19.12.2015 Drucksache 6/1564Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 19. Januar 2016 Befristete Arbeitsverträge in Thüringen Die Kleine Anfrage 679 vom 18. November 2015 hat folgenden Wortlaut: Befristete Arbeitsverträge erschweren die Lebensplanung, sind mit einer unsicheren Berufsperspektive verbunden und der Anteil der Niedriglohnbezieher ist bei befristet Beschäftigten doppelt so hoch wie bei regulären Arbeitsverhältnissen. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie sich die befristete Beschäftigung in Thüringen entwickelt hat. Ich frage die Landesregierung: 1. Liegen der Landesregierung Kenntnisse darüber vor und wenn ja, welche, a) wie sich die Befristung von Arbeitsverträgen quantitativ in Thüringen in den letzten zehn Jahren entwickelt hat; b) welche Beschäftigtengruppen in besonderer Weise von befristeten Arbeitsverträgen in Thüringen betroffen sind; c) wie der Umgang mit befristeten Arbeitsverträgen geschlechterspezifisch einzuschätzen ist; d) welche Branchen in besonderer Weise von befristeten Arbeitsverträgen in Thüringen betroffen sind; e) wie die Entwicklung sachgrundloser Befristungen in Thüringen einzuschätzen ist; f) wie die Entwicklung befristeter Arbeitsverträge in Thüringen zu beurteilen ist? 2. Welche Position bezieht die Landesregierung hinsichtlich einer Streichung der Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung gemäß § 14 Abs. 2, 2a und 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 23. Dezember 2015 (Eingang: 29. Dezember 2015) wie folgt beantwortet: Die Fragen 1a, 1c und 1e werden unter Bezugnahme auf die Antwort der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 18/5800) vom 20. August 2015 auf die Kleine Anfrage "Aktuelle Daten zu befristeter Beschäftigung " (Bundestagsdrucksache 18/5637) auf Basis der darin enthaltenen Daten aus dem Betriebspanel des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) beantwortet. Das IAB-Betriebspanel ist eine repräsentative Arbeitgeberbefragung zu betrieblichen Bestimmungsgrößen der Beschäftigung. Die Befragung wird seit 1993 in Westdeutschland, seit 1996 auch in Ostdeutschland jährlich im Auftrag des IAB durchgeführt. K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Leukefeld (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1564 Mittlerweile werden bundesweit etwa 16.000 Betriebe aller Branchen und aller Größen zu einer Vielzahl beschäftigungspolitischer Themen befragt. Die Befragung findet jeweils Mitte des Jahres statt. Im IAB-Betriebspanel liegen Informationen über befristete Arbeitsverträge, befristete Einstellungen, Übernahmen, Verlängerungen und Abgänge vor. Zudem enthält das IAB-Betriebspanel Informationen über die Anzahl sachgrundloser Befristungen. Bei den Zahlen des IAB-Betriebspanels handelt es sich nicht um exakte, administrativ erfasste Zahlen, sondern um hochgerechnete, kalkulatorische Werte aus einer Stichprobe, die mit einer gewissen Ungenauigkeit einhergehen. Bei der Interpretation sollte berücksichtigt werden, dass sich Veränderungen der Zahlenwerte zum Teil im Bereich des Stichprobenfehlers bewegen. Zu 1. a: Die Antwort auf Frage 1 ergibt sich aus der nachfolgenden Tabelle 1. Die Anteile der befristeten Beschäftigungsverhältnisse beziehen sich auf die betriebliche Gesamtbeschäftigung . Sie umfasst neben sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmerinnen und -nehmern, Angestellten und Auszubildenden auch nicht sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (Beamte/Beamtenanwärter, tätige Inhaber/-innen und mithelfende Familienangehörige) sowie geringfügige und sonstige Beschäftigte. Personenmerkmale wie etwa das Alter oder der Hauptstatus einzelner Beschäftigter (Erwerbstätiger, Schüler , Rentner etc.) werden nicht erfasst und können daher weder bei den befristeten Arbeitsverträgen noch bei der Gesamtbeschäftigung berücksichtigt werden. Im Zehnjahresvergleich ist die Entwicklung von befristeten Arbeitsverträgen insgesamt in Thüringen tendenziell leicht gestiegen. In der Betrachtung der befristeten Arbeitsverträge im Freistaat Thüringen wird deutlich, dass die Daten zwischen den Jahren 2005 und 2014 einer starken Schwankung unterliegen. So gab es beispielsweise im Jahr 2005 61.000, im Jahr 2007 81.000, im Jahr 2012 59.000 und schließlich im Jahr 2014 70.000 dieser Arbeitsverträge im Freistaat Thüringen. Tabelle 1: Befristete Arbeitsverträge in Thüringen: Anzahl (in Tausend) und Anteile an der betrieblichen Gesamtbeschäftigung (in Prozent) nach Geschlecht Jahr Gesamt (Anteil in Prozent) Frauen (Anteil in Prozent) Männer (Anteil in Prozent) 2005 61 (7,3) 29 (7,7) 32 (7,0) 2006 69 (8,0) 35 (8,9) 34 (7,3) 2007 81 (9,2) 39 (9,9) 42 (8,7) 2008 78 (8,8) 36 (9,2) 42 (8,6) 2009 68 (7,8) 34 (8,6) 34 (7,2) 2010 71 (8,2) 38 (9,6) 33 (7,0) 2011 67 (7,6) 36 (8,8) 31 (6,6) 2012 59 (6,6) 30 (7,3) 29 (6,1) 2013 63 (7,0) 34 (8,2) 28 (5,9) 2014 70 (7,8) 35 (8,4) 35 (7,1) Quelle: IAB-Betriebspanel 1996-2014, hochgerechnete Werte Zu 1. b: Der Landesregierung liegen keine Kenntnisse darüber vor, welche Beschäftigten in besonderer Weise von befristeten Arbeitsverträgen in Thüringen betroffen sind. Zu 1. c: Wie bereits die Antwort zu Frage 1 in Tabelle 1 für das Jahr 2014 für Thüringen zeigt, ist die Anzahl befristeter Arbeitsverträge mit circa 35.000 zwischen Frauen und Männern gleichmäßig verteilt, wobei Frauen einen in der Regel leicht höheren Anteil an der betrieblichen Gesamtbeschäftigung aufweisen. Im Zehnjahresvergleich kann festgestellt werden, dass Männer in den Jahren von 2005 bis 2008 und Frauen ab dem Jahr 2009 häufiger befristet beschäftigt gewesen sind. 3 Drucksache 6/1564Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 1. d: Nach dem IAB-Betriebspanel griffen im Jahr 2014 über die Hälfte aller Betriebe in den Branchen öffentliche Verwaltung sowie Erziehung und Unterricht in Thüringen auf befristete Arbeitsverträge zurück (Tabelle 2). Dagegen waren befristete Arbeitsverträge im Baugewerbe und in der Land- und Forstwirtschaft (zwei bzw. neun Prozent) wenig verbreitet. Tabelle 2: Anteil der Betriebe mit befristet Beschäftigten nach Branchenzugehörigkeit im Jahr 2014 in Thüringen (in Prozent) Branche Anteil der Betriebe mit befristet Beschäftigten Land- und Forstwirtschaft 9 Verarbeitendes Gewerbe 20 Baugewerbe 2,3 Handel und Reparatur 21 Verkehr, Information, Kommunikation 26 Unternehmensnahe Dienstleistungen 11 Erziehung und Unterricht 52 Gesundheits- und Sozialwesen 21 Übrige Dienstleistungen 18 Öffentliche Verwaltung 57 Quelle: IAB-Betriebspanel Welle 2014, Stand 30. Juni 2014. Die Branchen "Bergbau, Energie, Wasser, Abfall", "Finanzund Versicherungsdienstleistungen" und "Organisationen ohne Erwerbszweck" werden aufgrund zu geringer Fallzahlen nicht ausgewiesen. Zu 1.e: Der Anteil sachgrundloser Befristungen bezieht sich auf alle im IAB-Betriebspanel erfassten befristeten Arbeitsverträge . Wie der Tabelle 3 entnommen werden kann, haben sich sowohl die Anzahl als auch die Anteile der sachgrundlosen Befristungen in Thüringen erhöht. Während im Jahr 2001 ungefähr 10.000 sachgrundlos befristete Arbeitsverträge in Thüringen festzustellen waren, gab es im Jahr 2013 circa 25.000. Im selben Zeitraum stieg der prozentuale Anteil um 27 Prozentpunkte. Tabelle 3: Sachgrundlose Befristungen in Thüringen: Anzahl (in Tausend) und Anteile an allen befristeten Verträgen in Klammern (in Prozent) 2001 2004 2012 2013 Thüringen 10 (13 ) 11 (15) 24 (40) 25 (40) Quelle: IAB-Betriebspanel 2001, 2004, 2012, 2013, hochgerechnete Werte Zu 1. f: Zwischen 2005 und 2014 nahm laut IAB-Betriebspanel die Zahl befristeter Beschäftigungsverhältnisse in Thüringen von ca. 61.000 auf ca. 70.000 zu, wobei im Zeitverlauf deutliche Schwankungen auftraten. Im gleichen Zeitraum kam es auch zu einem Anstieg der Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter. Laut der Bundesagentur für Arbeit stieg die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von ca. 710.000 Stellen im Juni 2005 auf ca. 773.000 im Juni 2014 und damit um ca. 63.000 bzw. 8,9 Prozent an. Laut dem IAB-Betriebspanel 2014 werden in 18 Prozent der Thüringer Betriebe befristet Beschäftigte eingesetzt . Das entspricht dem ostdeutschen Durchschnitt. Höhere Werte verzeichnen in Ostdeutschland nur Sachsen-Anhalt (19 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (22 Prozent). Zu 2.: Das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG) sieht gemäß § 14 Abs. 2, 2a und 3 folgende Regelungen vor: 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1564 "(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren. (2a) In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist. Auf die Befristung eines Arbeitsvertrages nach Satz 1 findet Absatz 2 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung. (3) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch teilgenommen hat. Bis zu der Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig." Der Koalitionsvertrag der Fraktionen der CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags sieht keine Änderungen der gesetzlichen Regelungen zur sachgrundlosen Befristung vor. Am 19. März 2014 wurde der durch die Bundestagsfraktion DIE LINKE im Ausschuss für Arbeit und Soziales eingebrachte Gesetzentwurf (18/7) zur Abschaffung der sachgrundlosen Befristung mehrheitlich abgelehnt. In Vertretung Feierabend Staatssekretärin