes zwischen Winter dienstverpflichteten und dem Betreiber des Winterdienstes? 5. Entsprach das Vorgehen des Betreibers des Winterdienstes den geltenden gesetzlichen und technischen Vorschriften über Umfang und Art des Winterdienstes beziehungsweise den vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Winterdienstverpflichteten und dem Betreiber des Winterdienstes? 6. Welche Maßnahmen zieht der Betreiber des Winterdienstes in Betracht, um die Straßenverkehrssicherheit auf der genannten Strecke über das bisherige Maß hinaus zu gewährleisten? Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 22. Dezember 2015 (Eingang: 29. Dezember 2015) wie folgt beantwortet: Zu 1.: Am 3. November 2015 ereignete sich gegen 14:56 Uhr auf der Landesstraße L 1148 zwischen den Ortslagen Steinheid und Steinach ein Verkehrsunfall, in dessen Folge die Mitfahrerin des vermeintlichen Unfallverur K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Worm (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1562 sachers tödlich verletzt wurde. Der Fahrer geriet mit seinem Fahrzeug in einer Linkskurve auf überfrorener Fahrbahn ins Schleudern, stellte sich quer und stieß im Bereich der Beifahrertür mit einem im Gegenver kehr befindlichen Pkw zusammen. Die gesamte Fahrbahn im Bereich der in Rede stehenden Linkskurve war auf einer Länge von ca. 150 bis 200 Metern überfroren. Sowohl in der näheren Umgebung der Unfallstelle als auch auf anderen Straßen abschnitten wurden seitens der Polizei keine weiteren derartig extremen Fahrbahnverhältnisse festgestellt. Die Ermittlungen der Polizei und des Gutachters zur Klärung der eindeutigen Unfallursache dauern der zeit noch an. Zu 2.: Die Winterdienstpflicht für die Landesstraße L 1148 obliegt dem Freistaat Thüringen als Träger der Baulast dieser Straße. Mit der Durchführung des Winterdienstes ist vertraglich ein privates Unternehmen beauf tragt. Das private Unternehmen nimmt diese Aufgabe in Abstimmung mit der Thüringer Straßenbauverwal tung im Wesentlichen eigenverantwortlich wahr. Die Thüringer Straßenbauverwaltung ist jedoch vertraglich berechtigt, die Durchführung des Winterdienstes vorübergehend auszusetzen, wenn hierzu witterungsbe dingt kein Bedarf besteht. Bezüglich der Durchführung des Winterdienstes bestehen vertragliche Vorgaben an ein Anforderungsniveau, das in seinen Grundzügen bundesweit auf Bundes- und Landesstraßen ein heitlich Anwendung findet. Zu 3.: An diesem Nachmittag war kein Winterdienstfahrzeug im Einsatz. Das zuständige Straßenbauamt Südwest thüringen hatte zu diesem Zeitpunkt die Durchführung des Winterdienstes entsprechend der vertraglichen Möglichkeit vorübergehend ausgesetzt. Zu 4.: Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Zu 5.: Das Vorgehen des mit der Durchführung des Winterdienstes beauftragten privaten Unternehmens entsprach der bestehenden vertraglichen Vereinbarung. Da die Durchführung des Winterdienstes zu diesem Zeitpunkt seitens des Straßenbauamtes ausgesetzt war, war das private Unternehmen an der Durchführung des Win terdienstes vertraglich gehindert und es bestand keine entsprechende Verpflichtung. Die Straßengebietswettervorhersagen des Deutschen Wetterdienstes wiesen für den Unfallzeitpunkt für dieses Gebiet und diese Höhenlage trockene Fahrbahnen, keine Niederschläge, Lufttemperaturen um die zehn Grad sowie Belagstemperaturen im Schatten um die fünf Grad aus. Wie der eingetretene Unfall zeigt, kam es jedoch trotzdem auf diesem einzelnen Streckenabschnitt auf einer Länge von ca. 150 bis 200 Metern zu einer Glättebildung. Insofern erweist sich die für diesen Zeitpunkt er folgte Aussetzung des Winterdienstes im Ergebnis als nicht sachgerecht. Auch nach den bestehenden tech nischen Vorgaben an das Anforderungsniveau im Winterdienst wäre diese Aussetzung des Winterdienstes nicht zwingend erforderlich gewesen. Es wäre vielmehr sinnvoll gewesen, dass das beauftragte Unterneh men Einsatzkontrollfahrten durchführt. Glatte Stellen hätten dann gestreut werden können. Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen: Das Anforderungsniveau des Winterdienstes, das Bund und Länder auf ihren Straßen dem Winterdienst zugrunde legen, geht in einem weiten Umfang über das Anforderungsniveau hinaus, das sich rechtlich aus der Verkehrssicherungspflicht ergibt. Es handelt sich insoweit um eine freiwillige und zusätzliche Leistung, die dem Mobilitätsinteresse der Verkehrsteilnehmer und der Funktionsfähigkeit der Gesamtwirtschaft dient. Nach gefestigter Rechtsprechung, auch des Bundesgerichtshofs, ist anerkannt, dass eine generelle Pflicht, alle öffentlichen Straßen bei Winterglätte zu bestreuen, nicht besteht. Öffentliche Straßen außerhalb ge schlossener Ortschaften sind nur an besonders gefährlichen Stellen zu bestreuen. Eine besonders gefährliche Stelle liegt erst dann vor, wenn der Verkehrsteilnehmer bei Fahrten auf win terlichen Straßen trotz der dann geforderten schärferen Beobachtung und erhöhten Sorgfalt den gefährli 3 Drucksache 6/1562Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode chen Straßenzustand nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und deshalb die Gefahr nicht meistern kann. Die Rechtsprechung betont, dass jeder Kraftfahrer wissen muss, dass sich an Straßenstellen mit wechselnder Sonnenbestrahlung oder Witterungseinwirkung - wie Überführungen, Wälder, Hügel usw. - bei Frost Glatt eis bilden oder halten kann, auch wenn andere Straßenabschnitte noch oder schon eisfrei sind. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit des Winterdienstes sind Art und Wichtigkeit der Straße ebenso zu berücksichtigen wie ihre Gefährlichkeit und die Stärke des Verkehrs. Grundvoraussetzung für die Räumund Streupflicht auf Straßen ist im Übrigen das Vorliegen einer allgemeinen Glätte und nicht nur das Vor handensein einzelner Glättestellen. Zu 6.: Als Konsequenz dieses Unfalls, den die Landesregierung sehr bedauert, hat das zuständige Landesamt für Bau und Verkehr gegenüber den Straßenbauämtern angeordnet, dass von der angesprochenen vertragli chen Möglichkeit, den Winterdienst zeitweise auszusetzen, zukünftig nicht mehr Gebrauch gemacht wird. In Vertretung Dr. Sühl Staatssekretär